eine Art Seebestattung.«

»Was willst du mir damit erzahlen, David? Stimmt irgendetwas nicht, ist es das?«

»Ich wei? nicht, ich bin mir nicht sicher. Ich bin dem jungen Mr. Billings begegnet. Er hat mir alles uber seinen Vater, uber Kezia Mason und uber Fortyfoot House erzahlt.« Wie sollte ich ihr blo? sagen, dass sie mit zwei parasitaren Kreaturen schwanger war? Ich konnte es nicht. Aber was, wenn ich es nicht machte und sie getotet wurde, ohne zu wissen, was mit ihr geschah?

»Der junge Mr. Billings hat dir das alles erzahlt?«

»Ja, ich habe ihn getroffen, unten am Gartentor. Ich bin auch Kezia Mason und Brown Jenkin begegnet.«

Sie legte ihre Hand auf meine. »David, hast du dir schon mal Gedanken daruber gemacht, dass du nicht gerade normal klingst?«

»Was soll das hei?en? Ich war dort. Ich habe mit ihm gesprochen. Ich war im November 1886. Der junge Mr. Billings erklarte mir, dass Kezia Mason gar keine Waise war, sondern besessen von einem urzeitlichen Wesen, das nicht menschlich war. Er sagte, Hexen seien ganz normale Frauen, die von vormenschlichen Kreaturen besessen sind.«

Ich hielt inne, als ich Liz' Gesichtsausdruck bemerkte. Voller Erstaunen und Zuneigung und noch immer mit diesem roten Glimmen in ihren Augen, das moglicherweise naturlichen Ursprungs war.

»Erzahl weiter«, forderte sie mich auf. »Was hat er sonst noch gesagt?«

Nach und nach erzahlte ich von den sumerischen Zikkurats, von Mazurewicz, Brown Jenkin und Dr. Barnardo. Und

schlie?lich berichtete ich ihr auch von den Alten und von den drei Sohnen in ihr, die die Unselige Dreifaltigkeit bilden und die Welt beherrschen wurden.

Als ich geendet hatte, sah sie mich eine Weile stumm an, dann strich sie mir uber die Wange. »Verstehst du, was mit dir geschehen ist?«, fragte sie sanft.

»Ich verstehe, was mit dir geschehen wird. Und mit diesen Kindern.«

»David, seit dem ersten Tag hast du dir immer sonderbarere Dinge eingebildet. Du stehst unter Stress, deine Ehe ist gescheitert, du hast jeglichen Halt verloren. Du bist nicht wirklich in der Zeit zuruckgereist, niemand kann das.«

Ich war sprachlos. »Was willst du damit sagen? Dass ich mir das alles einbilde? Dass ich alles nur getraumt habe? Komm schon, Liz. Du hast Mr. Billings selbst gesehen, und Sweet Emmeline und Brown Jenkin! Himmel, ich habe mir das nicht eingebildet!«

Sie strich mit der gleichen Hartnackigkeit uber meine Hand, mit der sie zuvor ihren Kaffee eingeruhrt halte. »David, dieses Haus ist voller Gerausche und elektrischer Defekte und allem Moglichen anderen. Es hat eine gewisse Atmosphare, das gebe ich ja zu. Aber es ist nicht verflucht. Jedenfalls nicht wirklich. Und all die Dinge, die du mir uber den jungen Mr. Billings und uber Brown Jenkin erzahlt hast ... du lasst dich von diesen Dingen mitrei?en.«

»Gro?er Gott, Liz! Sieh dir meine Schuhe und meine Hose an! Ich bin durch das verdammte Wasser gewatet!«

»Und? Was soll das beweisen? Ich kann auf der Stelle genau das Gleiche machen.«

»Also gut«, sagte ich wutend. »Wenn sich das alles hier nur in meinem Kopf abspielt, wer ist sie dann?«

Ich stand auf, ging zur Kuchentur und deutete nach drau?en, wo Danny ganz alleine mit dem Wasserball spielte.

Ich sah nach links und nach rechts. Ich spahte uber den Rasen, konnte aber nur ein Eichhornchen ausmachen, das durch das Gras eilte.

»Danny, wo ist Charity?«

Danny tat so, als sei er Paul Gascoigne, der gerade ein Tor gegen die Italiener erzielt hatte. »Wer?«, fragte er.

