stand er reglos da, stand sterbend uber der Ruinenstadt Oaxaca, wo Nicholas Svadin wie ein Zwerg zwischen den zerfallenen Mauern wirkte, an seiner Seite die gebeugte Gestalt Heinrich Sturms. Und dann loderte die verzehrende Flamme heller zum Himmel empor, als das Feuer eine Lebensquelle beruhrt hatte. Eine blitzende Lichtsaule stieg zu den Sternen auf. Ein Riesenschritt, noch einer, und dann erzitterte die Erde, als der lebende Berg herabfiel aus der brennenden Nacht. Zwischen den ostlichen Bergen lagen die zerbrochenen Gliedma?en des Kolosses aus dem Suden, verstreut wie gesates Korn, und in der steinernen Flanke von San Felipe fra? sich eine kalte grune Feuerzunge langsam in das Innere der Erde hinein, zu ihrem Herzen.

Einer, der einst ein Mensch gewesen war, wandte sich ab von der Verwustung und verschwand im Dunkel – Nicholas Svadin. Sein totes Fleisch war feucht vom Tau der Nacht, und sein gro?er Korper bewegte sich heimlich und lautlos wie eine Katze, wahrend Heinrich Sturm ihm in die Finsternis folgte.

Svadin, der der Herausforderung des goldenen Gottes begegnet war – und gesiegt hatte…

Das Ding aus dem Meer, das Ding aus der Erde – und das Ding, das die Menschheit hervorgebracht hatte.

Drei Dinge, die die Grenzen des menschlichen Wissens sprengten, des Wissens, das der Mensch uber sich selbst und seine Welt besa?, unwahrscheinlich, unmoglich. Drei Dinge, von den Toten auferstanden, vom unbeseelten, vom Geistlosen, lebten und nahrten sich, wanderten uber die Erde, zwischen anderen Dingen, die lebten und a?en und dahingingen, zwischen den Dingen, die wahrscheinlich und moglich waren. Drei Dinge, die die Weltenherrrschaft gesucht hatten – ein Ding, vom Hunger getrieben, ein Ding, vom Menschenha? beflugelt, und ein Ding, das nun zum gottlichen Helden aller Menschen geworden war.

Eines der drei Dinge lag zerstort in Oaxaca, und die braunen Menschen, die seinem Willen gefolgt waren, flohen nun vor der Rache ihrer wei?en Mitmenschen. Ein Ding badete noch immer im tropischen Meer, wo es sich gierig ernahrte. Und das dritte Ding hie? Nicholas Svadin.

Geruchte breiteten sich aus wie Wellen in einem ruhigen Teich. Sogar ein Gott wird alt. Svadin war ein Gott, dessen Wort Gesetz war, dessen Weisheit ubermenschlich war, dessen Gehirn seltsame Wissenschaften entwickelte, der der Welt Annehmlichkeiten und Zufriedenheit brachte, die man nie zuvor gekannt hatte. Im Leben war er ein Genie gewesen, im Tod war er ein Martyrer. Er war von den Toten auferstanden, trug das Merkmal des Todes, und die Menschen verehrten ihn als Gott, sahen in ihm die Verkorperung gottlicher Weisheit. Er hatte die Welt neu geschaffen, und die Welt war zufrieden. Er hatte den gigantischen goldenen Gott vernichtet, und die Menschen folgten ihm wie die Schafe. Aber es gab auch einige, die sich nicht von Gottern beeindrucken lie?en, auch nicht von gottahnlichen Menschen, und es gab Geruchte, wispernde, fragende Geruchte.

Es war mein Job, auf solche Geruchte zu horen, dem Flustern zu lauschen, den Menschen die Wahrheit zu sagen, nach der sie fragten.

Wenige Manner standen Svadin nahe, und ein einziger von diesen wenigen erzahlte seltsame Geschichten. Ein Mann, der sich in anderen Zeiten mit solchen Geschichten seinen Lebensunterhalt verdient hatte. Svadin, der immer noch gezeichnet war von den Malen des Todes, obwohl er von den Toten auferstanden war, auf dessen Stirn immer noch das Einschu?loch der Kugel zu sehen war, dessen Gesicht noch wei? war vom Wachs des Leichenbestatters. Svadin ernahrte sich nur, wenn er allein war. Er nahm eine sonderbare Flussigkeit zu sich, die genauso stank wie sein Korper. Er lie? sonderbare Erinnerungslucken erkennen, wu?te oft die einfachsten Dinge nicht, und doch war er ein gro?eres Genie als in seinem Leben vor dem Tod. Sein einziger Vertrauter war der verruckte Zoologe, Heinrich Wilhelm Sturm.

Ich horte von einem seltsamen, elastischen Flechtwerk, das ein Handwerker aus Wien hergestellt hatte und das Svadin unter seinen dicken, wattierten Kleidern trug. Ich horte von einer hochgeborenen Frau, die sich Svadin angeboten hatte, und von dem dumpfen, verstandnislosen, starren Blick, der sie aus seinem Schlafzimmer jagte.

Ich horte von den Ratten, die in seinen Gemachern umherstreiften, in jenen Raumen, wo keine Katze bleiben wollte, und ich horte von den merkwurdigen Gestellen, die er rings um sein Bett errichtet hatte. Und ich horte von dem Geier, der sich auf seine Schulter gesetzt hatte, von dem zweiten, der uber Svadins Kopf gekreist war und seinen dunnen Hals gereckt hatte.

Ich sah Nils Svedberg, den Attache’ aus Anglo-Skandinavien, in Berlin, als er drei Mauser-Kugeln in den wabbligen Korper des Erdendiktators feuerte. Und ich sah auch, was die Menge zum Abfall warf, nachdem sie ihre fanatische Rachsucht befriedigt hatte. Ich sah die Kinder, die mit blutigen Souvenirs nach Hause kamen. Und ich horte Svadins dumpfe Stimme, als er seinen Untertanen dankte.

