«Eine Ahnung, mein Adalgoth», sprach Teja, den Arm um des Jünglings Nacken schlingend. «Sieh, wie rasch die Sonne sinkt. Mich schauert. - Laß uns dem Botenschiff entgegengehen - da unten wird es landen, wo die alten, gestürzten Marmorsäulen liegen.»
Totila und Valeria waren nach dem Zelte zurückgewandelt.
«Hat dich bewegt», fragte die Römerin erschüttert, «mein Geliebter, was jener Fremdling sprach? Es war - Guntharis und Teja haben mir's erklärt -, es war sehr ernst.»
Aber Totila erhob rasch das nachdenklich gesenkte Haupt. «Nein, Valeria, es hat mich nicht erschüttert. Des großen Theoderichs großes Werk hab' ich auf meine Schultern genommen. Der Traum meiner Jugend, der Gedanke meines Königtums: - ich will für ihn leben und sterben. Komm: - wo
bleibt Adalgoth, mein Mundschenk? - Komm, noch einmal tu Bescheid mit dem Becher, Valeria - laß mich trinken auf das Glück des Gotenreichs.» Und hoch erhob er den Pokal.
Aber er vermochte nicht, ihn zu Munde zu führen, denn Adalgoth eilte, laut rufend, die Stufen hinan, gefolgt von Teja.
«König Totila», rief jetzt Adalgoth atemlos, «bereite dich, ein Furchtbares zu hören, fasse dich... »
Totila setzte den Pokal nieder und fragte erbleichend:
«Was ist geschehn?»
«Dein Botenschiff brachte die Kunde von Ancona her: Der Kaiser hat den Waffenstillstand gebrochen - er hat... »
Da war Teja heran: sein langes, schwarzes Haar flatterte im Winde. Geisterblaß war sein Antlitz, und sein Auge sprühte: «Auf, König Totila», rief er, «den Kranz aus dem Haar, und den Helm auf das Haupt! Auf der Höhe von Senogallia, nahe bei Ancona, hat eine Flotte des Kaisers die unsere, die im Schutz des Waffenstillstandes lag, plötzlich feindlich überfallen.
Unsere Flotte ist nicht mehr.
Von unsern vierhundertsiebzig Segeln sind nur elf gerettet.
Ein starkes Heer des Kaisers ist gelandet.
Und Feldherr ist -: Cethegus, der Präfekt.»
Zwanzigstes Kapitel
In dem Lager Cethegus' des Präfekten bei Setinum, am Fuß des Apenninus, wenige Meilen nördlich von Taginä, schritt Lucius Licinius, der soeben von Epidamnus her zur See eingetroffen war, in eifrigem Gespräch mit Syphax vor dem Zelt des Feldherrn auf und nieder.
«Mit Schmerzen erwartet dich mein Herr, o Kriegstribun. Schon seit mehreren Tagen. Hoch erfreut wird er sein, dich zu finden im Lager», sprach der Numider. «Er muß bald zurückkehren von einem Ritt der Kundschaftung.»
«Wohin ritt er?»
«Mit Piso und den andern Kriegstribunen gegen Taginä.»
«Ja, das ist die nächste, feste Stadt der Goten nach Süden zu. Nun aber erzähle mir, kluger Maure, von den letzten Dingen, die zu Byzanz geschahen. Du weißt: mich hatte dein Herr zu den Langobarden auf Werbung geschickt, lange bevor in Byzanz eine Entscheidung erreicht war. Als ich nun, nach gefahrvoller Reise durch das Land der Langobarden und der Gepiden, bei Novä über den reißenden Ister wieder glücklich in das Reich Justinians gelangt war und bei dem Gastfreund in Nikopolis die verabredete Weisung des Präfekten abholte, die meine weiteren Schritte lenken sollte, fand ich nur den lakonischen Befehl: ihn in Senogallia zu treffen.
