»Das ist kein Ei, Pa«, sagte sie mit ihrer hohen, nasalen Stimme. »Du glaubst doch nicht im Ernst, da? da irgendwas rauskommt.«

»Sei still! Geh mir nicht auf die Nerven. Ich… He! Schau doch! Da!«

Das Juwel lag flammend hell auf dem Stroh. Durstig schien es das Sonnenlicht aufzusaugen. Der schleierartige Schein, der es seit einiger Zeit umgab, pulsierte, wurde schwacher, pulsierte noch einmal – dann wurde er gro?er, immer gro?er und heller, bildete eine dichte Wolke, die das Ei verbarg. Ein leises, klirrendes Gerausch erklang, kaum vernehmbar.

Der graue Nebel loste sich auf. Das Ei war verschwunden. An seiner Stelle lag eine graue, bebende Kugel im Stroh.

»Das ist kein Huhn«, sagte das Madchen und ri? die Augen auf. »Pa…« Sie brach ab, denn plotzlich war ihre Kehle wie zugeschnurt vor Angst.

»Sei still!« sagte Kirth noch einmal. Er buckte sich und tippte das graue Ding vorsichtig mit einem Finger an. Es schien sich auseinanderzuringeln, und dann sa? ein winziges Wesen im Stroh, das wie eine Eidechse aussah. Es offnete das kleine Maul, um die warme Luft tief einzuatmen.

»Verdammt will ich sein«, sagte Kirth langsam. »Eine schabige kleine Eidechse.« Er hatte ein Gefuhl, als lage ihm ein Bleiklumpen im Magen. Das Juwel hatte er zu einem guten Preis verkaufen konnen. Aber was sollte er mit diesem Vieh anfangen? Wer wurde sich dafur interessieren?

Es sah immerhin recht sonderbar aus, wie ein Miniatur-Kanguruh. So eine Eidechse hatte Kirth noch nie gesehen. Nun, vielleicht konnte er das Tierchen doch verkaufen.

»Hol eine Schachtel«, sagte er zu seiner Tochter, und als sie gehorcht hatte, nahm er das Reptil vorsichtig aus dem Brutkasten und setzte es in das improvisierte Gefangnis.

Als er die Schachtel zum Haus trug, sah er zu dem Garten hinuber, wo er die Samenkorner von der Venus gesat hatte. Ein paar gelbe Keime waren aus der Erde gekommen. Kirth nickte zufrieden und kratzte sich am Kinn.

Mrs. Kirth, eine dicke, schlampige Frau, kam ihm entgegen. Sie war vorzeitig gealtert, ihr rundes Gesicht war von tiefen Falten durchzogen. Ein niedergeschlagener Ausdruck lag in ihren braunen Augen, die trotzdem noch verrieten, wie schon sie einmal gewesen war.

»Was hast du denn da, Jay?« fragte sie. »Das erzahle ich dir spater. Bring mir eine Tasse Milch, Nora. Und ein Tropfglas oder so was Ahnliches.«

Hastig kam sie der Aufforderung nach, und Kirth futterte das Reptil, das Milch zu mogen schien und gierig trank. Die kleinen, glanzenden Augen starrten den Farmer an, ohne zu blinzeln.

»Pa«, sagte das Madchen, »es ist gro?er geworden. Viel gro?er.«

»Das ist nicht moglich«, erwiderte Kirth. »So schnell wachst kein Tier. Verschwinde jetzt und la? mich in Ruhe.«

Das winzige Wesen sa? in seinem Gefangnis, trank durstig seine Milch, und in seinem fremdartigen, vom Nebel der Jahrhunderte umwolkten Gehirn begannen sich Gedanken zu regen. Die ersten schwachen Erinnerungen vibrierten. Erinnerungen an ein vorausgegangenes Leben, halb vergessen…

Kirths Tochter hatte recht gehabt. Das Reptil wuchs, auf abnorme Weise, beangstigend schnell. Am Ende des zweiten Tages ma? es vom stumpfen Russel bis zum Spitz zulaufenden Schwanz sechs Zoll. Und nach einer Woche war es zweimal so gro?. Kirth baute einen Kafig und war von heimlicher Freude erfullt.

Ich kann es verkaufen, dachte er. An irgendeinen Zirkus. Ich werde eine Menge Geld dafur bekommen. Aber vielleicht wird es noch gro?er. Ich warte lieber noch ein paar Wochen.

In der Zwischenzeit hegte und pflegte er seine Venus-Pflanzen. Sie waren gewachsen, und die ersten Knospen zeigten sich. Sie waren so hoch wie Pappelrosen, hatten keine Blatter. Der dicke, hellgelbe Stiel war nur mit Knospen bedeckt, die bald aufbluhen wurden, wie Kirth hoffte.

Nach zwei Wochen war Kirths Garten ein Farbenparadies, und er lie? einen Fotografen kommen und Aufnahmen machen. Farbfotos, die er an mehrere Gartenbauinstitute schickte. Man zeigte sich sehr interessiert. Ein Reporter bekam Wind von der Sache und interviewte Kirth.

Kirth gab nur sehr vorsichtige Antworten und sprach von einer langwierigen Pflanzenzucht und verschiedenen Experimenten, die er gemacht hatte. Ja, es ware eine neue Blumenart, und er hatte sie ganz allein gezuchtet. Ja, er hatte ein paar Samen, die er verkaufen wurde.

