Sprachen, wo immer sie ein schattiges Fleckchen fanden. Die Sonne brannte herab auf die Plaza von Oaxaca, als die Siesta angebrochen und das Donnern des Krieges zu einem Schlummerlied herabgesunken war. Und da tonte aus den ostlichen Bergen der herausfordernde Ruf des goldenen Gottes, hallte von den nackten Felswanden herab.

Ich horte den Ruf. Er klang wie ein dumpfes Donnern im Osten. Ein deutscher Major am Nebentisch murmelte: »Donner.« Und ich horte es noch einmal. Der Franzose neben ihm sah fur einen Augenblick von seinem Glas auf. Das Donnern durchdrang ein drittesmal die Stille, klang wie eine drohende Himmelsstimme, und auf der ganzen schattigen Plaza lauschten die Manner und wunderten sich.

In weiter Ferne, auf der anderen Seite der Berge, in Tehuantepec, begannen Geschutze zu krachen, und in der Radiohutte hinter uns klickte nervos eine Klopfertaste. Der Franzose lauschte, seine Lippen bewegten sich. Ein englischer Lieutenant schritt in die Sonne hinaus, verschmolz dann mit den Schatten im Saulengang.

Und aus dem Osten kam der herausfordernde Ruf des Gottes.

Ich horte den triumphierenden Schrei uber die Berge hallen, wahrend die Geschutze in Tehuantepec krachten, zum letztenmal. Ich sah ein Licht in den Augen eines Offiziers, ein Licht, das nicht da sein sollte, ein wildes, fanatisches Licht. Er hatte einen spanischen Namen und stammte aus der mexikanischen Provinz Zacatecas. Der Deutsche starrte ihn an, auch der Franzose. Ein paar Englander folgten ihm, als er sich davonstahl. Der Funker kam aus der Radiohutte und salutierte, gab dem Franzosen einen gelben Papierstreifen. Er zuckte mit den Schultern und gab das Papier dem Deutschen. Ein Russe kam heran und blickte dem Deutschen uber die Schulter, ein Italiener, ein Amerikaner und ein Japaner gesellten sich hinzu, und ihre Kopfe wandten sich langsam zur Seite, als sie dem fernen Geknatter der Waffen lauschten, das sie nie mehr horen sollten. Und wieder stie? die Stimme der Berge ihren Triumphschrei aus, lie? mir beinah das Blut in den Adern gefrieren. In den Adern aller Manner in Oaxaca, die diese Stimme horten.

Der sieghafte goldene Gott schrie seine Herausforderung der Menschheit entgegen, und das ferne Drohnen eines Flugzeugs antwortete, das aus dem Norden kam.

Es flog uber uns hinweg und begann zu kreisen, um au?erhalb der Stadt zu landen. Ein Armeewagen raste davon und kam zuruck. Ich kannte zwei der drei Manner, die steifbeinig aus dem Auto stiegen – den gro?en, rothaarigen Konig der Lufte, Jim Donegan, und den gebeugten, grauhaarigen Zoologen Heinrich Sturm.

Und dann erkannte ich auch Nicholas Svadin, den einst toten Herrscher der Welt.

Svadin gegen den Konig des Goldes…

Wieder hallte die metallische Donnerstimme uber die Berge, und ich sah, wie sich Svadins dicker, kahler Schadel lauschend zur Seite wandte. Auch der alte Heinrich Sturm lauschte, ebenso der rote Jim Donegan. Aber ich sah nur Nicholas Svadin.

Funf volle Jahre waren seit jenem Augusttag in Budapest vergangen. Wachs klebte an seinem blauwei?en Kinn, Wachs druckte auf den schweren Lidern. Eine faltige blaue Kerbe durchzog seine wei?e Stirn. Sein gro?er Korper war wabbelig und aufgedunsen, die dicken Finger unter den kurzen Nageln schimmerten blaulich. Ein scharfer Geruch lag in der Luft, der Geruch, den die Totenlilien in Budapest verdeckt hatten, aber den in der Sonne von Mexiko nicht einmal tausend schwitzende Menschenleiber ubertunchen konnten.

Sie sprachen miteinander – Svadin, die Generale, Sturm, der rote Jim Donegan aus Brooklyn. Donegan nickte, ging zu dem wartenden Wagen, verschwand im wei?en Mondlicht. Bald horten wir das gro?e Silberflugzeug uber uns drohnen, das sich nach Norden wandte.

Ein Tag – zwei Tage – drei… Wir Au?enseiter sahen nichts von Svadin, aber Manner aus allen Nationen arbeiteten in der sengenden Sonne und in samtigen Nachten, sagten und hammerten, bauten unter Heinrich Sturms Anleitung einen gro?en Apparat aus Holz und Metall.

Vier Tage – funf, und endlich standen wir am Rand der von Menschen geschaffenen Stadt Oaxaca und starrten auf den monstrosen Apparat und die einsame Gestalt, die daneben stand – Svadin. Seine dicken blauen Finger glitten zu einem Schalter, und aus dem gigantischen Ding tonte die brullende Herausforderung der Menschheit, wurde dem gigantischen Wesen entgegengeschleudert, dem Gott des Goldes, der uber die Berge schritt.

Die festgestampfte Erde unter unseren Fu?en erbebte, als die gewaltige Stimme erklang und gnadenlos in unseren Ohren drohnte. Sie donnerte und schrie ihre Verachtung heraus, und als Antwort hallte jene andere Stimme uber die blauen Berggipfel. Stunde um Stunde - bis wir alle glaubten, wahnsinnig zu werden, den Wahnsinn geradezu herbeisehnten, bis die Sonne tief am Himmel stand und die Berge rot bemalte – bis nur noch Svadin und der alte Heinrich Sturm ubriggeblieben waren und Seite an Seite den Apparat beobachteten, aus dem die tosende, trotzige beleidigende Stimme drang. Dann flackerte uber die Berge im fernen Osten ein Licht.

