wohl besser, bei der Sache zu bleiben: Die Zeit wurde knapp. Die Jungs von der Spurensicherung konnten jeden Moment eintreffen.

Danach durfte er sich glucklich schatzen, den Fu? uberhaupt auf dieses Grundstuck gesetzt zu haben.

»Gibt es momentan eine Frau in seinem Leben?«

»Nur zu Zwecken leichter korperlicher Betatigung in den Abendstunden«, sagte Philip. »Aber ich versichere Ihnen, die kriegt nichts.«

»Glauben Sie, dass es unserem Vater gut geht?«, mischte Tom sich ein.

»Um ehrlich zu sein, ich habe keinen Hinweis auf einen Mord gefunden. Wir sind im Haus nicht auf eine Leiche gesto?en.«

»Konnte er entfuhrt worden sein?«

Barnaby schuttelte den Kopf. »Unwahrscheinlich. Warum sollte man sich mit einer Geisel belasten?« Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Ihm blieben vielleicht noch funf Minuten, hochstens sieben. Es reichte, um die Frage zu stellen: »Ist das Zeug versichert?« Er stellte die Frage so beilaufig wie nur moglich.

Philips Miene umwolkte sich. »Nein.«

Nicht einmal Barnaby konnte seine Uberraschung verbergen. »Nein?«

»Im letzten Jahr habe ich versucht, eine Versicherung ab-zuschlie?en. Doch niemand wollte die Sammlung versichern, solange sie sich ohne entsprechende Sicherheitsma?-nahmen in diesem Haus befand. Sie sehen ja selbst, wie leicht man hier einsteigen kann.«

»Warum hat Ihr Vater nicht fur mehr Sicherheit gesorgt?«

»Er war ein schwieriger Mensch. Niemand konnte ihm vorschreiben, was er tun sollte. Er hatte immer jede Menge Waffen im Haus. Ich schatze, er hat angenommen, er konnte sich seiner Haut erwehren; wie im Wilden Westen und so.«

Barnaby prufte seine Notizen und warf einen erneuten Blick auf die Uhr. Er war verwirrt. Die Einzelteile passten nicht zusammen. Er war sich vollig sicher, dass sie es nicht mit einem gewohnlichen Raub zu tun hatten. Aber wenn das Zeug nicht versichert war ... Welchen Sinn hatte es dann, sich selbst zu bestehlen? Au?erdem gab es da noch die identischen Briefe an die Sohne, die sie zu diesem Zeitpunkt zu einem Treffen baten. Was hatte da noch mal gestanden? ... eine sehr wichtige Angelegenheit, die deine Zukunft betrifft... Erweise deinem alten Herrn diese letzte Hoflichkeit...

Die Wortwahl hatte etwas sehr Zweideutiges.

»Was befand sich in dem Safe?«

»Sagen Sie blo? nicht, da waren die auch drin!« Philip griff sich mit bebender Hand an die schwei?bedeckte Wan-

ge. Sein Anzug wirkte nun zerknittert, und die Fassungslo-sigkeit auf seinem Gesicht sah echt aus.

»Doch.«

»Oh, Gott! Da waren Edelsteine und Juwelen drin. Und Gold aus Sud- und Mittelamerika. Au?erdem seltene Munzen und Briefmarken, alle au?erst wertvoll.«

»Offenbar hatten die Einbrecher nicht nur Schlussel fur alle Raume, sondern sie kannten auch die Kombination.

Konnen Sie sich vorstellen, woher sie die hatten?«

»Nein.«

»Hatte Ihr Vater einen Vertrauten? Vielleicht einen An-walt, der einen Zweitschlussel besa? oder die Safe- Kombination kannte?«

»Er hat niemandem vertraut.«

Das war ein wichtiger Punkt. Barnaby schaute Vernon und Tom an. »Sehen Sie das auch so?«

Die beiden nickten.

