Cethegus furchte die Brauen. -
«Er vertraut immer wieder seiner hündischen Treue. Er muß von seiner Untreue greifbar überzeugt werden.»
«Das wird schwerhalten», meinte Cethegus. «Eher lernt Theodora die Treue, als Belisar die Untreue.» Ein Schlag der kleinen Hand auf den Mund war seine Strafe.
«Dir bin ich, törichterweise, treu geblieben, - d. h. im Wohlwollen. Willst du Belisar wieder in Italien haben?»
«Um keinen Preis.»
«Dann hilf, ihn verderben samt dem Sohn des Boethius.» -«Sei's», sagte der Präfekt. «Ich habe keinen Grund, den Bruder des Severinus zu schonen. Aber wie? Wie willst du den Beweis von Belisars Untreue führen? Darauf bin ich gespannt. Wenn du das vermagst, erkläre ich mich, wie im Lieben und Hassen, so im Planen einen Stümper gegen Theodora.»
«Das bist du auch, schwerfälliger Sohn von Latium.
Nun höre: aber das ist so gefährlich, daß ich selbst dich, Galatea, bitten muß, Wache zu stehen, daß niemand kommt und lauscht. Nein, Goldmütterchen, nicht innerhalb, - ich bitte recht schön: außerhalb der Türe. - Laß mich nur allein mit dem Präfekten - es gilt - leider! - nur ein Geheimnis des Hasses.»
Als nach geraumer Zeit der Präfekt das Gemach verließ, sagte er zu sich selber: «Wenn dieses Weib ein Mann wäre, - der müßte mir sterben. - Er wäre gefährlicher als die Barbaren, samt Byzanz. Aber dann freilich, dann wäre die Bosheit nicht so unergründlich teuflisch.»
Zwölftes Kapitel
Bald nachdem der Präfekt nach Haus gekommen, meldete Syphax den Sohn des Boethius: die Kaiserin sende ihn.
«Laß ihn ein und niemand sonst, bis er fort ist. Einstweilen aber schicke schleunigst nach Piso, dem Tribun.»
Der junge Anicius, einstweilen zum Mann herangereift, trat ein. Er trug einfache Kleidung, und sein Haar, sonst künstlich gelockt und gesalbt, hing heute schlicht herab. Seine weichen Züge - sie erinnerten den Präfekten lebhaft an Kamilla -gewannen sehr durch den Ausdruck von Entschlossenheit, der heute darauf ruhte.
«Du mahnst mich an deine schöne Schwester, Anicius», mit diesen Worten empfing ihn der Präfekt.
«Ihretwegen, Cethegus, bin ich gekommen», sprach der Jüngling ernst. «Du bist der älteste Freund meines Vaters, meines Hauses. Du hast mich und Severinus in deinem eignen Hause geborgen gehalten und, mit Gefahr für dich selbst, geflüchtet, als man nach uns forschte. Du bist der einzige in Byzanz, von dem ich väterliche n Rat in einer dunkeln Pflicht erbitten kann. Erst vor wenigen Tagen erhielt ich diesen rätselhaften Brief.»
«Anicius, dem Sohne meines Patronus, Corbulo, der Freigelassene... -»
«Corbulo? Ich kenne den Namen.»
«Der Freigelassene meines Vaters, bei welchem meine Mutter und Schwester Zuflucht gefunden, und der... -»
«Mit deinem Bruder vor Rom gefallen ist.»
«Ja, aber er starb erst im gotischen Lager, wohin er, selbst schwerverwundet, mit meinem sterbenden Bruder aus dem Dorf ad aras Bacchi, gefangen gebracht wurde. So erzählt mir ein mitgefangener armenischer Söldner Belisars, Sutas, der mir den Brief überbrachte, den Corbulo nicht mehr vollenden konnte.
Lies selbst.»
Und Cethegus nahm das kleine Wachstäfelchen mit den kaum leserlichen Zügen und las: «Das letzte Wort, das Vermächtnis deines sterbenden Bruders war: Anicius soll nun rächen die Mutter, die Schwester, mich: uns alle hat derselbe Dämon unseres Hauses... - -»
«Hier endet leider der Brief», sagte Cethegus, Anicius die Tafel zurückgebend.
