habe ich nichts zu sagen. Allerdings habe ich etwas anzumerken, das auf Tatsachen basiert.«
»Und das ware?«
»Hinter uns liegt ein todliches Sumpf gebiet, in dem das Wasser taglich weiter sinkt. Wir haben kein Boot. Es wird mindestens eine Woche dauern, eines zu bauen. Aber wir konnen keine Woche am gleichen Platz bleiben, weil die Soldaten uns dann namlich finden. Au?erdem ist der Bau eines Einbaums mit Rauch verbunden, den jeder sehen kann. Deswegen mussen wir in Bewegung bleiben, zu Fu?, durch den Dschungel, in Richtung Sierra Azul. Wenn wir umkehren, sterben wir. So viel zu meinen Tatsachen.«
34
Marcus Hauser sa? am Feuer auf einem Baumstamm. Zwischen seinen Zahnen steckte eine Churchill. Er nahm gerade seine Steyr AUG auseinander. Es war zwar nicht notig, aber fur Hauser war eine sich wiederholende korperliche Tatigkeit fast so etwas wie Meditation. Das Gewehr bestand hauptsachlich aus ausgezeichnet fabriziertem Kunststoff, und das gefiel ihm. Er zog den Spannhebel zuruck, packte die Griffschale, nahm den linken Daumen zu Hilfe und druckte den Verschlussriegel herunter. Dann drehte er den Lauf im Uhrzeigersinn und zog ihn nach vorn. Er rutschte mit zufrieden stellender Leichtigkeit heraus.
Hin und wieder warf Hauser einen Blick in den Wald, in dem Philip angebunden war. Aber er vernahm keinen Laut.
In den Morgenstunden hatte er einen Jaguar brullen horen.
Das Gebrull hatte Frustration und Hunger signalisiert, aber Hauser wollte nicht, dass sein Gefangener aufgefressen wurde - jedenfalls nicht, bevor er nicht wusste, wohin der alte Max sich gewendet hatte. Hauser warf noch etwas Holz ins Feuer, um die Dunkelheit und den umherschleichenden Jaguar zu verscheuchen. Rechts von ihm floss der Rio Macaturi am Lagerplatz vorbei. Er erzeugte leise platschernde und strudelnde Gerausche. Es war zur Abwechslung mal eine wunderschone Nacht. Am samtenen Himmel leuchteten Sterne, die sich als matt tanzende Lichter auf der Wasseroberflache spiegelten. Es war fast zwei Uhr morgens, doch Hauser gehorte zu den Glucklichen, denen vier Stunden Schlaf pro Nacht reichten.
Er schob einen weiteren Ast ins Feuer, um mehr Licht zu haben, dann lie? er den Verbindungsbolzen aus dem Ver-schlussgehause gleiten. Seine Hand streichelte behutsam die glatten Teile aus Kunststoff und Metall - die einen waren warm, die anderen kalt - und genoss den Geruch des Waffenols sowie das Klicken der von fachmannischer Hand fabrizierten, sich voneinander losenden Teile. Noch ein paar geubte Bewegungen, und das Gewehr wurde in seine sechs Hauptteile zerlegt vor ihm liegen. Er nahm jedes Teil in die Hand, untersuchte es, reinigte es und fuhr mit den Handen daruber. Dann setzte er die Waffe wieder zusammen. Er arbeitete langsam, fast wie im Traum: Hier gab es keine Hetzerei wie im Ausbildungslager.
Hauser vernahm ein leises Gerausch: das Quietschen der zuruckkehrenden Boote. Das Unternehmen war abgeschlossen, die Manner kamen punktlich zuruck. Hauser freute sich. Nicht mal ein halbgescheiter Trupp honduranischer Soldaten konnte einen so simplen Auftrag vermasseln.
Oder doch? Er sah den Einbaum, der sich aus dem dunklen Leib des Flusses materialisierte. Doch an Bord befanden sich keine funf Soldaten, sondern nur drei. Hauser beobachtete sie mit einem klammen Gefuhl in der Brust. Das Boot legte an dem langen Findling an, der ihnen als Landesteg diente. Zwei Manner sprangen heraus. Vom Feuer erhellte Gestalten bewegten sich vor der Dunkelheit und halfen dem dritten Mann an Land. Er ging mit steifen Schritten.
Hauser horte ein von Schmerzen kundendes Stohnen. Drei Manner - und er hatte funf ausgeschickt.
