gebliebenen Bodenmulde ruhte. Man brauchte nur eine dunne Sandschicht zu entfernen, um zu den Gegenstanden zu gelangen, die an der Rampe verstreut lagen.

Am Rande des Dunenwalls hielt die Gruppe an. Die Fahrzeuge, die sie vom „Unbesiegbaren“ hergebracht hatten, umringten bereits in gro?em Kreis das ganze Gelande, die Strahlenbundel der Emitoren hatten sich zum Schutzfeld vereinigt. Die Manner hatten die Transportmaschinen und die Inforoboter etwa hundert Meter von der Stelle entfernt zuruckgelassen, wo der Sandwall das Fundament des „Kondors“ ringformig umschlo?, und blickten nun den Dunenkamm hinunter.

Funf Meter trennten die Rampe vom Boden, als ware sie beim Herablassen plotzlich aufgehalten worden. Der Personenaufzug war jedoch unberuhrt, und die offene Tur schien zum Einsteigen einzuladen. Daneben ragten ein paar Sauerstoffflaschen aus dem Sand. Ihre Aluminiumwandungen blinkten, als hatte jemand sie erst vor wenigen Minuten liegenlassen. Ein Stuck weiter schimmerte es blau in einer Dune: ein Plastbehalter, wie sich herausstellte.

Au?erdem fand sich in der Mulde am Fu?e des Raumschiffs eine Unmenge wirr verstreuter Gegenstande: volle und leere Konservendosen, Theodoliten, Fotoapparate, Stative und Feldflaschen — manche unversehrt, andere beschadigt.

Wie haufenweise aus der Rakete geworfen, dachte Rohan und sah zu dem dunklen Loch des Personeneinstiegs hinauf.

Die Luke war nicht ganz geschlossen.

Der kleine fliegende Aufklarer de Vries' war rein zufallig auf das tote Raumschiff gesto?en. De Vries hatte gar nicht versucht hineinzugelangen, sondern sofort die Basis benachrichtigt. Erst Rohans Gruppe sollte das Geheimnis um das Schwesterschiff des „Unbesiegbaren“ ergrunden.

Schon liefen die Techniker von ihren Maschinen herzu und schleppten Werkzeugkisten an.

Rohan bemerkte etwas Rundes am Boden. Mit der Schuhspitze scharrte er den feinen Sand weg, weil er annahm, ein kleiner Globus liege darunter, und grub noch immer nichtsahnend ein bla?gelbes, gewolbtes Gebilde aus.

Er fuhr zuruck, beinahe hatte er laut aufgeschrien. Alle wandten sich zu ihm um. Er hatte einen Menschenschadel in der Hand.

Sie fanden dann noch andere Knochen und sogar ein ganzes Skelett im Schutzanzug. Zwischen dem herabhangenden Unterkiefer und der oberen Zahnreihe klemmte noch das Mundstuck des Sauerstoffapparates. Das Manometer war bei 46 Atmospharen stehengeblieben. Kniend drehte Jarg den Hahn der Flasche auf, und das Gas stromte zischend heraus. In der ideal trockenen Wustenluft hatte sich an den Stahlteilen des Reduktors nicht ein bi?chen Rost gebildet, so da? sich die Gewinde leicht schrauben lie?en.

Der Aufzug war von innen zu bedienen, aber offensichtlich war das Netz ohne Strom, denn sie druckten vergebens auf die Knopfe. Die vierzig Meter hohe Fahrstuhlkonstruktion zu ersteigen war recht schwierig, und Rohan schwankte, ob er nicht lieber ein paar Leute mit einer fliegenden Untertasse hinaufschicken solle, aber mittlerweile kletterten bereits zwei Techniker, durch ein Seil miteinander verbunden, nach oben. Die anderen beobachteten schweigend den Aufstieg.

Der „Kondor“, ein Raumkreuzer derselben Klasse wie der „Unbesiegbare“, hatte wenige Jahre fruher die Werft verlassen; au?erlich waren die beiden Schiffe nicht zu unterscheiden.

Die Manner schwiegen. Obgleich keiner es aussprach, hatte wohl jeder lieber die Trummer von einer Havarie, ja selbst von einer Reaktorexplosion vorgefunden.

Da? das Schiff so dastand, eingegraben in den Wustensand und leblos auf die Seite geneigt, als hatte der Boden unter dem Druck der Heckstutzen nachgegeben, mitten in einem Gewirr von Gegenstanden und menschlichen Gebeinen, selbst aber scheinbar unberuhrt, erschutterte alle.

Die Kletterer hatten inzwischen den Einstieg erreicht, offneten ihn muhelos und entschwanden den Blicken ihrer Gefahrten. Sie blieben so lange fort, da? Rohan unruhig wurde, doch da ruckte der Fahrstuhl unverhofft einen Meter nach oben und landete wieder auf dem Sand. Zugleich tauchte im offenen Eingang die Gestalt eines Technikers auf; er winkte mit der Hand, sie konnten einsteigen.

