»Wollen wir weitergehen?« fragte er statt dessen.

»Naturlich. Ich kann die Sache mit den Fu?spuren auch spater verfolgen«, erwiderte Poirot.

Statt die Fahrstra?e zu benutzen, die zum Gittertor fuhrte, wahlte M. Bex einen Pfad, der rechtwinkelig davon abzweigte. Er fuhrte auf einen kleinen Abhang, rechts um das Haus herum, und war an beiden Seiten von Gestrauch eingefa?t. Plotzlich mundete er in eine kleine Lichtung, von der aus man das Meer uberblickte. Dort befand sich eine Bank, und unweit davon war ein recht baufalliger Unterstand. Wenige Schritte weiter bezeichnete eine Reihe kleiner Straucher die Grenze des Villengrundes. M. Bex bahnte sich einen Weg durch die Busche, und vor uns lag eine weite Strecke offenen Hugellandes. Ich blickte umher und sah etwas, was mein Staunen erregte.

»Ja - das ist ja ein Golfplatz«, rief ich aus.

Bex nickte.

»Die Spielplatze sind noch nicht vollendet«, erklarte er. »Man hoffte, sie nachsten Monat eroffnen zu konnen. Die hier beschaftigten Arbeiter entdeckten heute morgen den Leichnam.«

Ich fuhr zuruck. Ein wenig links, wohin ich eben geblickt hatte, befand sich eine lange, schmale Grube, und dicht daneben, mit dem Gesicht nach unten, lag der Korper eines Mannes. Einen Augenblick stockte mein Herzschlag, und ich hatte die wilde Vorstellung, da? das Drama sich wiederholt hatte. Aber der Kommissar zerstreute meinen Wahn, er schritt voraus und rief heftig und argerlich: »Was ist meinen Leuten eingefallen? Sie hatten strengen Befehl, niemanden ohne besondere Ausweispapiere in die Nahe dieses Ortes zu lassen!«

Der am Boden liegende Mann wandte den Kopf uber die Schulter: »Aber ich habe diese Ausweise«, bemerkte er und stand auf.

»Mein lieber Monsieur Giraud«, rief der Kommissar, »ich hatte keine Ahnung, da? Sie schon angekommen sind. Der Untersuchungsrichter wartet schon ungeduldig auf Sie.«

Wahrend er so sprach, betrachtete ich den Ankommling voller Neugier. Der Name des beruhmten Detektivs der Pariser Surete war mir vertraut, und es interessierte mich au?erordentlich, ihn leibhaftig vor mir zu sehen. Er war sehr gro?, vielleicht drei?ig Jahre alt, hatte rotliches Haar und Schnurrbart und militarische Haltung. Er trug ein ziemlich anma?endes Wesen zur Schau, das bewies, da? er von seiner eigenen Wichtigkeit durchdrungen war. Bex machte uns bekannt und stellte Poirot als Kollegen vor. Da blitzte das Auge des Detektivs interessiert auf.

»Ich kenne Sie dem Namen nach, Monsieur Poirot«, sagte er. »Sie spielten in vergangenen Tagen eine gro?e Rolle, nicht wahr? Aber die Methoden anderten sich inzwischen.«

»Die Verbrechen jedoch sind die gleichen geblichen«, bemerkte Poirot hoflich.

Ich sah sofort, da? Giraud uns feindlich gegenubertrat. Er nahm es ubel, da? Poirot ihm zugesellt worden war, und ich war uberzeugt, da?, falls er eine wichtige Spur fande, er sie wahrscheinlich fur sich behalten wurde.

»Der Untersuchungsrichter -« begann Bex von neuem.

Aber Giraud unterbrach ihn unhoflich: »Der Teufel hole den Untersuchungsrichter! Das Licht ist momentan das Wichtigste. Fur unsere Zwecke wird es ungefahr in einer halben Stunde nicht mehr genugen. Ich wei? alles uber den Fall, und die Leute im Haus haben bis morgen Zeit, aber wenn wir auf die Spur des Morders kommen wollen, ist hier der rechte Ort dafur. Haben Ihre Beamten den Platz so zertrampelt? Ich dachte, da? sie es heutzutage schon besser verstunden.«

»Gewi? verstehen sie ihr Handwerk. Die Abdrucke, uber die Sie sich beklagen, ruhren von den Arbeitern her, die den Leichnam entdeckten.

Der andere brummte verargert.

»Ich sehe den Weg, den die drei durch die Hecke nahmen, aber sie waren schlau. Man kann nur die mittleren Fu?spuren als jene von Monsieur Renauld erkennen, die anderen zu beiden Seiten sind sorgfaltig verwischt. Nicht da? auf diesem harten Boden viel zu sehen gewesen ware, aber sie lie?en es nicht darauf ankommen.«

»Sie suchen die au?eren Spuren?« fragte Poirot.

Der andere Detektiv starrte ihn an. »Naturlich.«

Ein kaum merkliches Lacheln umspielte Poirots Lippen. Er war im Begriff etwas zu sagen, unterdruckte es aber. Er buckte sich zu einem Spaten, der dort lag.

