Das abartige Gehirn war verwirrt. Was war nun eigentlich schiefgegangen? Die Erdenbewohner waren intelligent, und doch hatten sie nichts begriffen. Vielleicht liegt der Fehler bei mir, dachte das Monstrum. Es hatte noch nicht seine volle Reife erreicht. Die Gedankengange waren noch nicht vollkommen, bewegten sich noch nicht ohne Abweichungen in den einstigen Bahnen. Die Nebel, die das Gehirn des Reptils verschleiert hatten, waren noch nicht ganz verschwunden, hatten sich noch nicht vollig aufgelost.

Wachstum! Reife! Das war notwendig. Wenn die Bestie ihre Reife erlangt hatte, konnte sie den Erdenmenschen auf gleicher Ebene begegnen, dann wurde man sie verstehen. Aber um zu wachsen, mu?te sie essen.

Die Bestie stapfte durch die mondhelle Nacht. Wie ein primitives Tier tappte sie auf Zaune, zertrat gepflugte Felder, hinterlie? eine breite Spur wilder Zerstorung. Zuerst versuchte sie den Stra?en zu folgen, aber der Beton zerbrach unter ihrem Gewicht. So gab sie diesen Plan auf und wandte sich den fernen Bergen zu.

Eine schreiende Menge folgte dem Monstrum. Rote Lichter flammten auf. Suchscheinwerferstrahlen kreisten uber den Nachthimmel. Doch der Tumult ebbte ab, als das Monstrum sich in die Berge zuruckzog. Fur die nachste Zeit mu?te es den Menschen aus dem Weg gehen. Und es mu?te sich darauf konzentrieren, Nahrung zu finden. Es liebte den Geschmack von Fleisch, aber es wollte sich nicht an fremden Eigentum vergreifen. Die Tiere gehorten den Menschen. Doch die Pflanzen – Zellulose - fast alles, was auf Erden wuchs, war nahrhaft.

Und so durchstreifte der Kolo? die Wildnis. Gelegentlich konnte er nicht widerstehen, verspeiste einen Hirsch oder einen Puma, aber meist ernahrte er sich von Pflanzen. Einmal sah er ein Flugzeug uber seinem Kopf kreisen, und dann kamen immer mehr Flugzeuge und warfen Bomben ab. Aber als die Sonne untergegangen war, gelang es der Bestie, sich zu verstecken.

Sie wuchs und wuchs. Durch die Einwirkung der Sonnenstrahlen, die hier nicht standig gefiltert wurden wie auf der standig von Wolken umgebenen Venus, wurde das Reptil gro?er denn je, riesenhafter als damals auf seinem Heimatplaneten, vor vielen Aonen. Es wurde gro?er als der gro?te Dinosaurier, der je die irdischen Sumpfe in grauer Vorzeit durchwandert hatte, ein Titan, ein alptraumhafter Moloch aus der Apokalypse. Es sah aus wie ein wandelnder Berg, und je gro?er es wurde, desto ungelenker bewegte es sich.

Die Schwerkraft, die das Reptil so machtig nach unten zog, war ein ernstzunehmendes Hindernis. Das Gehen wurde zur muhevollen Arbeit. Die Berghange zu erklettern, den gewaltigen Korper hinauf zuschleppen, war eine Qual. Nun konnte die Bestie keine Tiere mehr fangen. Sie konnten den ungeschickten Pfoten mit spielerischer Leichtigkeit entfliehen.

Naturlich konnte das riesenhafte Monstrum nicht verhindern, da? die Menschen es erneut aufspurten. Immer mehr Flugzeuge kamen in die Berge, warfen Bomben ab. Wieder wurde die Bestie verwundet, und sie erkannte, da? es notwendig war, sofort Kontakt mit den Erdbewohnern aufzunehmen. Sie hatte ihre volle Reife erreicht.

Da war etwas Lebenswichtiges – etwas, das die Menschen wissen mu?ten. Sie hatten dem Monstrum ein zweites Leben geschenkt, und es wollte seine Dankbarkeit beweisen.

Das Monstrum verlie? die Berge. Es kam bei Nacht ins Tiefland zuruck, bewegte sich voran, so schnell es ging, suchte nach einer Stadt. Es wu?te, da? man es dort am ehesten verstehen wurde. Die Erde erzitterte unter den Schritten des Giganten, als er durch das Dunkel ging.

Immer weiter ging die Bestie. Und sie kam so schnell voran, da? die Kampfflugzeuge sie erst am Morgen entdeckten. Dann fielen die Bomben, und mehr als eine fand ihr Ziel.

Aber die Wunden waren nur oberflachlich. Die Bestie war ein schwer gepanzerter Moloch, und so ein Wesen konnte man nicht so leicht toten. Doch immerhin fuhlte das Reptil Schmerzen, und es bewegte sich noch schneller voran. Die Menschen im Himmel, die in ihren Luftschiffen dahinglitten, begriffen nichts. Aber irgendwo mu?te es doch auch verstandige Menschen geben – Wissenschaftler. Irgendwo…

Und so kam die Bestie nach Washington.

