Wochen war sie nun in engem Kontakt mit Menschen, und den nutzte sie, so gut sie konnte. Manchmal fiel es ihr schwer, sich zu konzentrieren. Manchmal hatte sie sich am liebsten damit begnugt, zu essen, zu trinken und zu schlafen, in einem angenehmen Wachtraum dahinzudammern. Aber jedesmal, wenn ein solches Verlangen in ihr aufstieg, wurde sie von einer unerbittlichen inneren Stimme aufgeruttelt.

Es war so schwer, sich zu erinnern. Die Metamorphose, der sich das Monstrum unterzogen hatte, war nicht ohne Wirkung geblieben, hatte sein Fuhlen und Denken bis zu einem gewissen Grad verandert. Aber eines Tages sah es durch einen Spalt in der Stallwand die Venusblumen, und in einem naturlichen Assoziationsproze? dachte es an langst vergessene Dinge. Und dann brach ein truber, grauer, regnerischer Tag an…

Regen, Kalte. Wasser, das auf seine Schuppenhaut fiel… Dichter Nebel, durch den es verschwommen die Umrisse von Gebauden sah… Und zwischen den Gebauden bewegten sich Geschopfe, die wie die Bestie aussahen… Sie erinnerte sich…

Der ha?liche, gepanzerte Kopf schwankte im Halbdunkel des Stalls hin und her. Die tellergro?en Augen starrten ins Leere. Die Bestie sah furchterregend aus, wie sie da sa?, zusammengekauert, wahrend ihre Gedanken weit zuruck in die staubigen Aonen der Vergangenheit wanderten.

Andere Wesen… Es hatte noch andere Lebewesen gegeben, die so aussahen wie die Bestie – die Rasse, die den zweiten Planeten beherrscht hatte. Irgend etwas war geschehen. Tod… Verderben… Viele waren gestorben. Auf dem ganzen grauen, verregneten Planeten waren die machtigen Reptilien vernichtet worden. Nichts hatte sie retten konnen vor der Pest, die aus dem Weltraum gekommen war.

Die gro?e graue Gestalt erschauerte im Dammerlicht des Stalls.

Kein Ausweg? Doch, es hatte einen Ausweg gegeben. Trotz ihrer tierischen Gestalt waren die Venusbewohner intelligent gewesen. Und sie hatten uber wissenschaftliche Erkenntnisse verfugt. Es war keine Wissenschaft von der Art, wie sie sich auf der Erde entwickelt hatte. Aber sie hatte ihnen einen Ausweg gezeigt.

Sie konnten uberleben. Nicht in ihrer ursprunglichen Gestalt. Nichts konnte die riesenhaften Korper der Reptilien vor der Seuche retten. Aber in einer anderen Gestalt – in einer Gestalt, in der die grundlegenden Korperfunktionen unverandert blieben, wenn auch komprimiert durch atomare Stauung…

Die Materie ist wandelbar. Aus winzigen Sonnensystemen konnen sich Korper bilden, Elektronen schwingen in weiten Kreisen um ihre Protonen. Unter der Einwirkung von Kalte wird diese submikroskopische Bewegung verlangsamt, bei null Grad hort sie vollig auf. Aber der absolute Nullpunkt bedeutet auch, da? die gesamte Energie zum Stillstand kommt, und das ist unmoglich.

Unmoglich? Nicht auf der Venus, vor vielen Aonen. Man hatte experimentiert, einem der Reptilien die gesamte Lebensenergie entzogen. Als die Elektronen ihren Protonen immer naherkamen, schrumpfte das Reptil zusammen, seine Gestalt veranderte sich, wandelte sich zu einem Ei, zu einem Juwel gefrorenen Lebens, zu einer Seinsheit, in der alle Lebenseinheiten auf kleinstem Raum vereint waren. Dieses Ei lag nun vor den Wissenschaftlern der Venus, wartete auf die Warme und die Sonnenstrahlen, die es wieder zum Leben erwecken wurden.

Die plumpen, riesigen Wesen konnten nicht durch den Weltraum fliegen. Aber vielleicht konnten sie in anderer Gestalt zu einer anderen Welt fliehen?

Sie hatten alles genau geplant, hatten ein Raumschiff konstruiert, in dem sie die Lebensjuwelen verstauten. So bald wie moglich sollte es, von automatischer Roboterkontrolle geleitet, durch den Weltraum fliegen, zur Erde. Nach der sicheren Landung sollte ein anderer Roboter-Apparat die Juwelen der Sonne und Hitze aussetzen, und die Venusianer wurden wieder leben, nach einer Reise durch den Raum, die sie nicht bewu?t erlebt hatten. Aber sie hatten ihren Plan nicht vollenden konnen. Die Seuche war zu morderisch gewesen. Das unvollendete Raumschiff lag immer noch in einem venusianischen Sumpf verborgen, und es war ein Erdenbewohner gewesen, der eines der seltsamen Juwelen in seine Heimatwelt mitgenommen hatte.

Die Juwelen lagen auf der ganzen Venus verstreut. Das Monstrum hatte den Nachthimmel gesehen und wu?te nun, da? es sich auf dem dritten Planeten befand. Das bedeutete, da? es aus seiner eigenen Welt hierhergeholt worden und von Energiestrahlen zu neuem Leben erweckt worden war. Es war den Erdenmenschen dankbar, die es vor einem ewigen Schlaf in dem kleinen Ei bewahrt hatten.

