Und dann plotzlich, als ich es am wenigsten erwartete, brach sie wieder zusammen, warf sich zu Boden und schluchzte wild. »Oh, ich kann nicht«, schrie sie. »Ich wei? nicht, was ich tun soll. Oh, wenn nur irgend jemand Mitleid mit mir hatte und mir sagte, was ich tun soll!«

»Angstigen Sie sich nicht, Bella. Um Gottes willen, angstigen Sie sich nicht! Ich liebe Sie, es ist wahr, - aber ich erwarte keine Gegenliebe. Ich mochte Ihnen nur helfen. Lieben Sie ihn nur weiter, wenn Sie nicht anders konnen, aber erlauben Sie mir, Ihnen zu helfen, da er es nicht kann.«

Erst schien sie wie zu Stein erstarrt. Dann hob sie den Kopf und blickte mich an.

»Das glauben Sie?« flusterte sie. »Sie glauben, da? ich Jack Renauld liebe?«

Dann schlang sie leidenschaftlich ihre Arme um meinen Hals und schmiegte halb lachend, halb weinend ihr su?es, tranenfeuchtes Antlitz an meine Wange.

»Nicht so, wie ich Sie liebe«, flusterte sie. »Nie habe ich ihn so geliebt!«

Ihre Lippen beruhrten meine Wangen, dann - suchte sie meinen Mund und ku?te mich wieder voll Zartlichkeit und beinahe unwirklicher Glut. Ihre Leidenschaft und meine Verwunderung daruber vergesse ich nie - nie, so lange ich lebe!

Von der Tur kam ein Gerausch, das uns aufblicken lie?. Dort stand Poirot und sah uns zu.

Ich zogerte nicht. Mit einem Sprung war ich an seiner Seite und umklammerte seine Hande.

»Rasch«, sagte ich zu dem Madchen. »Verschwinden Sie, so schnell Sie konnen. Ich halte ihn fest.«

Sie warf mir einen Blick zu und flog aus dem Zimmer, an uns vorbei. Ich hielt Poirot mit eisernem Griff.

»Mon ami«, bemerkte er sanft, »solche Dinge machst du ausgezeichnet. Der starke Mann halt mich mit Gewalt, und ich bin hilflos wie ein Kind. Aber all dies ist unbequem und etwas lacherlich. Kommen wir zur Ruhe.«

»Du wirst sie nicht verfolgen?«

»Du liebe Gute - nein. Bin ich Giraud? La? mich los, mein Freund.«

Ich lie? ihn aus der Umklammerung, behielt ihn aber mi?trauisch im Auge, da ich ihm das Kompliment machen mu?te, da? er mir an Schlauheit weit uberlegen war. Er sank in einen Lehnstuhl und befuhlte besorgt seine Arme.

»Du bist stark wie ein Stier, wenn du gereizt bist, Hastings! Und denkst du, da? du dich anstandig gegen deinen alten Freund benahmst? Ich zeige dir das Bild des Madchens, und du erkennst es, sagst aber kein Wort.«

»Es war keine Veranlassung dazu, da du wu?test, da? ich sie erkannte«, sagte ich etwas bitter.

So hatte es Poirot die ganze Zeit gewu?t! Ich hatte ihn nicht einen Moment tauschen konnen.

»Ta, ta! Du wu?test nicht, da? ich es wu?te. Und heute abend verhilfst du dem Madchen zur Flucht, nachdem wir sie endlich mit so viel Muhe gefunden hatten. Schon - nun kommt es darauf an - willst du von nun an mit mir oder gegen mich arbeiten, Hastings?«

Eine Weile schwieg ich. Es war mir schmerzlich, mit meinem alten Freund zu brechen. Doch mu?te ich mich endgultig gegen ihn stellen. Ich fragte mich, ob er mir je vergeben wurde. Bis jetzt war er merkwurdig ruhig geblieben, aber ich kannte seine bewundernswerte Selbstbeherrschung.

»Poirot«, sagte ich, »es tut mir leid - ich wei?, da? ich mich schlecht gegen dich benahm. Doch man hat manchmal keine Wahl. Und in Zukunft mu? ich meinen eigenen Weg gehen.«

Poirot nickte mehrmals.

»Ich verstehe«, sagte er. Der spottische Schimmer in seinen Blicken erstarb, und er sprach so aufrichtig und gutig, da? ich mich wundern mu?te. »So ist es, mein Freund, nicht wahr? Die Liebe ist gekommen - nicht wie du es dir vorstelltest - triumphierend mit Pauken und Trompeten, sondern traurig - mit wunden Fu?en. Nun, nun - ich warnte dich. Als ich erriet, da? dieses Madchen den Dolch entwendet haben mu?te, warnte ich dich. Vielleicht wei?t du es noch. Aber schon war es zu spat. Sage mir aber, was wei?t du alles?«

Ich sah ihm gerade in die Augen.