»Hatte er eine Haushaltshilfe?«

»Er hatte eine Frau, die taglich kam.«

»Einen Gartner?«

»Der war standig hier.«

»Sonst noch jemand?«

»Er hatte einen Koch angestellt - und eine Pflegerin, die dreimal pro Woche nach ihm sah.«

Nun mischte Fenton sich ein. Er beugte sich vor und lachelte auf die fur ihn typische barbarische Weise. »Darf ich Ihnen eine Frage stellen, Philip?«

»Wenn's sich nicht vermeiden lasst?«

»Wieso reden Sie eigentlich in der Vergangenheitsform uber Ihren Vater? Wissen Sie etwas, das wir nicht wissen?«

»Ach, um Gottes willen!«, explodierte Philip. »Kann mir denn niemand diesen Sherlock-Holmes-Verschnitt vom Hals schaffen?«

»Fenton«, murmelte Barnaby und warf seinem Kollegen einen warnenden Blick zu.

Fenton schaute ihn an. Als er Barnabys Blick sah, erstarrte seine Miene. »Verzeihung.«

»Wo sind sie jetzt?«, fragte Barnaby.

»Wer ist jetzt wo?«

»Die Haushalterin, der Gartner, die Kochin. Der Raub hat vor zwei Wochen stattgefunden. Irgendjemand hat das Hauspersonal entlassen.«

»Der Raub fand vor zwei Wochen statt?«, sagte Tom.

»Richtig.«

»Aber ich habe den Brief doch erst vor drei Tagen per Eil-boten bekommen.«

Das war interessant. »Hat sich jemand die Absenderadres-se gemerkt?«

»Es war irgend so ein Kurierdienst wie Mail Boxes Etc.«, erklarte Tom.

Barnaby dachte kurz nach. »Ich muss Ihnen mitteilen«, sagte er, »dass dieser angebliche Raub gewaltig nach Versicherungsbetrug stinkt.«

»Ich hab doch schon gesagt, dass die Sammlung nicht versichert war«, erwiderte Philip.

»Sie haben es erklart, aber ich glaube es nicht.«

»Ich kenne die Kunstversicherungsbranche, Lieutenant. Ich bin Kunsthistoriker. Die Sammlung war eine halbe Milliarde Dollar wert und stand einfach in einem Haus rum, das nur von einem technisch vollig uberholten Sicherheitssy-stem bewacht wurde. Mein Vater hatte nicht mal einen Hund. Ich sage Ihnen, die Sammlung war nicht versicherbar.«

Barnaby schaute Philip eine ganze Weile an, dann wandte er sich den beiden anderen Brudern zu.

Philip stie? zischend die Luft aus und blickte auf seine Uhr. »Glauben Sie nicht, dass der Fall fur die Polizei von Santa Fe eine Nummer zu gro? ist, Lieutenant?«

Wenn es kein Versicherungsbetrug war, was war es dann?

Ein Raub war es jedenfalls nicht. In Barnabys Hirn bildete sich allmahlich eine vage Idee. Eine echt bescheuerte Idee.

Doch sie nahm gegen seinen Willen Gestalt an und entwickelte sich sogar zu einer Art Theorie. Er musterte Fenton kurz. Fenton hatte naturlich keinen Schimmer, denn trotz all seiner Fahigkeiten besa? er keinen Sinn fur Humor.

Dann fielen Barnaby der riesige Fernseher, der Videorekorder und die Kassette auf dem Boden wieder ein. Nein, sie lag nicht nur einfach da rum. Sie war gleich neben die Fernbedienung auf den Boden gelegt worden. Und was hatte noch mal handschriftlich auf dem Etikett gestanden?

SCHAU MICH AN.

Das war es. Plotzlich passte alles zusammen. Barnaby wusste genau, was passiert war. Er rausperte sich: »Kommen Sie mal mit.«

Die drei Sohne folgten ihm ins Haus zuruck - ins Wohnzimmer.

»Nehmen Sie Platz.«

»Was ist denn los?« Philip wirkte zunehmend gereizt. Sogar Fenton musterte Barnaby fragend.

Barnaby hob die Kassette und die Fernbedienung auf.

»Wir schauen uns jetzt ein Video an.« Er schaltete den Fernseher ein und schob die Kassette in den Schlitz.

Вы читаете Der Codex
Добавить отзыв
ВСЕ ОТЗЫВЫ О КНИГЕ В ИЗБРАННОЕ

0

Вы можете отметить интересные вам фрагменты текста, которые будут доступны по уникальной ссылке в адресной строке браузера.

Отметить Добавить цитату