Ich staunte. Denn daß er, an der Spitze von Flotte und Heer des Kaisers, als Sieger, den Boden Italiens wieder beschreiten würde, wagte ich kaum zu hoffen. Von Senogallia her eilte ich eurem Marsche bis hierher nach. Die Heerführer, die ich bisher im Lager getroffen, haben mir nun zwar den Lauf der Dinge ungefähr erzählt bis kurz vor Belisars Verhaftung. Aber von dem Hergang bei dieser und von den späteren Dingen haben sie offenbar keine genauere Kunde. Du aber... -»
«Ja, ich weiß diese Sachen: so gut fast wie mein Herr. Denn ich war selbst dabei.»
«Ist's möglich? Belisar wirklich ein Verschwörer gegen Justinian? Nie hätt' ich's geglaubt.»
Syphax lächelte schlau: «Darüber hat Syphax kein Recht, zu urteilen: ich kann nur genau sagen, was geschah.
Nun höre, aber tritt ins Zelt und labe dich, mein Herr würde schelten, ließ ich dich hier draußen, unverpflegt, und es spricht sich auch sichrer drinnen», fuhr er fort, den Zeltvorhang hinter dem Eintretenden schließend.
Während er nun den Gast seines Herrn auf den Feldstuhl nötigte und mit Früchten und Wein versah und bediente, hub er an zu erzählen: «Bei Einbruch der Nacht jenes Schicksalstages kauerte ich in einer Nische des Muschelhauses des Photius, des Freigelassenen Belisars, hinter der hohen Statue eines Christenheiligen, dessen Namen ich nicht weiß, der aber einen sehr löblich breiten Rücken hat. Zugedeckt von seinen Schultern konnte ich durch eine Lücke oben in der Mauer spähen, die dem Saale frische Luft zuführen soll.
Bei schwacher Beleuchtung erkannte ich Photius und eine Anzahl vornehmer Männer, die ich oft in dem Kaiserpalast oder in Belisars Haus oder bei Prokopius hatte aus- und eingehen sehen. Das erste, was ich verstand - denn mein Herr hat mich die Sprache der Griechen, die sich <Romäer> nennen, lernen lassen -war das Wort des Hausherrn an einen Eintretenden: Freue dich: Belisarius kommt. Nachdem er mich gestern früh kaum eines Blickes gewürdigt, als ich ihn erwartungsvoll in der Ringschule des Zenon anhielt, sprach er mich heute abend selber an, da ich an der offnen Türe seines Hauses lauernd langsam vorüberschritt. Denn ich wußte, daß er gegen Abend wiederkommen werde von der Jagd mit den persischen Leoparden. Vorsichtig drückte er mir dies Wachstäfelchen in die Hand, umspähend, ob ihn niemand sehe. Hier aber steht: <Nicht länger widersteh' ich eurer Werbung. Neue Gründe zwingen mich. Ich komme heute.>
<Aber wo ist Piso, wo Salvius Julianus, wo die andern jungen Römer?> fragte Photius.
<Sie kommen wohl nicht>, sprach der Eintretende. <Ich sah sie fast alle auf Booten im Bosporus. Sie sind wohl zu einem Schmause nach des Präfekten Villa vor dem Tor des Constantin gesegelt.>
<Laß sie, wir brauchen sie nicht, die brutalen Latiner, nicht den stolzen und falschen Präfekten: Belisar wiegt wahrlich mehr als sie.>
Da trat Belisarius ein. Er trug einen weiten, seine Gestalt verhüllenden Mantel.
Der Hausherr eilte ihm entgegen, alle drängten sich ehrfurchtsvoll um ihn. <Großer Belisarius>, sprach der Freigelassene, <wir wissen diese deine Tat zu würdigen. Du bist erschienen: - so bist du unser Haupt.>
Und er drängte ihm den kleinen Elfenbeinstab auf, den der Leiter der Versammlungen führt, und geleitete ihn an den erhöhten Sitz des Vorstehers der Gesellschaft, den er selbst eben verlassen. <Sprich - befiehl - handle - wir sind bereit.>
Вы читаете Ein Kampf um Rom