Seltsamerweise erkannte sie das Kapitol. Doch vielleicht war das nur naturlich, denn sie hatte englisch gelernt und monatelang auf Kirths Farm die Fernsehnachrichten gehort. In manchen Sendungen war Washington beschrieben worden, und die Bestie wu?te, da? hier die amerikanische Regierung ihren Sitz hatte. Hier, wenn uberhaupt irgendwo auf Erden, wurde sie die Manner finden, die sie verstanden. Hier waren die Herrscher, die weisen Manner, und trotz seiner Wunden verspurte das Monstrum eine begluckende Freude, die seine Schritte beflugelte. Donnernd sturmten die Flugzeuge heran. Kreischende Bomben schnellten herab, rissen Fleisch vom Korper des gepanzerten Titanen.

»Es ist stehengeblieben«, sagte ein Pilot, tausend Fu? hoch uber der Bestie. »Ich glaube, wir haben das Ungeheuer getotet. Gott sei Dank, da? es die Stadt nicht erreicht hat…«

Langsam begann die Bestie sich wieder zu bewegen, in schmerzliches Feuer gebadet. Die Nerven des Reptils sandten unmi?verstandliche Botschaften zum Gehirn, und es wu?te, da? es todlich verwundet war. Doch seltsamerweise ha?te es die Menschen nicht, die es niedergemetzelt hatten.

Nein – man konnte ihnen keine Vorwurfe machen. Sie hatten es ja nicht gewu?t. Und immerhin hatten sie die Bestie von der Venus zur Erde geholt, hatten sie ins Leben zuruckgerufen, sie monatelang gefuttert und umsorgt…

Da war immer noch eine Schuld, die das Monstrum bezahlen mu?te. Da war die Botschaft, die die Erdenbewohner erfahren mu?ten. Bevor die Bestie starb, mu?te sie diese Nachricht ubermitteln – irgendwie.

Die tellergro?en Augen sahen in der Ferne die wei?e Kuppel des Kapitols. Dort wurde es Verstandnis finden. Aber das wei?e Haus war noch so weit weg.

Die Bestie erhob sich und machte sich erneut auf den Weg. Nun hatte sie keine Zeit mehr, um auf die zerbrechlichen Bauten der Menschen Rucksicht zu nehmen. Die Botschaft war viel wichtiger.

Donnerndes Getose begleitete die Schritte der Bestie. Staubwolken stiegen von den Ruinen der eingesturzten Hauser auf. Marmor und Granit waren nicht zu vergleichen mit dem eisenharten Gestein der Venus, und eine Spur katastrophaler Zerstorung fuhrte auf das Kapitol zu. Unsicher folgten ihr die Piloten in ihren Flugzeugen. Sie wagten nicht, Bomben uber Washington abzuwerfen.

In der Nahe des Kapitols stand ein hoher Turm. Er sah wie ein Bohrturm aus und war errichtet worden, um Fernsehnachrichten und -bilder in alle Staaten zu schicken. Aber nun diente er anderen Zwecken. Hastig hatte man eine Maschine hinaufgebracht, und die Manner arbeiteten fieberhaft, um die Stromkabel anzuschlie?en. Ein linsenformiger Projektor, der im Sonnenlicht schimmerte, schwang langsam herum, richtete sich auf das Monstrum, das immer naherkam. Er sah aus wie ein Riesenauge, hoch uber Washington.

Er sandte einen Hitzestrahl aus.

Es war das erstemal, da? man diese Waffe anwandte, und wenn sie das Reptil nicht aufhalten konnte, dann war keine andere dazu imstande.

Die Bestie bewegte sich immer noch auf das Kapitol zu. Sie spurte, wie ihre Krafte nachlie?en. Aber sie wurde noch Zeit genug finden. Zeit, um den Mannern im Kapitol die Nachricht zu ubermitteln – den Mannern, die alles verstehen wurden.

In Washington, das dem Untergang geweiht zu sein schien, rang sich ein Angstschrei aus zehntausend Kehlen. In den Stra?en flohen entsetzte Manner und Frauen vor dem Monstrum, das immer naherkam, den Himmel verdunkelte, hoch aufragte, kolossal und grauenhaft.

Die Soldaten auf dem Turm arbeiteten verzweifelt an dem Projektor, schlossen Kabel an, stie?en scharfe Befehle hervor.

Die Bestie blieb stehen. Vor dem Kapitol, aus dem winzige Menschen fluchteten.

Wieder stiegen Nebel empor, um das Gehirn des Reptils zu verschleiern. Es kampfte an gegen die wachsende Mudigkeit. Die Botschaft – die Botschaft…

Eine machtige Vorderpfote streckte sich aus. Die Bestie hatte die irdische Schwerkraft vergessen, das Ungeschick ihres riesenhaften Korpers.

Und die massive Pfote zerschmetterte die Kuppel des Kapitols.

Gleichzeitig blitzte der Hitzestrahl blindlings drauflos. Er schwang nach oben, uberschuttete die Bestie mit grellem Licht.

Einen Herzschlag lang schien die Welt stillzustehen. Das Monstrum ragte reglos uber dem Kapitol in den Himmel. Dann brach es zusammen.

Im Tod war die Bestie unvorstellbar schrecklich. Unter der Einwirkung des Hitzestrahls begann sie zu zerbrockeln, der Riesenleib zertrummerte das Kapitol. Vier Hauserblocks sturzten ein. Staubwolken stiegen in dicken, undurchsichtigen Schwaden auf, wie die Nebel, die das Gehirn und die Sehkraft der Bestie verdunkelte.

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