»Wie geht es ihr?«

»Sie hat das Bewu?tsein noch nicht wiedererlangt. Einesteils Ist es aber ein Gluck fur die arme Frau, da ihr dadurch viel erspart wird. Die Arzte sagen, es bestehe keine Gefahr, es musse ihr aber nach Moglichkeit jede Erregung ferngehalten werden bis sie wieder bei Besinnung sei. Wenn ich recht verstehe, hat wohl der Schreck mindestens soviel zu ihrem jetzigen Zustand beigetragen wie der Fall. Es ware furchtbar, wenn ihr Verstand gelitten hatte; aber es wurde mich durchaus nicht wundern - nein, durchaus nicht.«

Monsieur Hautet lehnte sich zuruck, schuttelte den Kopf, als ob er traurig, doch zugleich mit Genu? jener dusteren Aussicht entgegensahe.

Darin richtete er sich gerade auf und bemerkte unvermittelt: »Da fallt mir eben ein: Hier habe ich einen Brief fur Sie, Monsieur Poirot.« Er durchstoberte seine Papiere. Endlich fand er das Schreiben und handigte es Poirot ein. »Es wurde mir verschlossen zugestellt, mit der Bitte, es an Sie weiterzuleiten«, erklarte er. »Da Sie aber keine Adresse zurucklie?en, mu?te ich davon absehen.«

Neugierig betrachtete Poirot den Brief. In langen, schragen, fremdartigen Zugen, in ausgesprochener Frauenhandschrift war die Adresse geschrieben. Poirot offnete den Brief nicht. Er steckte ihn ein und erhob sich.

»Dann auf morgen. Vielen Dank fur Ihr Entgegenkommen und Ihre Liebenswurdigkeit.«

»Aber bitte sehr. Ich stehe immer zu Ihrer Verfugung. Diese jungen Detektive, Schule Giraud, gleichen einander alle

- es sind unhofliche, spottische Gesellen. Sie wollen nicht einsehen, da? ein Untersuchungsrichter meiner - hm -Erfahrung einen gewissen Scharfsinn haben mu?. Die Hoflichkeit der alten Schule sagt mir unvergleichlich besser zu. Deshalb, lieber Freund, verfugen Sie uber mich, wie es Ihnen beliebt. Wir verstehen doch auch etwas davon, wir beide

- nicht?«

Und M. Hautet verabschiedete sich herzlich lachend von uns. Er war von sich und uns begeistert. Es tut mir leid, berichten zu mussen, da? Poirots erste Bemerkung war, als wir den Gang entlangschritten: »Ein fideler alter Trottel! Von direkt mitleiderregender Dummheit!«

Eben als wir das Gebaude verlie?en, kam uns Giraud entgegen, der, eingebildeter denn je zuvor, mit sich au?erst zufrieden schien.

»Aha, Monsieur Poirot«, rief er. »Sie sind also wieder aus England zuruck?«

»Wie Sie sehen«, sagte Poirot.

»Ich denke, die ganze Angelegenheit steht kurz vor ihrem Abschlu?.«

»Ich bin ganz Ihrer Ansicht, Monsieur Giraud.«

Poirot sprach mit gedampfter Stimme. Seine betrubte Miene schien den anderen zu entzucken.

»Oh, uber diese wasserigen Verbrecher! Keine Spur von Selbstverteidigung! Es ist zu merkwurdig!«

»So merkwurdig, da? es zu denken gibt, nicht wahr?« warf Poirot sanft dazwischen.

Aber Giraud horte nicht einmal. Er wirbelte nervos seinen Spazierstock. »Guten Tag denn, Monsieur Poirot. Ich freue mich, da? Sie sich schlie?lich mit der Schuld des jungen Renauld abgefunden haben.«

»Pardon, ich habe mich durchaus nicht abgefunden. Jack Renauld ist unschuldig.«

Giraud starrte einen Augenblick wortlos, dann brach er in helles Lachen aus, schlug sich bedeutungsvoll an die Stirn und bemerkte kurz: »Verruckt!«

Poirot richtete sich auf. Gefahrlich blitzten seine Augen: »Monsieur Giraud, wahrend der ganzen Dauer unserer gemeinsamen Arbeit hatten Sie es darauf angelegt, mich zu beleidigen. Sie verdienen eine Lehre. Ich bin bereit, um 500 Francs zu wetten, da? ich den Morder Monsieur Renaulds vor Ihnen finden werde. Einverstanden?«

Giraud sah ihn hilflos an und flusterte nochmals: »Verruckt.«

»Nun also«, drangte Poirot, »ist es abgemacht?«

»Ich habe kein Verlangen, Sie Ihres Geldes zu berauben.«

»Seien Sie beruhigt - es wird nicht dazu kommen!«

»Oh, dann bin ich einverstanden. Sie sprechen davon, da? meine Art Sie beleidigt hatte! Nun, die Ihre hat mich des ofteren gehorig geargert.«

»Ich bin entzuckt, das zu horen«, sagte Poirot. »Guten Morgen, Monsieur Giraud. Komm, Hastings.«

Als wir die Stra?e hinabgingen, sprach ich kein Wort. Mein Herz war schwer. Poirot hatte seine Absichten nur zu deutlich durchblicken lassen. Mehr als je zweifelte ich, da? es mir moglich sein wurde, Bella vor den Folgen ihrer Tat zu schutzen. Das ungluckselige Zusammentreffen mit Giraud hatte Poirot gereizt und zur Aufbietung aller Kraft angespornt.