Vielleicht war es nicht der einzige Venusianer auf der Erde, uberlegte das Monstrum. Vielleicht lebten noch andere Angehorige seiner Rasse auf diesem Stern. Jedenfalls wurde es mit den Menschen Kontakt aufnehmen – jetzt, wo sich die Nebel in seinem Gehirn aufgelost hatten. Sie waren seltsame Kreaturen, Zweifu?ler und in den Augen der Bestie sehr ha?lich. Aber sie war ihnen trotzdem dankbar.

Wie sollte sie mit ihren Rettern Kontakt aufnehmen? Die Erdenbewohner waren intelligent, das war offensichtlich. Doch das Monstrum sagte sich, da? sie seine

Sprache nicht verstehen wurden. Und obwohl es die englische Sprache leidlich beherrschte, waren sein Hals und seine Zunge nicht dazu geeignet, englische Worter zu bilden. Nun, die Mathematik war eine universale Sprache, und das war immerhin ein Anfang. Das Monstrum mu?te den Menschen etwas mitteilen – etwas Lebenswichtiges. Aber sie waren ja die herrschende Rasse auf diesem Planeten, und es sollte nicht allzu schwierig sein, mit ihnen Verbindung aufzunehmen.

Die Bestie bewegte sich plump und ungeschickt. Ihr Korper stemmte sich gegen die Stallwand, und die Bretter brachen krachend auseinander. Der Stall fiel zusammen, und die Bestie kroch zwischen den Trummern hervor. Ungeduldig schuttelte sie ein paar Planken ab, die zwischen den Schuppen hangengeblieben waren. Die Dinge auf dieser Welt waren nicht sonderlich stabil. Die schweren Steingebaude auf der Venus hatten sich nicht so leicht zerstoren lassen.

Kirth hatte den Larm gehort. Er kam aus dem Haus gelaufen, in der einen Hand eine Schrotflinte, in der anderen eine Taschenlampe. Seine Frau folgte ihm. Sie rannten zum Stall, doch dann blieben sie angstlich stehen.

»Das Biest hat den Stall niedergerissen«, flusterte Mrs. Kirth. »Glaubst du, da?… Jay! So warte doch!«

Aber Kirth ging weiter, die Flinte im Anschlag. Im Mondlicht ragte die riesige Gestalt des Monstrums ha?lich und unheimlich vor ihm auf.

Und die Bestie dachte: Jetzt ist die Zeit gekommen – der Zeitpunkt, wo ich Kontakt mit den Menschen aufnehmen mu?.

Es hob ein dickes Vorderbein und begann ein Zeichen in den Staub des Hofes zu malen. Ein Kreis bildete sich

- und noch einer. In kurzer Zeit war eine Karte des Sonnensystems fertig.

»Schau doch, wie es im Staub scharrt«, sagte Mrs. Kirth. »Wie ein angriffslustiger Stier. Pa? auf, Jay!«

»Ja, ich passe schon auf«, erwiderte Kirth.

Die Bestie trat zuruck, nicht weil sie Angst hatte, sondern weil sie dem Mann Gelegenheit geben wollte, die Zeichen zu studieren. Aber Kirth sah nur eine scheinbar sinnlose Masse konzentrischer Kreise. Er ging langsam auf die Bestie zu, und seine Stiefel zerstorten die Zeichen.

Er hat es nicht bemerkt, dachte der Venusianer. Ich mu? es noch einmal versuchen. Sicher wird er bald begreifen. In einer so hochentwickelten Zivilisation hat man sicher einen Wissenschaftler mit der Aufgabe betraut, mich aufzuziehen.

Er erinnerte sich an die Begru?ungsgeste der Erdenbewohner, hob ein Vorderbein und streckte es langsam aus. Naturlich war es unmoglich, Hande zu schutteln, aber Kirth wurde den Sinn der Bewegung sicher verstehen.

Doch statt dessen gab Kirth einen Schu? ab. Die Kugeln der Schrotflinte streiften den Kopf des Venusianers, fugten ihm schmerzhafte, aber nicht gefahrliche Wunden zu. Sofort zog er die Pfote zuruck.

Der Mann hatte es nicht begriffen. Vielleicht hatte er einen Angriff erwartet, die freundlich gemeinte Geste als Drohung mi?verstanden. Die Bestie senkte den Kopf, als Zeichen der Unterwerfung.

Als die schreckliche Fratze sich nach unten neigte, uberwand Mrs. Kirth ihre Schreckenslahmung. Kreischend wandte sie sich ab und ergriff die Flucht. Kirth stie? hysterische Fluche aus und jagte eine Kugel nach der anderen in den Korper der Bestie.

Ungelenkt drehte sich das Reptil um. Es war nicht verletzt, aber es spurte, da? hier Gefahr drohte. Es versuchte zu entkommen, ohne die fragilen Bauten ringsumher zu zerstoren. Trotzdem trat es auf den Schweinestall, demolierte einen Silo und ri? eine Wand des Farmhauses um.

Aber das lie? sich nicht verhindern. Die Bestie verschwand in der Nacht.

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