verdachtigten und nicht Bella! Oder eigentlich, da? Sie mich fur Bella hielten, da ich den Dolch entwendet hatte.

Ich wunschte, mein Liebster, Du wu?test, wie es in jenem Augenblick in mir aussah. Vielleicht verziehest Du mir dann ... Ich war so furchtbar entsetzt, so verwirrt, so verzweifelt ... Alles, was ich begriff, war, da? Du versuchen wolltest, mich zu retten - ich wu?te nicht, ob Du gewillt warst, ihr zu helfen ... ich hielt es fur unwahrscheinlich - das war ja nicht dasselbe! Und ich konnte es nicht riskieren! Bella ist meine Zwillingsschwester - ich mu?te mein moglichstes fur sie wagen. So log ich weiter. Ich hielt mich fur so gemein - ich komme mir noch jetzt so vor ... Das ist alles - es ist aber auch reichlich genug, werden Sie vermutlich sagen. Ich hatte Ihnen vertrauen sollen ... Hatte ich nur Vertrauen gehabt -!

Sobald die Nachricht von Jack Renaulds Verhaftung in der Zeitung stand, war es aus. Bella wartete nicht einmal die Entwicklung der Dinge ab ...

Ich bin sehr mude. Ich kann nicht weiterschreiben.«

Sie hatte begonnen »Cinderella« zu unterschreiben, aber das war durchgestrichen und statt dessen stand: »Dulcie Duveen«.

Es war eine schlecht geschriebene, fehlerhafte Epistel -aber ich bewahre sie noch heutigen Tages auf.

Poirot war dabei, als ich den Brief las. Die Blatter entfielen meiner Hand, und ich sah zu ihm hinuber.

»Wu?test du die ganze Zeit uber, da? es - die andere war?«

»Ja, mein Freund.«

»Weshalb sagtest du es nicht?«

»Vor allem hielt ich es nicht fur moglich, da? dir ein solcher Irrtum widerfahren konnte. Du sahst doch das Bild. Die Schwestern gleichen einander zwar sehr, aber keinesfalls so, da? man sie verwechseln mu?te.«

»Aber das blonde Haar?«

»Eine Perucke, um auf der Buhne einen pikanten Gegensatz zu schaffen. Ist es begreiflich, da? bei Zwillingen einer schwarz und einer blond sein sollte?«

»Warum sagtest du mir das alles nicht an jenem Abend in Coventry?«

»Du warst zu hochmutig, mon ami«, sagte Poirot trocken, »und gabst mir keine Gelegenheit dazu.«

»Aber spater?«

»Ach spater! Vor allem verletzte mich dein mangelndes Zutrauen zu mir. Und dann wollte ich sehen, ob deine Gefuhle die Probe der Zeit bestehen wurden. Das hei?t, ob es bei dir diesmal wirklich Liebe oder nur ein aufflackerndes Strohfeuer war. Ich hatte dich nicht mehr lange in dem Irrtum belassen.«

Ich nickte, sein Ton war herzlich, ich konnte ihm nicht langer grollen. Ich blickte auf die Briefbogen nieder. Plotzlich hob ich sie von der Erde auf und schob sie ihm hin.

»Lies das«, sagte ich. »Ich bitte dich darum.«

Schweigend las er, dann sah er mich an.

»Was qualt dich, Hastings?«

Das war ein ganz neuer Klang. Poirots ironische Art schien vollig beiseite gelassen. Ich konnte ihm jetzt offen sagen, was mich druckte.

»Sie sagt nicht - sie sagt nicht - nun sie sagt nicht, ob sie mich mag oder nicht!«

Poirot wendete die Blatter: »Ich glaube, du irrst dich, Hastings.«

»Wo?« rief ich und beugte mich lebhaft vor.

Poirot lachelte: »Sie sagt es dir in jeder Zeile dieses Briefes, mon ami.«

»Aber wo werde ich sie finden? Der Brief nennt keine Adresse. Nur ein franzosischer Stempel ist darauf, sonst nichts.«

»Reg dich nicht auf! Uberlasse das dem alten Poirot. Ich werde sie dir ausfindig machen, sobald ich nur funf freie Minuten habe!«

27

»Meinen Gluckwunsch, Monsieur Jack«, sagte Poirot und druckte warm die Hand des jungen Mannes.

Jack Renauld suchte uns sofort nach seiner Entlassung auf - ehe er sich zu Mutter und Braut nach Merlinville begab.

Stonor begleitete ihn.

