»Francoise?«

»Oder Denise, oder Leonie. Wer eben das Zimmer aufraumte. Da nirgends Staub liegt, mu? das Zimmer heute fruh aufgeraumt worden sein. Ich glaube, der Vorgang spielte sich folgenderma?en ab: Gestern, vielleicht in der Nacht, stellte Monsieur Renauld . einen Scheck aus, der fur jemanden, namens Duveen, bestimmt war. Spater wurde er zerrissen und zu Boden geworfen. Heute fruh -«

Aber Monsieur Bex lautete bereits ungeduldig.

Francoise kam herein. Ja, es hatten zahlreiche Papierstucke auf dem Boden gelegen. Sie habe sie in den Kuchenherd gesteckt.

Mit verzweifelter Miene entlie? sie Bex.

Dann heiterten sich seine Zuge auf, er lief zum Schreibpult. In einer Minute durchflog er das Scheckbuch des Ermordeten. Dann wiederholte sich seine fruhere Verzweiflungsmiene. Der letzte Kontrollzettel war leer.

»Mut«, rief Poirot und klopfte ihm auf die Schulter. »Zweifellos wird uns Madame Renauld alles Nahere uber die geheimnisvolle Person, die Duveen hei?t, sagen konnen.«

Das Gesicht des Kommissars hellte sich auf. »Das ist wahr. Fahren wir fort.«

Als wir das Zimmer verlassen wollten, sagte Poirot beilaufig: »Hier hat wohl Monsieur Renauld gestern abend seinen Besuch empfangen, nicht wahr?«

»Ja, - aber woher wissen Sie es?«

»Durch dies hier. Ich fand es auf der Lehne des Ledersessels.« Und er hielt zwischen Daumen und Zeigefinger, ein langes schwarzes Haar - ein Frauenhaar -!

Monsieur Bex fuhrte uns durch den Hinterausgang zu einem kleinen Schuppen, der an die Hauswand stie?. Er zog einen Schlussel aus der Tasche und sperrte auf.

»Hier liegt der Leichnam. Wir hatten ihn eben vom Tatort weggeschafft, als Sie kamen, nachdem die Fotografen ihre Aufnahmen gemacht hatten,«

Er offnete die Tur, und wir traten ein. Der Ermordete lag auf der Erde, von einem Laken bedeckt.

Bex streifte die Decke zuruck. Renauld war ein mittelgro?er Mann, von schlanker, geschmeidiger Gestalt. Er sah aus wie ein Funfziger, und sein dunkles Haar war schon stark von grauen Faden durchzogen. Er war glattrasiert, hatte eine lange dunne Nase, und seine Augen standen ziemlich nahe beieinander. Seine Haut wies jene tiefe Bronzefarbung auf, wie sie Menschen eigen ist, die den gro?ten Teil ihres Lebens in Tropenlandern verbrachten. Zwischen den halbgeoffneten Lippen sahen die Zahne hervor, und auf den leblosen Zugen lag es wie Schrecken und Staunen.

»An seinem Gesicht ist zu erkennen, da? er von ruckwarts erstochen wurde«, bemerkte Poirot.

Sehr behutsam drehte er den Toten um. Da, zwischen den Schulterblattern, farbte ein runder dunkler Fleck den hellen Mantel. Inmitten des Flecks war ein kleiner Ri? im Stoff.

»Haben Sie eine Ahnung, mit was fur einer Waffe das Verbrechen verubt wurde?«

»Sie steckte in der Wunde.« Der Kommissar holte einen gro?en Glaskrug herunter, in dem sich ein kleiner Gegenstand befand, der am ehesten einem Papiermesser glich. Es hatte einen schwarzen Griff und eine schwach glanzende Klinge. Das ganze Ding war nicht langer als zehn Zoll Poirot prufte bedachtig die fleckige Spitze mit dem Finger. »Verteufelt scharf! Ein hubsches, leichtes, kleines Mordinstrument.«

»Leider konnten wir keine Fingerabdrucke darauf finden«, bemerkte Bex bedauernd. »Der Morder mu? mit Handschuhen gearbeitet haben.«

»Naturlich hat er das«, sagte Poirot geringschatzig. »Sogar In Santiago ist das schon genugend bekannt. Selbst der argste Stumper wei? das, dank der Veroffentlichungen, welche die Zeitungen uber das System Bertillon bringen. Gleichviel, es interessiert mich sehr, da? es hier keine Fingerabdrucke gab. Es ist so erstaunlich einfach, fremde Fingerabdrucke darauf zu lassen! Und die Polizei ist glucklich.« Er schuttelte den Kopf. »Ich furchte sehr, unser Mann ist kein systematischer Verbrecher - oder er hatte es sehr eilig. Aber wir werden ja sehen!«

Er brachte den Korper wieder in seine fruhere Lage.