Das Wrack des Raumschiffs war noch nicht gefunden worden. Und die Bestie sa? in ihrem Stall und vertilgte enorme Mengen von Gemuse und Saufutter, das Kirth seinen protestierenden Schweinen weggenommen hatte, und trank alles, was man ihm vorsetzte. Ein Wissenschaftler hatte nur die Zahne der Bestie zu untersuchen brauchen, um festzustellen, da? sie ein Fleischfresser oder sogar ein Allesfresser war. Aber das wu?te Kirth nicht, und die Bestie hatte offenbar nichts gegen den Speiseplan einzuwenden. Sie wuchs bemerkenswert schnell, und ihr Stoffwechsel ging so schnell vor sich, da? ihr schuppiger Korper eine beachtliche Hitze ausstromte.

Das Tier war nun so gro? wie ein Pferd. Und es schien so sanftmutig zu sein, da? Kirth sich nicht vor ihm furchtete, obwohl er vorsichtshalber immer einen Revolver bei sich trug, wenn er sich seinem bizarren Schutzling naherte.

Die vagen Erinnerungen im Gehirn der Bestie regten sich von Zeit zu Zeit. Aber ein Faktor dominierte, uberlagerte die Erinnerungen, lullte sie immer wieder in den Schlaf. Aus irgendeinem Grund wu?te die Bestie, da? es wichtig war, moglichst schnell zu wachsen. Bevor sie etwas unternehmen konnte, mu?te sie erst einmal ihre volle Gro?e erreicht haben. Und dann…

Die Bestie war intelligent. Sie besa? nicht die Intelligenz eines Kindes, sondern eher die eines von Drogen halbbetaubten Erwachsenen. Und sie war nicht von dieser Welt. Die fremdartige Chemie ihres Korpers schickte unbekannte Sekrete durch ihre Adern. Und wahrend sie a? und trank, begann ihr fremdartiger Verstand zu funktionieren.

Die Bestie sammelte Erfahrungen, wenn sie jetzt auch noch keine Vorteile aus ihrem Wissen ziehen konnte. Durch die offenen Fenster des Farmhauses horte sie die Gesprache der Kirths. Ihr Fernseher war oft eingeschaltet. Indem die Bestie die Menschen beobachtete, lernte sie ihre verschiedenen Stimmungen kennen und begann gewisse Klangfarben der menschlichen Stimmen mit diesen Stimmungen zu assoziieren.

Die Bestie lernte, da? manche Stimmungen von speziellen Grimassen begleitet wurden. Sie lernte Gelachter und Tranen verstehen.

Nur eines verstand sie nicht: den Ausdruck, der in den Augen von Mrs. Kirth und ihrer Tochter lag und manchmal auch in Kirths Augen, wenn sie in den Stall blickten. Dieser Ausdruck bedeutete Ekel und Abscheu, aber das wu?te die Bestie nicht.

Langsam verstrichen zwei Monate. Kirth erhielt viele Schecks, die ihm per Post zugesandt wurden. Die neue Blume war sehr beliebt, und die Blumenhandler konnten gar nicht genug davon bekommen. Die Blumen waren schoner als Orchideen, und sie waren sehr widerstandsfahig. Auch wenn man sie abgeschnitten hatte, dauerte es lange, bis sie zu welken begannen.

Kirth war nicht raffiniert genug, um den Vertrieb der Blumen unter seiner alleinigen Kontrolle zu halten. Da sie in jedem Klima wuchsen und gediehen, wurden sie bald uberall in den Staaten gezuchtet, von New York bis Kalifornien. Die neuen Blumenfelder bildeten einen Teppich der Schonheit, der sich uber ganz Amerika ausbreitete. Die Blume wurde zu einem modischen Hit, und bald wurde sie auch nach Europa exportiert. Nach ein paar Monaten hatte sie einen solchen Gipfel der Beliebtheit erreicht, da? keine Dame der Gesellschaft mehr auszugehen wagte, ohne die Regenbogenblume an ihrem Kleid zu tragen, wie die Neuschopfung genannt wurde.

Kirth hatte mit seinem standig wachsenden Bankkonto zufrieden sein konnen, aber er hatte bereits mit mehreren Zirkusdirektoren Verbindung aufgenommen und ihnen gesagt, da? er ein Monstrum zu verkaufen hatte. Allmahlich fuhlte er sich unbehaglich in seiner Haut. Die Bestie wuchs und wuchs, und die Leute sahen schon ihren Schuppenrucken, wenn sie in ihrem Gehege auf und ab trottete. Kirth fuhrte sie immer wieder in den Stall zuruck, und sie folgte ihm auch bereitwillig. Aber das Quartier war ihr langst zu klein geworden. Ein Schlag mit dem machtigen Schwanz, und der Holzschuppen wurde zusammenbrechen. Keine sehr angenehme Vorstellung…

Kirths Unbehagen ware noch gewachsen, hatte er gewu?t, was im Gehirn des Monstrums vorging. Die Nebel losten sich auf, als es rasch zu seiner vollen Gro?e heranwuchs. Die Erinnerungen kehrten zuruck. Inzwischen verfugte Kirths Zuchtung schon uber einen betrachtlichen englischen Wortschatz.

Das war nur naturlich. Ein Kind lernt seine Muttersprache, indem es deren Worter immer wieder hort. Es lernt die Sprache uber Jahre hinweg mittels Assoziationen und Erinnerungen. Die Bestie war kein Kind, sie war ein hochintelligentes Wesen, und sie lernte innerhalb von Monaten das, wozu ein Kind Jahre braucht. Seit vielen

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