»Lass mich ihn rip open!«, zischte Brown Jenkin. Ich spurte seine Klauen an meinem Hosenbein. Kezia hielt jedoch mein Gesicht so fest, dass ich nur zittern konnte. Ich vermute, ich hatte nach ihr treten oder nach ihrer Hand schlagen konnen, aber irgendetwas an ihr gab mir das Gefuhl, dass ich so kraftlos sei, dass ich nicht mal einer Fliege etwas hatte zuleide tun konnen.

Brown Jenkins Klaue bewegte sich weiter an meinem Hosenbein entlang, dann zwickte er mich kurz zwischen den Beinen. »Ah oui-oui, we can rip them off«, wieherte das Ratten-Wesen. »Zwei porky Eierfor supper, oui? Nicht vergessen Abendessen!«

Kezia beugte ihren mit Laken umwickelten Kopf vor und flusterte in einem hei?en Hurrikan stinkenden Atems: »Soll ich dir die Nase abrei?en, Trottel?«

»Tear off his Russel!«, schrie Brown Jenkin.

Doch in dem Moment horte ich Billings rufen: »Warte, Kezia! Warte!«

»Warten? Worauf?«, erwiderte sie. »Auf den Sankt-Nimmer-leins-Tag?«

Billings kam uber den Rasen gelaufen und stellte sich zu uns. Aus dem Augenwinkel sah ich, dass er auf Distanz zu uns blieb. Vielleicht wollte er blo? keine Blutspritzer auf seinen Anzug bekommen.

»Kezia, er muss dir erst noch den Sohn des Blutes geben«, sagte Billings.

Kezia reagierte auf diese Nachricht, indem sie ihren Griff nur noch verstarkte. Ich fuhlte, wie meine Unterlippe aufplatzte und Blut uber mein Kinn lief.

»Es ist die Wahrheit, Kezia! Du kannst diesmal nichts mit ihm anstellen! Erst, wenn er das gemacht hat, was das Schicksal fur ihn vorherbestimmt hat.«

»Du redest wieder Unsinn«, entgegnete Kezia, doch an ihrem Tonfall konnte ich merken, dass sie von ihren Worten nicht vollig uberzeugt war.

»Glaub, was du willst«, sagte Billings achselzuckend. »Aber falls du die Erneuerung nicht noch langer hinauszogern mochtest, dann solltest du ihn gehen lassen.«

»Er hat Charity mitgenommen«, erwiderte sie. »Er ist ein Heide, sonst nichts!«

»Vielleicht hat er Charity mitgenommen«, sagte Billings besanftigend. »Aber Jenkin kann sie fur dich zuruckholen, nicht? Das ist uberhaupt kein Problem. Nun komm schon, Kezia, er ist der Vater ... und er hat dir zwei geschenkt. Aber zwei sind so gut wie nichts.«

»Dann kann ich ihm spater sein Dessert geben«, sagte Kezia, lockerte aber nicht ihren Griff.

»Genau, Kezia, das kannst du spater immer noch machen.«

»Rip him now!«, drangte Brown Jenkin. »Rip off sa tete and tirer ses Leber durch seine Kehle!« Wenn ich das mit Kichern durchsetzte Mischmasch richtig verstand, wollte Brown Jenkin meinen Kopf abrei?en, um sich dann meine Leber zu holen. Wenn ich nicht miterlebt hatte, was er mit Reverend Pickering gemacht hatte, hatte ich geglaubt, er ubertreibe, um mir ein wenig Angst einzujagen. Aber er war so grausam, dass er genau das auch gemacht hatte. Er war ein Geschopf der Holle, mehr war nicht dazu zu sagen.

Schlie?lich zog Kezia ihre Hand weg. Sie wich aber nicht zuruck, sondern sah mich mit einer Mischung aus Neugier, Versuchung und ... irgendetwas anderem an. Fast so etwas wie eine beilaufige Lust. Einen Moment lang war ich nicht sicher, dass sie mich tatsachlich entkommen lassen wurde. Doch dann nickte sie, zogerte kurz und wandte sich ab, um wie ein gro?es schlecht gekleidetes Gespenst zum Haus zuruckzukehren. Brown Jenkin hupfte noch eine Weile um uns herum, dann folgte er seiner Meisterin.

»Ich nehme an, dass ich mich bei Ihnen bedanken muss«, sagte ich zu Billings.