»Er trug nur Unterwasche unter seinem Mantel, wie ich sehe«, bemerkte er.

»Ja, dem Untersuchungsrichter fiel dies auch als sehr merkwurdig auf.«

In diesem Augenblick klopfte es an die Tur, die Bex hinter sich geschlossen hatte. Er schritt vorwarts und offnete. Es war Francoise, die neugierig hereinzublicken versuchte.

»Nun, was wunschen Sie?« fragte Bex ungeduldig.

»Madame la?t sagen, da? sie sich schon wohler fuhlt und bereit ist, den Herrn Untersuchungsrichter zu empfangen.«

»Gut«, sagte Bex, »gehen Sie zu Monsieur Hautet und sagen Sie, da? wir sofort kommen werden.«

Poirot zogerte ein wenig und blickte nochmals nach dem Leichnam zuruck. Ich erwartete alles andere zu horen, aber nicht die geistlose und ungeschickte Bemerkung, die so schlecht zum feierlichen Ernst des Augenblicks pa?te.

»Er trug einen sehr langen Mantel«, sagte er.

5

M. Hautet erwartete uns in der Halle, und wir folgten Francoise, die den Weg wies. Poirot stieg die Treppen im Zickzack hinan, was mir seltsam vorkam, bis er mir mit einer Grimasse zuflusterte: »Kein Wunder, da? die Dienerschaft Monsieur Renauld hinaufgehen horte, die Treppen knarren ja, da? es Tote erwecken konnte.«

Vom oberen Ende der Treppe zweigte ein Gang ab. »Die Dienerschaftsraume«, erklarte Bex.

Langs eines Korridors gingen wir weiter, und Francoise klopfte an die letzte Tur rechts.

Eine schwache Stimme bat uns einzutreten, und wir kamen in ein gro?es, sonniges Zimmer, von dessen Fenstern man das Meer sah, das blau und funkelnd in etwa einer Viertelmeile Entfernung von uns lag.

Auf einem Ruhebett, von Polstern gestutzt, lag eine gro?e, auffallend schone Frau mittleren Alters, von Dr. Durand betreut. Ihr einstens dunkles Haar schimmerte beinahe vollig silberwei?, aber die starke Vitalitat und Kraft ihrer Personlichkeit hatte sich uberall fuhlbar gemacht. Man merkte sofort, da? man sich einer jener Frauen gegenuber befand, fur die der Franzose den Ausdruck ,une maitresse femme' gepragt hat.

Sie begru?te uns mit wurdevollem Neigen des Kopfes.

»Bitte, nehmen Sie Platz, Messieurs.«

Wir setzten uns, und der Gerichtsschreiber lie? sich an einem runden Tisch nieder.

»Ich hoffe, Madame«, begann Hautet, »da? es Sie nicht allzusehr aufregen wird, wenn Sie uns erzahlen, was sich heute nacht ereignet hat.«

»Durchaus nicht, Monsieur. Ich wei?, wie kostbar jede Minute ist, wenn man der Urheber eines so schrecklichen Verbrechens habhaft werden will.«

»Gut, Madame. Ich denke, es wird Sie weniger ermuden, wenn ich Fragen stelle, und Sie sich darauf beschranken, mir zu antworten. Wann gingen Sie gestern abend zu Bett?«

»Um halb zehn Uhr, Monsieur. Ich war sehr mude.«

»Und Ihr Gatte?«

»Ungefahr eine Stunde spater, glaube ich.«

»Schien er verwirrt - oder irgendwie erregt?«

»Nein.«

»Was geschah dann?«

»Wir schliefen. Ich erwachte von dem Druck einer Hand, die mir den Mund schlo?. Ich versuchte zu schreien, aber die Hand verhinderte es. Es waren zwei Manner im Zimmer. Beide trugen Masken.«

»Konnen Sie sie beschreiben, Madame?«

»Der eine war gro? und hatte einen langen schwarzen Bart, der andere war klein und dick. Dessen Bart war rotlich. Beide hatten ihre Hute tief ins Gesicht gedruckt.«

»Hm!« sagte der Richter nachdrucklich. »Zu viel Bart, furchte ich.«

»Sie meinen, da? es falsche Barte gewesen seien?«

»Ja, Madame. Aber erzahlen Sie weiter.«

»Der kleinere von beiden hielt mich fest. Er zwang mir einen Knebel in den Mund und band mir dann mit einem Strick Arme und Beine. Der andere stand uber meinen Mann gebeugt. Er hatte mein kleines dolchartiges

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