Glück war es noch unfertig in Venetia: sonst wäre auch die Übermacht des Narses nicht so rasch vorgedrungen: - er hat durch Verhaue und Gräben alle wichtigsten Übergänge der Höhenzüge und Straßen so meisterhaft gedeckt, daß ganz geringe Kräfte den Marsch des größten Heeres tagelang hinter jedem solchem Hindernis aufzuhalten vermögen.
Mit Bewunderung erkannte Narses diese Anlagen. «Dieser Totila ist ein viel größter Feldherr als Antoninas Gemahl!» rief er. Er hatte auch durch die Ämilia mit breitester Stirn nach Süden ziehen wollen, alles gotische Leben erdrückend.
Er mußte aber seinen Plan, von Ravenna westlich in das Innere des Landes zu marschieren, aufgeben, nachdem bei einem Versuch, ein solches Bollwerk bei Imola auf geheimnisvolle Weise zu zerstören, Martinus ein geheimnisvolles Ende fand. Als Narses ratlos vor der Feste stand und aussprach, sein ganzer Plan könne an diesen Stockungen scheitern und - zum erstenmal auf dem Feldzug -vor Erregung von seiner bösen Krankheit «Epilepsis» niedergeworfen wurde, da sprach Martinus zu Johannes, der sich eine tüchtige Brustwunde bei seinem abgeschlagenen Sturm geholt hatte: «Der Rächer Belisars soll nicht durch diese Steine aufgehalten werden, wenn Martinus richtig gerechnet hat. Freilich», sagte er, «das letzte Experiment im kleinen mißlang und hätte mir fast den Kopf weggerissen, aber es gilt, Belisar zu rächen, und dafür wag' ich gern meinen Kopf.» Und in der Nacht schlich sich Martinus mit einigen Steinarbeitern an die Felswände hinan und bohrte an ihnen ein kleines Loch.
Aber plötzlich wurden wir alle aus unsern Zelten geschreckt durch einen furchtbaren Knall, desgleichen wir nie vernommen.
Wir eilten an die Felswand.
Diese war freilich auseinander gesprengt, als hätte sie der Blitz getroffen: - aber nicht von oben nach unten, von unten nach oben. Die gotische Besatzung auf den Wällen war zerrissen: aber auch schrecklich verstümmelt und ganz schwarz lagen unser armer Martinus - sein kluger Kopf zwölf Schritte von dem kleinen Körper - und alle seine Arbeiter.>»
«Rätselhaft!» sagte Cethegus. «Kennt man die Erfindung?»
«Nein, er hat sie mit ins Grab genommen. Er sagt ja: er war noch nicht ganz mit ihr fertig. In seinem Zelte fand man ein Häufchen kleiner Körnchen, wie schwarzes Salz, welches Narses eifrig ihm noch in der Nacht zu bringen befahl. Aber auf dem Wege fiel ein Funke von der Pechfackel des Trägers auf die offene Schale: und hell auflodernd puffte und flammte das Gift in die Höhe: doch diesmal ohne Knall und ohne Schaden.»
«Hätt' ich doch dieses schwarze Salz», seufzte Cethegus. «Dann wehe Narses und Byzanz.»
«Ja: ähnlich mag Narses gedacht haben», lächelte Piso. «Denn nach des Basiliskos Bericht durchsuchte und durchstöberte er alle Schalen und Schreibereien des Verunglückten. Aber ohne Erfolg.»
«<Imola hatten wir nun zwar>, fuhr Basiliskos fort zu erzählen», so berichtete Salvius Julianus. «<Aber schon ganz in der Nähe, bei Castrum Brintum, lag wieder eine solche Wegsperre. Und kein Martinus lebte mehr, sie zu sprengen. Ratlos hielt Narses inne.>
<Johannes>, fragte er endlich, <du kennst genau den Küstenweg von Ravenna südöstlich bis Ancona?> - <Ja>, erwiderte dieser, es war der Weg meiner schönsten Siege unter Belisar. - <Und dort werden die Wegsperren fehlen>, frohlockte Narses, <weil der Barbarenkönig die zahlreichen natürlichen Wegsperren, die Flüsse, die von Westen her in den Meerbusen münden, durch seine Flotte zu beherrschen glaubte. Die Flotte hat uns der Präfekt von Rom freundschaftlich aus dem Wege geräumt. Wendet! Brecht das Lager ab; wir ziehen hart an der Küste nach Südosten.> <Wie willst du über die brückenlosen Flüsse setzen? > fragte Basiliskos staunend. <Die Brücken, Freund, tragen wir auf den Schultern mit uns.>»
«Darauf bin ich gespannt», unterbrach Cethegus.