Geruchte, Flustern, Fragen ohne Antwort. Svadin – fur manche ein Gott, in eine pseudomenschliche Gestalt hineingeboren, unsterblich, allmachtig. Fur manche ein Mensch, unrein, mit menschlichen Gelusten und Gewohnheiten, fur manche ein Ding, das aus der Holle gekommen war, um die Menschheit zu zerstoren.

Und das Ding aus dem Meer ernahrte sich in der Karibik, im angeschwollenen Amazonas, an den dicht bevolkerten Kusten von Guyana und Brasilien. Die Teufelsinsel war ein Friedhof. Und dann – Rio!

Ein Flugzeug kreuzt uber den sudamerikanischen Kusten. Der Pilot ist ein rothaariger Amerikaner mit Knollennase. Ein abgezehrter, grauhaariger, bebrillter alter Mann sitzt neben ihm und starrt hinunter in die dunklen Wasser, sucht nach noch dunkleren Schatten. Sie stellen die langsame Wanderung des Todes entlang der tropischen Kusten fest, und in Rio de Janeiro, der Konigin der sudlichen Stadte, ist das Meisterwerk menschlicher Ingenieurskunst fast vollendet.

Jim Donegan und Heinrich Sturm beobachten die Kusten und berichten, was sie gesehen haben, wahrend Nicholas Svadin in Rio seinen gro?en Plan verwirklicht.

Rio – wieder aufgebaut aus den Ruinen der Revolution. Rio, schoner denn je, ein wei?es Juwel, das den grunen Busen Brasiliens schmuckte. Rio mit seinem gro?en Hafen, der seltsam leer war, mit den hufformigen, verlassenen Stranden – und weiter drau?en, im saugenden Mund des Atlantik, eine Mauer mit nur einem einzigen gro?en Durchgang. Menschenmengen drangten sich auf den Berghangen und warteten. Vergifteter Abfall lag im blauen Wasser des Hafens, geschlachtete Rinder aus Argentinien, aus Amerika, aus Australien, Fische, die auf den Wellen trieben, den wei?en Bauch nach oben gedreht, tote Hunde, tote Katzen, tote Pferde – und alle Toten aus Rio und aus dem ganzen Suden, vollgestopft mit Opiaten, schaukelten in den blauen Wogen des Hafens von Rio de Janeiro, und an dem Durchgang zum Atlantik war ein glitzernder gruner Schleim zu sehen, grune Wellenberge die sich gegen die Mauer stemmten, ein graugrunes Ungeheuer, das eine fette Beute witterte. Ein silbernes Flugzeug kreiste im Himmel. Ein kleiner schwarzer Fleck zeichnete sich auf dem wei?en Sandstrand ab.

Svadin – und das Ding aus dem Meer.

Futter wurde ihm angeboten, und es fra?. Schleimig ergo? es sich in den gro?en Hafen von Rio. Es verschlang die mageren Bissen, die auf den Wellen trieben, dann flutete es auf die verlassene Stadt und den untoten Mann zu, der am Strand stand und es beobachtete. Als sein letzter schlammiger Pseudofu? durch das von Menschen geschaffene Tor geglitten war, seufzten die Menschen auf den Berghangen tief auf. Langsam schlo? sich das Tor, trennte den Hafen vom offenen Meer. Gro?e Pumpen begannen zu drohnen, und kaltes grunes Flu?wasser flo? in den Atlantik.

Das Flugzeug war auf dem Strand gelandet, und Svadin kletterte hinein. Nun hob es sich wieder, kreiste uber der Stadt und uber dem Hafen. Das Ding war vorsichtig. Es hatte wie alle Raubtiere gelernt, da? auch kleine Insekten ihren Stachel haben. Es spurte den feinen Unterschied im Geschmack des Wassers, in dem es jetzt lag, spurte die Wellenbewegung, als Svadins kolossale Pumpen am Hafen saugten, fuhlte die Anspannung, die in der Luft lag. Seine wilde Lust nach Fleisch lie? nach. Es ballte sich zusammen, wirbelte unbehaglich in den Mauern des Hafens hin und her, schlug fragend gegen den Wall, der es vom Atlantik trennte. Seine glitzernden Flanken hoben sich schwerfallig aus dem blauen Wasser. Es verdichtete sich zu einem gro?en Ball aus truber Jade, der auf den ruhigen Wogen des Meeres schaukelte. Es lag da wie ein eingeschuchtertes Tier – furchtlos, abwartend.

Ein Tag nach dem anderen verstrich unter der sengenden Sonne, wahrend sich neugierige Menschen an den wei?en Mondstranden des Beira Mar drangten, wahrend devote Menschenmassen das Igreja de Penha umlagerten, das von der Revolution verschont geblieben war, auf seinen windigen Stufen knieten, in vielen Kirchen Rios beteten, wahrend das glitzernde Wasser des Hafens Zoll um Zoll sank und der grau-schwarze Schleim auf dem Meeresboden in der tropischen Sonne dampfte und stank und das riesige grune Ding aus der See dalag, im sinkenden Wasser, von Drogen betaubt.

Auf dem Gipfel des Corovado stand der majestatische Christus von Rio, starrte hinab auf die Menschheit und den Feind der Menschheit. Auf dem Zuckerhut, der zwischen Land und Meer in den Himmel ragte, stand Nicholas Svadin und starrte hinab, und mit ihm Heinrich Sturm. Uber dem sinkenden Wasser der Bucht kreuzten gro?e Luftschiffe, warfen die giftigen Chemikalien ins Meer, die das Ding einschlaferten. Und in der Juwelenstadt

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