»Du wirst mir nichts erzahlen, was mich uberraschen konnte, Poirot. Du verstehst mich. Aber fur den Fall, da? du die Absicht hattest, die Suche nach Miss Duveen wiederaufzunehmen, sollst du eines klar und deutlich wissen. Wenn du dir einbildest, da? sie in das Verbrechen verwickelt war oder da? sie mit jener mysteriosen Dame identisch ist, die damals Monsieur Renauld aufsuchte, so irrst du dich. Ich reiste an jenem Tage mit ihr aus Frankreich zuruck, und wir trennten uns in Victoria Station, so da? es fur sie glatt unmoglich war, an jenem Abend in Merlinville gewesen zu sein.«

»Ah«, Poirot blickte mich gedankenvoll an. »Und du wurdest dies vor Gericht beschworen?«

»Hochstwahrscheinlich.«

Poirot stand auf und verbeugte sich: »Mon ami! Es lebe die Liebe! Liebe kann Wunder wirken. Es ist direkt genial, was du da ausgedacht hast. Das tauscht sogar Hercule Poirot!«

23

Nach einer so erregten Aussprache, wie ich sie eben beschrieb, mu?te die Reaktion eintreten. Triumphierend begab ich mich an diesem Abend zur Ruhe, doch ich erwachte mit dem Bewu?tsein, da? alle Gefahren noch nicht beseitigt waren. Allerdings war in dem Alibi, das ich so plotzlich konstruiert hatte, keine Lucke zu finden. Wenn ich auf meiner Erzahlung beharrte, war nicht einzusehen, wie man das Madchen schuldig sprechen konnte. Es bestand keine alte Freundschaft zwischen uns, um den Verdacht zu rechtfertigen, da? ich einen Meineid schwor. Ich konnte beweisen, da? ich das Madchen nur dreimal gesehen hatte. Nein, mein Einfall befriedigte mich noch immer - hatte nicht selbst Poirot zugegeben, da? er gut war?

Aber da hie? es nun schlau ans Werk gehen. Es war ja sehr schon von meinem kleinen Freund, da? er zugab, momentan in die Enge getrieben worden zu sein. Ich hatte viel zuviel Respekt vor seinen Fahigkeiten, um mich in dieser Situation wohl zu fuhlen. Ich hatte nur eine sehr bescheidene Meinung von meinem Verstand, wenn es sich darum handelte, ihn dem seinen gegenuberzustellen. Poirot wurde es nichts ausmachen, scheinbar zu unterliegen. Irgendwie wurde er versuchen, den Spie? umzudrehen, und zwar gerade in einer Weise und zu einer Zeit, da ich es am wenigsten erwartete.

Am nachsten Morgen trafen wir uns beim Fruhstuck, als ob nichts vorgefallen ware. Poirots gute Stimmung war unerschutterlich, doch schien es mir, als entdeckte ich eine leise Zuruckhaltung in seinem Wesen, die mir neu war. Nach dem Fruhstuck kundigte ich meine Absicht an, ein wenig bummeln zu gehen. Da streifte mich ein boshafter Blick aus Poirots Augen.

»Wenn du eine Auskunft haben willst, brauchst du dich nicht zu bemuhen. Ich kann dir alles sagen, was du zu erfahren wunschst. Die Duleibella Sisters haben ihren Kontrakt gebrochen und sind von Coventry abgereist - unbekannt wohin.«

»Ist das wirklich wahr, Poirot?«

»Du kannst es mir glauben, Hastings. Gleich heute morgen zog ich Erkundigungen ein. Was hattest du schlie?lich anders erwartet?«

Allerdings - unter diesen Umstanden war nichts anderes zu erwarten gewesen. Cinderella hatten den schwachen Vorsprung benutzt, den ich ihr hatte verschaffen konnen, und wurde sicher keine Minute verlieren, sich aus dem Bereich des Verfolgers zu entfernen. Das hatte ich ausgeheckt und beabsichtigt. Nichtsdestoweniger wu?te ich, da? ich mich in ein Netzwerk neuer Schwierigkeiten verstrickt hatte. Ich hatte keine Moglichkeit, mich mit dem Madchen zu verstandigen, und es war doch von hochster Wichtigkeit, da? sie erfuhr, welche Verteidigungsmoglichkeit mir eingefallen war. Naturlich war es denkbar, da? sie auf irgendeine Weise versuchen wurde, mir ein Wortchen zukommen zu lassen, aber ich glaubte nicht recht daran. Sie wu?te, welche Gefahr ihr drohte, wenn ihre Botschaft von Poirot aufgefangen wurde. So war es fur sie das einzig Richtige, fur einige Zeit vollstandig zu verschwinden.

Aber was wurde Poirot indessen beginnen? Ich beobachtete ihn genau. Er trug seine unschuldigste Miene zur Schau und blickte nachdenklich in die Ferne. Doch er sah zu gelassen und sorglos drein, um mich beruhigen zu konnen. Ich hatte mit Poirot die Erfahrung gemacht, da? er um so gefahrlicher war, je unschuldiger er blickte. Seine Ruhe versetzte mich in Aufregung. Als er den angstlichen Ausdruck meines Gesichtes wahrnahm, lachelte er gutmutig.

»Du zerbrichst dir den Kopf, Hastings? Du fragst dich, weshalb ich mich nicht auf die Verfolgung

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