»Damit wurde das Grab gegraben, das ist doch klar«, sagte Giraud, »doch diese Kenntnis wird mir wenig nutzen. Es ist Monsieur Renaulds eigener Spaten, und der ihn benutzte, trug Handschuhe. Hier sind sie.« Er wies mit dem Fu?e nach der Richtung, wo zwei beschmutzte Handschuhe lagen. »Und auch sie gehoren Renauld oder seinem Gartner. Ich sage Ihnen, die dies Verbrechen ersannen, waren schlau. Sie sind darauf bedacht gewesen, keine Spuren zu hinterlassen! Aber ich werde ihnen beikommen. Uberall gibt es doch irgend etwas! Und dieses Etwas werde ich finden.«

Poirots Interesse war augenscheinlich jetzt durch etwas anderes gefesselt, durch ein kleines farbloses Stuckchen Bleirohr, das neben dem Spaten lag. Vorsichtig beruhrte er es mit dem Finger.

»Gehorte auch dies dem Ermordeten?« fragte er, und mir schien, als lage ein leicht ironischer Unterton in der Frage.

Giraud zuckte die Achseln, womit er sagen wollte, da? er es nicht wisse, noch begierig sei, es zu erfahren.

»Das liegt vielleicht schon wochenlang hier herum. Keinesfalls interessiert es mich.«

»Dafur mich um so mehr«, sagte Poirot sanft.

Ich vermutete, da? er es nur darauf abgesehen hatte, den Pariser Detektiv zu argern, was ihm auch vollauf gelang. Der andere drehte sich unhoflich um mit dem Bemerken, da? er keine Zeit zu verlieren habe, und buckte sich wieder, um seine Prufung fortzusetzen.

Indessen ging Poirot, als ob ihm plotzlich ein Einfall gekommen ware, durch die Abgrenzung zuruck, und versuchte die Tur der kleinen Hutte zu offnen.

»Sie ist versperrt«, sagte Giraud uber die Achsel. »Aber dort verwahrt nur der Gartner den Kehricht. Der Spaten kam nicht von dort, sondern von dem Werkzeugschuppen beim Haus.«

»Wundervoll«, flusterte Bex mir begeistert zu. »Er ist erst seit einer halben Stunde hier und wei? schon alles! Was fur ein Mann! Ohne Zweifel ist Giraud der bedeutendste aller jetzt lebenden Detektive.«

Obwohl mir der bedeutendste aller jetzt lebenden Detektive herzlich unsympathisch war, hatte er doch Eindruck auf mich gemacht. Von diesem Mann ging ein Fluidum von Tuchtigkeit aus.

Ich konnte mich der Empfindung nicht erwehren, da? Poirot sich bis jetzt nicht sonderlich ausgezeichnet hatte, und das krankte mich. Er schien seine Aufmerksamkeit allerhand dummen, kindischen Dingen zuzuwenden, die mit dem Fall nichts zu schaffen hatten. Und wirklich, eben jetzt fragte er plotzlich: »Bitte, Monsieur Bex, erklaren Sie mir die Bedeutung des verwaschenen wei?en Streifens rund um das Grab. Ist das eine Bezeichnung durch die Polizei?«

»Nein, Monsieur Poirot, das hangt mit den Golfplatzen zusammen. Es zeigt an, da? hier ein ,Bunker', wie man sagt, am Golfplatz gemacht werden soll.«

»Ein Bunker?« Poirot wandte sich zu mir. »Das ist ein unregelma?iges, mit Sand gefulltes Loch, dem eine Bank zur Seite steht, nicht?«

Ich nickte.

»Spielen Sie nicht, Golf, Monsieur Poirot?« fragte Bex.

»Ich? Niemals! Welch dummes Spiel!« Er wurde erregt. »Stellen Sie sich vor, die Bunker sind verschieden lang. Die Hindernisse sind nicht gleichma?ig verteilt. Selbst der Rasen ist meist nur auf einer Seite! Es gibt dabei nur eine erfreuliche Sache, die - wie nennt Ihr das nur - Erdhugel! Die wenigsten sind symmetrisch!«

Ich konnte mich des Lachens nicht enthalten, als ich sah, welche Vorstellung Poirot vom Golfspiel hatte, und mein kleiner Freund lachelte mir herzlich und unbefangen zu.

»Aber Monsieur Renauld spielte zweifellos Golf?«

»Ja, er war ein ausgezeichneter Golfspieler. Hauptsachlich ihm und seinen gro?en Geldspenden ist es zuzuschreiben, da? diese Arbeit rasche Fortschritte machte. Er wirkte sogar bei den Entwurfen mit.«

Poirot nickte nachdenklich. Dann bemerkte er: »Sie hatten den Platz, um einen Toten zu begraben, nicht sehr glucklich gewahlt.«

»Ganz richtig«, rief Giraud triumphierend. »Und das beweist, da? sie ortsfremd waren. Es ist ein ausgezeichneter, indirekter Indizienbeweis.«

»Ja«, sagte Poirot bedachtig. »Niemand, der es wei?, hatte eine Leiche hier vergraben - es sei denn - es sei

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