«Ja, dem treuen Corbulo vergingen die Sinne, und er erwachte nicht mehr aus seiner Ohnmacht, sagt der Söldner.»
«Damit ist nicht viel zu machen», meinte achselzuckend Cethegus.
«Gewiß, aber der Söldner Sutas hörte noch ein Wort meines sterbenden Bruders zu Corbulo sie lagen in einem Zelte -: das kann ein Schlüssel werden.»
«Nun?» fragte Cethegus, teilnehmend gespannt.
«Severinus sagte: Ich ahn' es. Er wußte von diesem Hinterhalt. - Er hat uns in den Tod geschickt.'» - «Wer?» fragte Cethegus ruhig. «Ja, das eben fragt sich.» - «Du hast keine Ahnung?» -«Nein, aber es kann nicht unmöglich sein, den Gemeinten zu entdecken.» - «Wie willst du das anfangen?»
«In den Tod geschickt?: - das kann nur einen Anführer, einen Feldherrn meinen, der meinen Bruder veranlaßte, an jenem Morgenritt Belisars aus dem tiburtinischen Tor sich zu beteiligen. Denn Severinus gehörte damals nicht zu dem Gefolge Belisars. Er war Tribun deiner Legionäre. Es muß gelingen, wenn du, Belisar, Prokop ernstlich nachspüren, den zu ermitteln, der ihn veranlaßte. Denn er ging nicht etwa auf deinen Befehl mit andern Legionären: keiner deiner Legionäre und Reiter war sonst dabei.»
«Das ist richtig», sagte Cethegus, «soviel ich mich entsinne.»
«Nein, nicht einer. Prokop - leider ist er nun verreist, Bauwerke Justinians in Asien kennenzulernen - war ja selbst dabei: oft zählte er mir die Namen aller auf. Wenn er wiederkehrt, werde ich sorgfältig forschen, mit wem etwa mein Bruder vor dem Ausfall zuletzt verkehrt, in wessen Haus oder Zelt er war: - ich werde nicht ruhen und rasten -, ich werde Severins noch lebende Kameraden befragen, wo sie ihn zuletzt, vor dem Ausritt, gesehn.»
«Du bist scharfsinnig für deine Jahre», sagte der Präfekt mit seltsamem Lächeln. «Wenn solche Klugheit erst zu Reife kommt! Aber freilich: du lebst in guter Schule für die Schlauheit. Weiß die Kaiserin von deinem Rätselbrief?»
«Nein, und sie soll nie davon erfahren. Nenne mir ihren Namen nicht! Diese Rachepflicht sendet mir Gott als letzten Mahnruf, mich von ihr zu reißen.»
«Aber sie sendet dich zu mir?»
«In einer andern Sache - die aber sehr gegen ihre Meinung enden soll. Vor kurzem ließ sie mich heute rufen: noch einmal fragte sie mich lächelnd, ob es denn gar so schwer im goldigsten Käfig auszuhalten sei? Mich aber ekelt des Weibes. Und mich reut schmerzlich der Monate, die ich bei ihr verloren, indes mein Bruder für das Vaterland gefochten und gefallen. Ich gab ihr so herbe Antwort, daß ich einen Sturm des Zorns erwartete. Aber zu meinem Staunen blieb sie ganz ruhig und sprach lächelnd: <Nun es sei: keine Treue dauert. Gehe hin zu Antonina oder zur Tugend oder zu beiden Göttinnen. Aber zum letzten Zeichen meiner Gunst will ich dich retten vor sicherem Verderben.
Es besteht in Byzanz eine Verschwörung römischer und griechischer Jünglinge gegen Justinians Leben oder Freiheit. Sie wollen ihn zwingen zum Gotenkrieg und zu Belisars Ernennung zum Feldherrn. Still, ich weiß es. Ich weiß auch, daß man dich schon halb gewonnen, daß du zwar noch keine der Versammlungen besucht hast, aber die Dokumente der Verschwörung verwahrst. Ich habe sie gewähren lassen, weil einige alte Übelgönner von mir darunter sind, die ich sicher diesmal zu verderben hoffe. In einigen Tagen ziehe ich das Netz zusammen. Du aber sollst gewarnt und gerettet sein. Geh zum Präfekten: er soll dich unter der Schar seiner Söldner
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