»Sie mussen mir nicht danken«, versicherte er. »Ihre Liz will die dritte und letzte Zeugung haben, und Brown Jenkin wird versuchen, Charity zu holen. An Ihrer Stelle wurde ich auch sehr auf Ihren Jungen aufpassen. Die Tore der Holle konnen sich jeden Moment offnen.«

Gemeinsam gingen wir hinuber zur Veranda, die Stufen hinauf und hin zur Tur, die Billings fur mich offnete. »Darf ich Sie noch etwas fragen?«

»Ich kann Ihnen keine Antwort garantieren.«

»Im Flur hangt ein Foto von Ihnen. Manchmal bewegen Sie sich auf dem Foto, und manchmal ist auch Brown Jenkin zu sehen.«

Im Haus hatte Brown Jenkin bereits zwei oder drei Lampen angezundet und hupfte auf den Polstermobeln umher, um weitere Lampen zu erreichen, an die er vom Boden aus nicht gelangen konnte. Er hielt eine dunne Kerze in seinen Klauen, von der hei?es Wachs auf seinen Arm tropfte. Der unangenehme Geruch von versengten Haaren breitete sich im Zimmer aus.

Brown Jenkin sah mich mit einer solchen Wollust an, dass mir ein eisiger Schauder uber den Rucken lief. Er musste nichts sagen, dieses eine verkrustete Auge sagte alles.

Billings ignorierte ihn und fuhrte mich durch den Flur zuruck zur Treppe. »Ich wei?, welches Foto Sie meinen. Einer von Kezias kleinen Scherzen. Sie hat noch immer etwas von ihrer kindlichen Spiellaune. Sie kann alle moglichen Bilder in Bewegung versetzen. Sie kann ein Gemalde beruhren, das einen sonnigen Tag am Meer zeigt, und aus dem Bild einen nachtlichen Sturm mit hohen Wellen machen. Nach dem, was ich verstanden habe, benutzten die vormenschlichen Wesen solche Bilder, um miteinander zu kommunizieren.«

Er klang vollig naturlich, fast schon umganglich. Aber etwas war beunruhigend an einem Mann, der wie der Direktor einer Teppichfabrik auf einer Fuhrung durch die Produktionsanlagen klang, wahrend er in Wahrheit ein hagerer und verfluchter Zeitreisender war, der mit einer halb nackten Hexe, einer verlausten Ratte und verzweifelten Waisenkindern unter einem Dach lebte, die ihres Fleisches wegen entfuhrt und ermordet wurden.

Wir gingen am Schlafzimmer der Kinder vorbei. Die Tur war nur angelehnt, und ich sah, wie Molly und ihre Freunde mir enttauscht nachblickten. »Ab ins Bett mit euch«, herrschte Billings sie an. Ich konnte nichts machen, um ihnen zu helfen. Wenn Billings die Wahrheit sprach, dann wurde Brown Jenkin umso mehr Kinder abschlachten, wenn ich ihm einen Vorwand dafur lieferte. Der Gedanke, dass diese mageren, armseligen Kinder wie Hasen aufgeschlitzt werden wurden, war mehr, als ich ertragen konnte.

Wir betraten mein Schlafzimmer, wo mir Billings auf den Stuhl half.

»Versuchen Sie nicht, noch einmal herzukommen«, warnte er mich. »Ich werde Sie beim nachsten Mal nicht vor Kezia retten konnen. Sie hat eine Vorliebe, Gesichter abzurei?en.«

»Gut. Aber ich kann Ihnen fur nichts garantieren, was meine Handlungen betrifft, wenn ich wieder im Jahr 1992 bin.«

»Achten Sie auf Ihre Liz. Und denken Sie daran, was ich Ihnen gesagt habe. Sie konnen Ihr Schicksal andern, wenn Sie es wollen. Sie konnen alles verandern. Die Zeit ist nichts weiter als eine Schachtel voller Minuten.«

»Das werden wir ja sehen.«

Ich kletterte auf den Dachboden, wo ich wieder den schwachen Schein von Tageslicht bemerkte. Aus der Ferne horte ich Danny rufen: »Daddy? Daddy? Wo bist du? Daddy!«

Der junge Mr. Billings lachelte schwach, aber humorlos. Jetzt waren wir nicht nur mehr als ein Jahrhundert voneinander entfernt, uns trennten Welten. Er hob eine Hand zum Abschied.

»Sagen Sie mir, wofur Sie Ihre Seele verkauft haben«, wollte ich wissen, wahrend ich die Klapptur aufstie?.

Er sah mich nur an, und einen Moment lang glaubte ich, dass er mir gar nicht antworten werde. Dann erwiderte er: »Wofur wurden Sie Ihre Seele verkaufen?«

»Ich wei? nicht. Ewige Jugend vielleicht. Oder zehn Millionen Pfund. Um ehrlich zu sein, konnte mir ein anstandiges Fruhstuck schon genugen.«

Billings schuttelte den Kopf. »Ich habe meine Seele fur etwas vollig anderes verkauft, Sir. Wenn wir uns wiedersehen sollten, werde ich es Ihnen sagen. Es geschah nicht fur drei?ig Silberlinge, aber es war nicht sehr weit davon entfernt. Denken Sie in der Zwischenzeit an meine Warnung. Achten Sie auf Liz und bringen Sie die Kinder weg von Fortyfoot House.«

»Kann ich Ihnen vertrauen?«, fragte ich ihn.

Wieder schuttelte er den Kopf. »Nein, das konnen Sie nicht.«

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