«<Und so zogen wir denn zuerst ostwärts>, schloß Basiliskos seinen Bericht, <an die Küste und von hier aus ganz hart an der See nach Süden, geführt von Johannes. Die Flotte aber segelte dicht an der Küste, mit dem Landheer gleichen Schritt haltend, und wo ein Fluß das Landheer zu hemmen drohte, sandte die Flotte zahllose kleine Boote stromaufwärts, und auf diesen setzten die Truppen über. Und wenn zwei Flüsse durch nur kurze Strecken Landes getrennt waren, trugen Roß und Mann die leichten Fahrzeuge auf Rücken und Schultern von Fluß zu Fluß.
So zogen wir denn über den Sapis nach dem alten Ficocle, über die drei Arme des cäsarischen Rubico, über einen mir unbekannten Fluß und über den Ariminus nach Ariminum, wo Usdrila, der Goten tapfrer Führer, im Ausfall umkam.
Aber auf der flaminischen Straße vorzudringen war unmöglich. Diese sperrte das feste Petra pertusa; so wandten wir uns denn nach Südwesten und zogen über den Metaurus gegen den Apennin, zu Hilfe dem Präfekten von Rom und Statthalter von Italien, das aber andere Leute haben, dem großen Magister militum per Italiam, der aber nur ein kleines Heer hat, auf daß nicht König Totila und Graf Teja von Tarentum ihn samt euch, ihr edeln römischen Ritter, erdrücken wie die Mühlsteine das Korn.>»
«Daß aber deine Boten festgehalten wurden zu Epidamnus... -» fuhr Piso fort.
«Allerdings, es kam keiner zurück, auch die nicht, denen ich schleunige Umkehr befohlen», sprach Cethegus nachsinnend.
«Das schließe ich daraus, daß auch uns der schlaue Byzantiner, unter höflichsten Formen, das gleiche tun wollte. Er wollte uns durchaus zu Narses, weiter von dir fort, geleiten lassen. Vor unsre Zelte setzte er uns Germanen als <Ehrenwachen>, und als wir, die Absicht erkennend, zur Nacht aus unsern Zelten eilten und aus dem Lager, da schossen unsre Ehrenwachen uns, zum Ehrenabschied, noch ihre Pfeile nach, töteten zwei unsrer Sklaven und verwundeten mein Pferd.»
«Ich sollte also durchaus überrascht werden von dem großen Epileptiker: - ferngehalten werden von ihm bis zum letzten möglichen Augenblick. - Gut. Syphax, mein Pferd: Wir reiten noch heut' nacht Narses entgegen.»
«O Herr», flüsterte leise der Maure, der die Unterredung mit angehört, «hättest du mich, wie ich dich bat, nach Epidamnus geschickt!»
«Dann hätten sie auch dich eingesperrt, wie die andern Boten.»
«Herr, in Afrika haben wir ein gutes, altes Sprichwort: wenn das Feuer aus dem Berge nicht zu dir kommt, sei froh: und gehe nicht der Lava entgegen.»
«Das könnte man ins Christliche übertragen», lächelte Piso: «wenn der Teufel dich nicht holen soll, such' ihn nicht auf. Wer reitet von selber in die Hölle?»
«Ich! Und zwar schon seit ziemlich langer Zeit», sprach Cethegus, «lebt wohl, ihr römischen Kriegstribunen. Licinius vertritt mich hier im Lager bis zu meiner Rückkehr. Auch der Barbarenkönig weiß jetzt wohl schon von Narses' Nähe und Macht. Er greift in der Nacht heute nicht an, wie damals in Rom.»
Als die römischen Ritter das Zelt verlassen, sprach Cethegus zu Syphax: «Schnalle mir den Harnisch ab.»
«Wie, Herr? Du reitest nicht in Belisars, in Narses' Lager reitest du.»
«Ebendeshalb! Fort mit dem äußern Brustharnisch. Reiche mir das Schuppenhemd, das ich unter der Tunica trage.»
Syphax seufzte tief auf. «Jetzt wird es Ernst. Jetzt, Hiempsals Sohn, sei wachsam!»
Vierundzwanzigstes Kapitel
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