Poirots Herzlichkeit stand in starkstem Gegensatz zu Jacks bleichem Aussehen. Es war unverkennbar, da? der Jungling unter einem Nervenzusammenbruch litt. War auch die unmittelbare Gefahr, die ihm gedroht hatte, beseitigt, so lie?en doch die schmerzlichen Umstande seiner Befreiung kein volles Gefuhl der Erleichterung aufkommen. Er lachelte traurig und sagte leise zu Poirot: »Ich nahm es auf mich, sie zu schutzen, und nun war alles umsonst.«

»Sie konnten doch kaum erwarten, da? das Madchen das Opfer Ihres Lebens annehmen wurde«, bemerkte Stonor trocken. »Sie mu?te doch hervortreten, als sie sah, da? Sie dem Galgen zusteuerten.«

»Und Sie steuerten geradewegs darauflos!« fugte Poirot augenzwinkernd hinzu. »Sie hatten aber in dem Fall auch Maitre Grosiers Tod auf dem Gewissen, den der Arger hinweggerafft hatte.«

»Ich glaube, er war ein wohlmeinender Esel«, sagte Jack. »Aber ich qualte ihn furchterlich. Wissen Sie, ich konnte ihn doch schwer ins Vertrauen ziehen. Aber, mein Gott! Was wird aus Bella werden?«

»An Ihrer Stelle«, sagte Poirot aufrichtig, »wurde ich mich nicht unnotig angstigen. Die franzosischen Gerichte sind gegen Jugend, Schonheit und gegen Verbrechen aus Leidenschaft au?erst nachsichtig! Ein tuchtiger Rechtsanwalt wird einen gro?en Fall mit mildernden Umstanden daraus machen. Es wird fur Sie nicht gerade angenehm sein -«

»Oh, das ist das wenigste! Sehen Sie, Monsieur Poirot, in einer Beziehung fuhle ich mich mitschuldig am Tode meines Vaters. Ohne mich und meine Liebschaft mit jenem Madchen lebte mein Vater heute noch im Vollbesitz seiner Gesundheit. Und dann meine verdammte Unachtsamkeit, den falschen Mantel mitzunehmen! Ich kann nicht anders, ich fuhle mich verantwortlich fur seinen Tod. Das wird mich mein Leben lang verfolgen.«

»Nein, nein«, versuchte ich zu beschwichtigen.

»Naturlich ist mir der Gedanke furchterlich, da? Bella meinen Vater getotet hat«, fuhr Jack fort. »Aber ich habe sie schandlich behandelt. Als ich Marthe begegnete und erkannte, da? ich mich vorher geirrt hatte, ware es meine Pflicht gewesen, ihr dies offen und ehrlich zu schreiben. Aber ich hatte solche Angst vor einem Skandal, der Marthe zu Ohren kommen konnte und aus dem sie vielleicht Schlusse zoge, die der Wahrheit nicht entsprachen, da? - nun, da? ich feige wurde und mich der Hoffnung hingab, die Sache wurde von selbst im Sand verlaufen. Ich lie? mich treiben und merkte nicht, da? ich das arme Ding zur Verzweiflung brachte. Hatte sie mich erdolcht, wie es doch vermutlich ihre Absicht war, mir ware nicht mehr geschehen, als ich verdiente. Und die Art, wie sie nun hervortrat, war geradezu prachtvoll. Aber wissen Sie, auch ich hatte es durchgestanden - bis zum Ende.«

Er schwieg einige Augenblicke, um dann ein anderes Thema anzuschlagen.

»Was mir zu denken gibt, ist, was wohl den Vater zu so spater Abendstunde bewog, nur mir Unterwasche und meinem Mantel bekleidet, spazierenzugehen. Ich glaube, er mu?te eben den fremden Kerlen entkommen sein, und meine Mutter durfte sich in der Vermutung getauscht haben, da? es zwei Uhr war, als sie kamen. Oder - oder war das alles vielleicht erfunden? Ich meine, meine Mutter dachte doch nicht - konnte doch nicht denken - da? - da? ich es war?«

Poirot beruhigte ihn schnell: »Nein, nein, Monsieur Jack. Seien Sie daruber ohne Sorge. Und was das andere betrifft, will ich Ihnen an einem der nachsten Tage alles erklaren. Es ist eigentlich sehr seltsam. Aber wollen Sie uns nicht genau erzahlen, was sich an jenem furchtbaren Abend zutrug?«

»Es ist nur sehr wenig zu erzahlen. Wie ich Ihnen sagte, kam ich aus Cherbourg, um Marthe noch einmal zu sehen, ehe ich nach dem anderen Ende der Welt abreiste. Der Zug hatte Verspatung, und ich beschlo?, den Verbindungsweg zu nehmen, der uber die Golfgrunde fuhrt. Von dort konnte ich mit Leichtigkeit in den Garten der Villa Marguerite gelangen. Ich war schon fast an Ort und Stelle angelangt, als -« Er zogerte und schluckte heftig.

»Als?«

»Als ich einen furchterlichen Schrei vernahm. Es klang nicht laut - eher gedampft und wie ein Rocheln. Einen Augenblick stand ich wie angewurzelt. Dann rannte ich hinter die Hecke. Es war

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