Es war ein Lichtdiamant, der uber den purpurnen Horizont kroch. Es war eine Nadel aus wei?em Feuer, die sich uber den Bergen hob und senkte, die uber die Taler glitt, uber die nackten Grate sprang, anschwoll und hoher stieg, immer gro?er und machtiger vor den Schatten der hereinbrechenden Nacht. Es war eine funkelnde Flammensaule uber Oaxaca.

Es war der goldene Gott.

Quarz ist ein Gestein, und Quarz ist ein Brei, und Quarz ist ein kristallenes Juwel. Gold ist Metall, und Gold ist eine Farbe, und Gold ist die Gier der Menschen. Schonheit und Furcht – Ehrfurcht und Gier – das Ding uber Oaxaca war eine Saule kristallischer Flammen, anthropomorph, gebaut aus bemalten, nadelformigen Juwelen, und die purpurroten, blauen und rauchgrauen Schattierungen von kolloidalem Gold befleckten den schimmernden Korper, mit Adern und Nerven und Rohren aus dem fetten Gold der Erde, mit einem Pudding aus blauem Quarz, der uber die steinharte Gestalt flo?.

Es war ein Gigant aus einem Mythos, aus einem Haschisch-Trauma, ein Monstrum, aus der Erde geboren, mit der Kraft der Erde versehen, und neidisch auf die zweibeinigen Parasiten, deren Gestalt es imitierte. Seine mit spitzen Dornen bedeckten Hufe donnerten auf den Felsgipfeln wie Gesteinslawinen. Die Arme, die wie Dreschflegel aussahen, peitschten die nackte Erde. Der Schadel war ein Kristallkelch, mit mattiertem Gold ausgekleidet. Ein Kopf ohne Stirn, mit Augen, die wie Saphire gluhten, von einem inneren Licht erhellt.

Es brullte mit dem Donner zermalmender, rasender, knirschender Atome, mit der dumpfen Stimme eines Erdbebens. Es war das Phantom der letzten irdischen Rache an dem plundernden, forschenden, diebischen kleinen Menschen, der wie ein Floh auf dem Fleisch der Erde umherkroch. Einen Augenblick lang stand das Wesen da, stand am Horizont – und aus dem Norden glitt ein Flugzeug heran, zeichnete sich muckenklein vor den Sternen ab. Es flog so hoch, da? seine Schwingen immer noch hell schimmerten, obwohl die Sonne untergegangen war und der Schatten der Erde purpurschwarz auf dem Himmel lag. Es stieg zu jener unvorstellbaren Hohe auf, in der die Sonnenstrahlen noch immer die Schultern des goldenen Gottes bemalten. Ein Flugzeug – und seiner Spur folgte ein anderes und noch eines eine Schar flusternder Punkte, die die Tropennacht durchdrangen.

Der rote Jim Donegan sah die monstrose, gesichtslose Fratze, die sich ihm entgegenhob, um seine Ankunft zu beobachten. Er sah die wei?en Feuer in den mondgro?en Augen gefrieren, sah die Arme an dem formlosen Korper baumeln wie kristallische Schwingen. Er sah die massiven Goldadern, die den Korper durchzogen, die sich wanden und zuckten wie von innerem Leben durchpulst, und er sah auch die Stirn aus geballtem Gold, die im inneren des Kelches lag wie eine Wurmermasse in einer Juwelenschale. Er sah den Schadel gro?er werden, als sein Flugzeug darauf zuglitt, gro? wie ein Berg, der die ganze Nacht auszufullen schien. Er sah die Augen, in denen Sterne blitzten, sah die gewaltigen Arme nach oben schwingen. Sekundenlang blieb sein Flugzeug reglos in der Luft hangen, dann scho? es nach unten in das Monstergesicht, zwischen die starrenden Saphiraugen.

Der Pilot hing an einem Seidenschirm, sah die Krakenarme zu dem kristallischen Schadel hinaufschnellen, aus dem nun eine grune Flammenblume wuchs. Und Jim Donegan sah das zweite Flugzeug mit kreischenden Schwingen hinabtauchen, das dritte, das vierte. Die Luft war voller wei?er Blasen, Fallschirme, die in das Dunkel der Nacht herabflatterten. Er sah den Schatten des Erdenrands die gigantische Gestalt hinaufkriechen, die mit gespreizten Beinen zwischen den kahlen Felsen stand. Eine grune Flamme brannte im goldenen Gehirn, eine Flamme, die den Quarz auffra?, wie ein Funke Zunder fri?t. Eine Flamme, die das Gold verschlang, das kristallische Ungeheuer in einer Flut brennender Tranen hinwegschwemmte, immer schneller. Und ein Flugzeug nach dem anderen prallte mit seiner todlichen Ladung in diese kristallische Masse.

In blinder, wilder, von Schmerz gezeichneter Wut schritt der goldene Gott uber Oaxaca dahin. Grune Flammen fielen von ihm wie funkelnde Schneeflocken, uberzogen die nackten Felswande mit Blatternarben. Die Hufe durchfurchten den steinigen Boden, entwurzelten Baume, zertrummerten Hauser, vernichteten die von Menschen geschaffene Stadt, von den Menschen, die den Gott herausgefordert hatten. Einzelne Teile der von Flammen verzehrten Arme fielen wie Meteore herab, blieben brennend in der Nacht liegen. Einen Augenblick lang

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