Zu viert fuhren sie hinauf: Rohan, Ballmin, der Biologe Hagerup und Kralik, einer der Techniker. Gewohnheitsgema? musterte Rohan den gewaltigen, gewolbten Schiffskorper, der hinter dem Aufzugsgelander vorbeiglitt, und erstarrte zum ersten, aber nicht zum letzten Male an diesem Tag. Die Panzerplatten waren von einem erstaunlich harten Werkzeug angebohrt oder zerkratzt. Die Spuren waren nicht besonders tief, aber so dicht gesat, da? die ganze Au?enhaut wie von Blatternarben bedeckt schien. Rohan packte Ballmin am Arm, doch der hatte die unerhorte Erscheinung schon bemerkt. Beide versuchten, die Kerben genau zu erkennen. Sie waren klein, wie mit einem spitzen Mei?el geschlagen. Aber Rohan wu?te, da? es keinen Mei— ?el gab, der einer superharten Titan-Molybdan-Decke etwas hatte anhaben konnen. Das brachte nur eine chemische Atzung fertig. Er gelangte jedoch nicht zu einem Ergebnis, denn der Aufzug beendete seine kurze Fahrt, und sie betraten die Schleusenkammer.

Das Schiffsinnere war erleuchtet. Die Techniker hatten bereits das pre?luftbetriebene Notstromaggregat eingeschaltet.

Der sehr feine, leichte Sand bildete nur an der Schwelle, wo der Wind ihn durch den Lukenspalt hereingeweht hatte, eine etwas dickere Schicht. In den Gangen lag gar keiner. Im dritten Stock fanden die Ankommlinge saubere, adrette und hellerleuchtete Raumlichkeiten vor.

Hier und da erblickten sie einen Gegenstand — eine Sauerstoffmaske, einen Plastteller, ein Buch oder einen Teil eines Schutzanzuges. Aber so war es eben nur im dritten Stock.

Weiter unten, in den kartographischen Kajuten und in den Sternkajuten, in den Messen, den Mannschaftskabinen, den Radarraumen, im Hauptverteiler, auf den Deck— und Verbindungskorridoren herrschte ein unbegreifliches Durcheinander.

Noch schlimmer sah es in der Steuerzentrale aus. Dort gab es an Uhren und Bildschirmen wohl nicht eine einzige unversehrte Scheibe. Das Glas bestand aus einer splitterfreien Masse und war offenbar erstaunlich heftigen Sto?en ausgesetzt gewesen, denn es bedeckte als silbriges Pulver Tische, Sessel, ja Leitungen und Steckdosen. Wie aus einem Sack geschuttete Grutze hauften sich in der Bibliothek nebenan Mikrofilme, zum Teil auseinandergerollt und in gro?e, glatte Knauel verschlungen, zerfetzte Bucher, zerbrochene Zirkel, Rechenschieber, Spektralbander neben Sto?en von Camerons Gro?en Sternkatalogen, uber die sich jemand wohl besonders hergemacht hatte, denn die dicken, steifen Folioblatter waren in wilder Raserei, zugleich aber mit unfa?barer Geduld bundelweise herausgerissen.

Im Klubraum und im angrenzenden Vorfuhrsaal waren die Gange mit Kleiderhaufen und Lederstucken von den aufgeschlitzten Sesselbezugen versperrt. Mit einem Wort, es sah aus, als ware, wie Bootsmann Terner sich ausdruckte, die Rakete von einer Herde wutender Paviane uberfallen worden.

Die Manner, denen es angesichts dieser Verwustung geradezu die Sprache verschlug, gingen von Deck zu Deck.

In der kleinen Navigationskajute lag an der Wand zusammengekrummt der verdorrte Leichnam eines Mannes in einer Leinenhose und einem fleckigen Hemd. Jetzt bedeckte ihn eine Zeltplane, die ihm der Techniker, der als erster in dem Raum gewesen war, ubergeworfen hatte. Es war eigentlich eine Mumie mit brauner, an den Knochen angetrockneter Haut.

Rohan war unter den letzten, die den „Kondor“ verlie?en, ihn schwindelte. Ein korperliches Ubelkeitsgefuhl uberkam ihn, und mit aller Willenskraft unterdruckte er die immer wiederkehrenden Anfalle. Ihm war, als hatte er einen furchterlichen, unglaublichen Traum gehabt. Die Gesichter der Manner aber gaben ihm Gewi?heit, da? alles, was er gesehen hatte, Wirklichkeit war.

Sie ubermittelten dem „Unbesiegbaren“ kurze Funkberichte.

Ein Teil des Kommandos blieb an Bord des „Kondors“, um einigerma?en Ordnung zu schaffen. Zuvor aber hatte Rohan alle Raume des Schiffes sorgfaltig fotografieren und eine ausfuhrliche Beschreibung des Zustandes anfertigen lassen, in dem sie das Schiff vorgefunden hatten.

Mit Ballmin und Gaarb, einem der Biophysiker, fuhr er zuruck. Lenker des Transporters war Jarg. Sein breites, sonst immer lachelndes Gesicht schien jetzt schmaler und finsterer. Die viele Tonnen schwere Maschine holperte, von Sto?en geschuttelt, die man bei der ublichen, glatten Fahr— weise dieses beherrschten Mannes nicht gewohnt war, uber die Dunen und warf beiderseits hohe Sandfontanen auf.

Ihnen voraus schob sich ein unbemannter Energoboter und schutzte sie mit dem Kraftfeld. Sie schwiegen die ganze Zeit, jeder war mit den eigenen Gedanken beschaftigt.

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