unbeendet.

59

Sie verbrachten den restlichen Nachmittag im Schutz der Baume und beobachteten Hauser und sein Gefolge. Ein Kommando befreite einen Steintempel vor der Pyramide vom Bewuchs, wahrend ein anderes sich in eine kleinere Pyramide in der Nahe hineinsprengte. Der umschlagende Wind lie? sie etwa alle halbe Stunde das schwache Heulen einer Kettensage und das ferne Grollen von Explosionen horen. Dann stiegen Staubwolken auf.

»Wo ist Vaters Gruft?«, fragte Tom Borabay.

»Auf Klippen unterhalb von Stadt, auf andere Seite. Ort von Toten.«

»Kann Hauser ihn finden?«

»Ja. Weg nach unten ist versteckt, aber irgendwann er ihn finden. Vielleicht morgen. Vielleicht zwei Wochen.«

Bei Einbruch der Nacht flammten in der Wei?en Stadt zwei Jupiterlampen auf. Zwei weitere erhellten die Hangebrucke und das sie umgebende Gelande. Hauser ging kein Risiko ein. Au?erdem war er gut ausgerustet, er hatte sogar einen Generator dabei.

Sie verzehrten schweigend das Abendessen. Tom schmeckten die Frosche, Eidechsen oder woraus Borabays Mahlzeit auch immer bestand, nicht besonders. Soweit er es von ihrem Aussichtspunkt auf dem Kamm sehen konnte, war die Wei?e Stadt auf Abwehr bestens eingerichtet und fast uneinnehmbar.

Als sie mit dem Essen fertig waren, sprach Philip aus, was alle dachten: »Ich glaube, wir machen lieber die Fliege und holen Verstarkung. Allein kriegen wir das nicht hin.«

»Angenommen, sie finden und offnen die Gruft, Philip«, sagte Tom. »Was werden sie deiner Meinung nach dann tun?«

»Sie werden sie ausrauben.«

»Nein. Zuerst wird Hauser Vater ermorden.«

Philip antwortete nicht.

»Wir brauchen mindestens vierzig Tage, nur um hier wegzukommen. Wenn wir Vater retten wollen, mussen wir jetzt handeln.«

»Ich mochte zwar nicht derjenige sein, der es ablehnt, Vater zu retten, aber ... Tom, sei vernunftig, wir haben eine alte Knarre, etwa zehn Schuss Munition und ein paar bemalte Krieger mit Pfeil und Bogen. Die anderen haben Automatikwaffen, Granatwerfer und Dynamit. Au?erdem haben sie den Vorteil, dass sie die Stadt aus einer unglaublich sicheren Position heraus verteidigen.«

»Den haben sie allerdings nicht mehr, falls es einen geheimen Weg in die Stadt gibt«, erwiderte Tom.

»Kein geheimer Weg da«, sagte Borabay. »Nur Brucke.«

»Es muss einen zweiten Weg geben«, sagte Tom. »Wie hatten sie die Brucke sonst bauen konnen?«

Borabay schaute ihn an, und Tom empfand einen Anflug von Triumph.

»Gotter haben Brucke gebaut«, sagte Borabay.

»Gotter bauen keine Brucken.«

»Gotter haben diese Brucke gebaut.«

»Verdammt, Borabay! Die Gotter haben diese Brucke nicht gebaut. Menschen haben sie gebaut, und dazu mussten sie von beiden Seiten aus arbeiten!«

»Du hast Recht«, meinte Vernon.

»Gotter haben Brucke gebaut«, sagte Borabay stur. »Aber«, fugte er dann hinzu, »Tara-Volk auch wei?, wie man Brucke baut von eine Seite.«

»Das ist unmoglich.«

»Bruder, du immer genau wissen, du haben Recht? Ich dir sagen, wie Tara haben Brucke gebaut von eine Seite. Zuerst Tara schie?en Pfeil mit Seil und Haken ab. Pfeil treffen Baum auf andere Seite. Dann Tara schicken kleinen Jungen in Korb an Rader an Seil entlang.«

»Und wie kommt er ruber?«

»Er sich selbst ziehen.«

»Wie kann jemand ein Seil mit einem Haken mit Pfeil und Bogen uber eine zweihundert Meter breite Schlucht schie-

?en?«

»Tara nehmen gro?en Bogen und besonderen Pfeil mit Feder. Sehr wichtig, zu warten auf Tag mit starke Wind in richtige Richtung.«

»Erzahl weiter.«

»Wenn kleine Junge druben, Mann schie?en zweiten Pfeil mit Seil. Kleine Junge binden Seile zusammen, legen Seil um kleines Rad ...«

»Einen Flaschenzug?«

»Ja. Dann mit Flaschenzug Mann kann ruberziehen viele Dinge. Zuerst er ziehen ruber dickes Tau in Korb, das er entrollen, wenn unterwegs. Junge kann dickes Tau an Baum festmachen. Nun kann Mann gehen uber dickes Tau.

Jetzt Mann und Junge sind auf andere Seite. Mann benutzt zweites Flaschenzug, um noch drei Taue auf andere Seite zu ziehen. Eins nach anderes. Jetzt vier Taue uberspannen Schlucht. Dann mehr Manner uberqueren in Korb ...«

»Das reicht«, unterbrach Tom ihn. »Ich verstehe, was du meinst.«

Die Unglaublichkeit ihrer Lage wurde ihnen bewusst, und sie verfielen in Schweigen.

»Haben die Tara-Krieger schon versucht, die Leute in einen Hinterhalt zu locken und die Brucke zu kappen?«

»Ja. Viele dabei sterben.«

»Haben sie es mit Brandpfeilen versucht?«

»Konnen Brucke nicht erreichen.«

»Eines durfen wir nicht vergessen«, warf Philip ein.

»Wenn die Brucke gekappt wird, sitzt Vater ebenfalls fest.«

»Dessen bin ich mir bewusst. Ich gehe nur unsere Moglichkeiten durch. Vielleicht konnen wir Hauser ein Geschaft vorschlagen: Wenn er Vater rauslasst, kann er die Grabkammer und die Reichtumer behalten. Wir uberschreiben ihm alles, und dann hat sich die Sache.«

»Damit ware Vater nie einverstanden«, sagte Vernon.

»Auch dann nicht, wenn es sein Leben rettet?«

»Er wird an Krebs sterben.«

»Oder unser Leben?«

Philip schaute sie an. »Ihr durft nicht mal daran denken, Hauser zu vertrauen oder ihm ein Geschaft vorzuschlagen.«

»Na schon«, sagte Vernon. »Dass wir die Wei?e Stadt an-derweitig erreichen, konnen wir ausschlie?en. Einen Fron-talangriff konnen wir sowieso vergessen. Ist jemand unter uns, der wei?, wie man einen Drachen baut?«

»Nein.«

»Dann bleibt uns nur eine Moglichkeit.«

»Und die ware?«

Vernon ebnete ein Stuck Boden neben dem Feuer, ritzte eine Landkarte in den Boden und erlauterte seinen Plan.

Als er fertig war, ergriff Philip als Erster das Wort.

»Es ist ein irrer Plan.« Er schuttelte den Kopf. »Ich bin dafur, dass wir umkehren, Hilfe holen und wiederkommen.

Es kann Monate dauern, bis wir Vaters Grabkammer gefunden haben.«

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