»Charity, das kleine Madchen.«

Er horte auf zu spielen und sah mich ratlos an. »Welches kleine Madchen?«

»Das kleine Madchen, mit dem du Fu?ball gespielt hast. Das kleine Madchen, mit dem du gefruhstuckt hast. Das kleine Madchen, das heute Nacht hier geschlafen hat. Das kleine Madchen, mit dem du die ganze Nacht Witze getauscht hast. Das kleine Madchen meine ich.«

Danny sah mich so verstandnislos an, dass mir klar wurde, dass er tatsachlich nicht wusste, was ich meinte. Das konnte nur bedeuten, dass entweder ich den Verstand zu verlieren begann oder Liz - oder besser gesagt: die Hexe, von der sie besessen war - eine unglaublich uberzeugende visuelle und geistige Tauschung erschaffen hatte. Ich wusste, welche der beiden Moglichkeiten eher der Wahrheit entsprach. Ich kam in die Kuche zuruck und sagte: »Okay, ich werde es beweisen. Jeder von beiden hatte zwei Eier, hier sind die Eierschalen ...«

Ich offnete den Treteimer und sah zwei Eierschalen.

Ich sah in die Spule: zwei Eierbecher, ein Teller, ein Loffel. Im Schrank standen die beiden Eierbecher, die ich Charity gegeben hatte. Sie waren sauber und unbenutzt. Liz sa? da und musterte mich, die Hande in den Scho? gelegt. Ich sah sie wutend an, doch nichts an ihr verriet, dass sie diejenige war, die mich tauschte. Sie sah mich ruhig und geduldig an. Ich schloss den Schrank.

»Irgendetwas stimmt hier nicht«, sagte ich.

»David, das ist nicht wahr. Das glaubst du alles nur.«

»Das kann nicht sein. Ich war dort ... ich war im Jahr 1886, heute Morgen erst. Ich sprach mit dem jungen Mr. Billings. Bestimmt zehn Minuten lang. Er war so zum Greifen nah wie du jetzt. Und sieh dir an, was Kezia Mason mit: meinem Gesicht veranstaltet hat.«

»Du hast dich gekratzt, sonst nichts.«

»Dann werde ich wohl verruckt.«

»David, du wirst nicht verruckt. Du stehst unter Stress, sonst nichts. Du hast so viel uber Brown Jenkin und den jungen Mr. Billings gehort, dass du an nichts anderes mehr denken kannst. Das ist eine Realitatsflucht, ein ganz normales Symptom bei Stress.«

In dem Moment klingelte es an der Tur. »Das wird Sergeant Miller sein. Mal sehen, was er sagt.«

Als ich die Tur offnete, stand aber nicht Miller vor mir, sondern ... Dennis Pickering. Er lebte, er war unversehrt, und er war so real wie ich. Die Sonne lie? die Haare in seinen Ohren erstrahlen. Aufseiner Weste waren Reste von Porridge zu sehen.

»Oh, guten Morgen, David«, sagte er gut gelaunt. »Ich wollte mich nur fur gestern Abend entschuldigen.«

Ich offnete den Mund und schloss ihn im nachsten Augenblick wieder. Ich hatte das Gefuhl, Fieber zu haben.

»Wissen Sie, meine Damen haben wegen der Kirchendekoration ein solches Theater gemacht, dass ich nicht dort wegkam. Als ich dann mit dem Abendessen fertig war, fuhlte ich mich zu mude, um noch auf Geisterjagd zu gehen. Aber ich konnte heute Abend vorbeikommen, wenn es Ihnen recht ist.«

Ich erwartete fast, dass er sich jeden Augenblick vor meinen Augen in Luft aufloste, aber nichts geschah. Er redete und lachelte und war vollig real. Ich hatte gesehen, wie ihm die Augen aus dem Kopf gerissen und die Eingeweide aus dem Leib gezerrt worden waren. Ich hatte es genau gesehen. Ich war hinaus ins Meer gewatet und hatte gehort, wie sich seine aufgeschlitzte Bauchhohle gurgelnd mit Seewasser gefullt hatte. Und hier stand er vor mir und lachelte mich an.

»Ich glaube, dass sich alles als naturliches Phanomen entpuppen wird, was Sie hier erlebt haben«, sagte er. »Die Menschen konnen ja so aberglaubisch sein, nicht wahr? Wir glauben lieber an eine ubernaturliche Erklarung als an eine wissenschaftliche. Dabei sind wissenschaftliche Erklarungen auf ihre Weise ebenso wundervoll. Sie sind schlie?lich Gottes Werk.«

»Ja«, sagte ich. »Das nehme ich an.«

»Tja«, erklarte er strahlend und rieb sich die Hande. »Ich will Sie nicht langer aufhalten, Sie haben bestimmt entsetzlich viel zu tun. Streichen, tapezieren. Aber Fortyfoot House kann das auch gut gebrauchen.«

Er ging zu seinem Renault und stieg ein. Ich beobachtete, wie er sich zur Seite lehnte und in seinen Hosentaschen nach dem Wagenschlussel suchte. Schlie?lich stieg er wieder aus.

»Stimmt was nicht?«, fragte ich.

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