Hauser schob die Kolbenplatte hinein, lie? den Montage-block einfahren und drehte die Gehauseklappe nach links.
Er arbeitete nach Gefuhl, denn sein Blick war auf die Gestalten gerichtet, die sich nun dem Lagerfeuer naherten. Die Manner kamen ihm verlegen und nervos vor. Einer der Soldaten stutzte seinen verwundeten Kameraden. Ein meterlanger Pfeil hatte den Oberschenkel des Mannes durchschlagen. Das gefiederte Ende ragte an der anderen Seite heraus, die entblo?te Metallspitze vorn. Sein Hosenbein war zerrissen und steif vom getrockneten Blut.
Die Manner standen wortlos da, schauten mehr oder weniger zu Boden und scharrten mit den Fu?en. Hauser wartete ab. Die Ungeheuerlichkeit seines Fehlers - diesen Leuten zuzutrauen, einen absolut simplen Auftrag zu erledigen - war nun offensichtlich. Er baute das Gewehr weiter zusammen, drehte den Lauf wieder an Ort und Stelle und schob mit einem Klicken das Magazin ein. Dann wartete er wieder ab. Die Waffe ruhte auf seinen Knien. In seinem Herzen war ein eisiges Gefuhl.
Die Stille wurde langsam unertraglich. Jemand musste nun etwas sagen.
»Wir haben zwei von ihnen getotet,
Seine Stimme klang elend. Seine Bewegungen zeugten von Nervositat. Der Mann, in dessen Bein der Pfeil steckte, stie? ein unfreiwilliges Stohnen aus.
»Sie sehen also,
Hauser stand auf. »Entschuldigen Sie, Teniente, aber dieser Mann muss sofort behandelt werden.«
Mit dem Gewehr in der Hand legte Hauser den freien Arm um den Verwundeten und nahm ihn dem Soldaten ab, der ihn bislang gestutzt hatte. Er beugte sich vor und sagte freundlich: »Komm mit. Ich kummere mich um dich.«
Der Teniente wartete am Feuer. Er sah nicht frohlich aus.
Hauser stutzte den Mann und fuhrte ihn vom Lagerfeuer fort. Der Soldat hinkte und stohnte. Seine Haut war hei? und trocken. Er hatte Fieber.
»Sachte, sachte«, sagte Hauser. »Wir bringen dich da ruber und machen dich wieder heil.« Er fuhrte ihn etwa funfzig Meter in die Dunkelheit hinter dem Lagerfeuer hinein und bugsierte ihn auf einen Baumstamm. Der Mann wankte, stohnte, doch mit Hausers Hilfe konnte er sich hinsetzen.
Hauser nahm ihm die Machete ab.
»Bevor Sie den Pfeil herausschneiden, geben Sie mir einen Whiskey, Senor.« Der Mann winselte, die Schmerzen machten ihn fertig.
»Es wird nur eine Sekunde dauern.« Hauser klopfte dem Soldaten freundlich auf die Schulter. »In Kurze bist du wieder auf dem Damm. Ich garantiere dir, dass der Eingriff vollig schmerzlos ist.«
»Nein, Senor, bitte, zuerst einen Whiskey ...«
Hauser beugte sich mit der Machete uber den Pfeil. Der Mann verkrampfte sich und knirschte mit den Zahnen. Er schaute nur auf die Machete, sonst sah er nichts. Inzwischen hob Hauser die Mundung der Steyr AUG und schob sie bis auf drei Zentimeter an den Hinterkopf des Mannes heran. Er stellte den Abzug auf Schnellfeuer und gab eine kurze Salve ab. Der Beschuss traf den Mann schrag, und seine Wucht warf ihn nach hinten uber den Baumstamm, wo er, alle viere von sich gestreckt, reglos liegen blieb. Absolute Stille breitete sich aus.
Hauser kehrte ins Lager zuruck, wusch sich die Hande und nahm wieder am Feuer Platz. Er griff sich die halb ge-rauchte Churchill und zundete sie mit einem Ast an, den er aus den Flammen zog. Die beiden Soldaten sahen ihn nicht an, doch einige andere, die den Schuss gehort hatten, kamen aus den Zelten. Sie hatten die Waffen gezuckt und schauten sich verwirrt und alarmiert um.
»Es ist nichts«, sagte Hauser und winkte sie fort. »Der Mann brauchte einen chirurgischen Eingriff. So war es kurz, schmerzlos und erfolgreich.«