Plotzlich fuhlte ich eine Hand auf meiner Schulter, und als ich mich umwandte, stand Gabriel Stonor vor mir. Wir blieben stehen und begru?ten ihn, und er machte sich erbotig, uns ins Hotel zuruckzubegleiten.

»Was tun Sie hier, Monsieur Stonor?« forschte Poirot. »Man mu? zu seinen Freunden stehen«, gab der andere trocken zuruck. »Besonders wenn sie falsch beschuldigt werden.«

»So glauben Sie also nicht, da? Jack Renauld das Verbrechen beging?« fragte ich begierig.

»Naturlich glaube ich es nicht. Ich kenne den Burschen. Ich gebe zu, da? ein oder zwei Punkte dieser Geschichte mich vollstandig uberrumpelten, aber trotz seiner tollen Stellungnahme werde ich nie glauben, da? Jack Renauld ein Morder ist.«

Das machte mir den Sekretar sympathisch. Seine Worte nahmen eine geheime Last von meiner Seele.

»Ich zweifle nicht daran, da? viele wie Sie empfinden«, rief ich. »Es ist wirklich lacherlich wenig Belastungsmaterial gegen ihn vorhanden. Ich mochte behaupten, da? er bestimmt freigesprochen wird - bestimmt.«

Jedoch Stonors Antwort fiel nicht ganz so aus, wie ich wunschte. »Ich gabe viel darum, konnte ich Ihre Ansicht teilen«, sagte er ernst. Dann wandte er sich an Poirot. »Was halten Sie davon, Monsieur?«

»Ich denke, da? die Sache fur ihn sehr ungunstig steht«, sagte Poirot ruhig.

»Glauben Sie an seine Schuld?« fragte Stonor scharf.

»Nein. Aber ich meine, es durfte ihm schwerfallen, seine Unschuld zu beweisen.«

»Er benimmt sich verdammt wunderlich«, murmelte Stonor. »Allerdings bin ich uberzeugt, da? viel mehr hinter der Sache steckt, als auf den ersten Blick zu sehen ist. Giraud ist nicht der richtige Mann, denn er ist ein Au?enstehender, aber das Ganze ist eine verdammt merkwurdige Angelegenheit. Er macht so viel unnutze Worte. Wenn Madame Renauld etwas vertuschen will, werde ich mich nach ihr richten. Es ist ihre Sache, und ich achte ihren Scharfsinn viel zu sehr, um meine eigenen Ansichten aufzudrangen, aber ich kann mir Jacks Haltung nicht erklaren. Man ist versucht anzunehmen, da? er fur schuldig gehalten werden will.«

»Aber das ist lacherlich«, warf ich ein. »Erstens der -« Ich hielt inne, da ich nicht wu?te, inwiefern Poirot meine Einmischung billigen wurde. Ich fuhr fort, wahlte aber sorgfaltig die Worte. »Wir wissen, da? der Dolch an jenem Abend nicht in Jacks Handen sein konnte. Madame Renauld wei? es.«

»Richtig«, sagte Stonor. »Nach ihrer Genesung wird sie sicher das und noch mehr sagen. Nun mu? ich Sie aber verlassen.«

»Einen Augenblick.« Poirot hielt ihn zuruck. »Konnen Sie es einrichten, da? ich benachrichtigt werde, wenn Madame Renauld wieder zur Besinnung kommt?«

»Gewi?. Das ist leicht zu machen.«

»Der Hinweis auf den Dolch ist gut, Poirot«, betonte ich, als, wir die Treppen hinaufstiegen. »Ich wollte vor Stonor nicht so deutlich werden.«

»Das war sehr recht von dir. Wir wollen unsere Weisheit lieber so lange wie moglich fur uns behalten. Was aber den Dolch betrifft, wird dieser Hinweis Jack Renauld kaum herausrei?en. Entsinnst du dich, da? ich heute fruh vor unserer Abreise aus London fur eine Stunde fort war?«

»Ja.«

»Nun, ich war bemuht, jene Fabrik ausfindig zu machen, in der Jack Renauld seine Andenken anfertigen lie?. Es war nicht sehr schwer. Nun, Hastings, ich furchte, die Sache mit dem Dolch wird uns nicht helfen, ihn der Strafe zu entziehen.«

»Dazu darf es nicht kommen«, rief ich gequalt. Poirot schuttelte unsicher den Kopf.

»Du wirst ihn retten«, rief ich besturzt.

»Machtest du es mir nicht unmoglich, mein Freund?«

»Du mu?t einen Ausweg finden«, murrte ich.

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