direkt auf meine Brust. Ein Gefuhl, als werde mein Herz auf eine hei?e Herdplatte gepresst, ergriff von mir Besitz. Ich blieb stehen und fasste mir an die Brust. Ich hatte das Gefuhl, dass der Rauch meines schmorenden Herzens aus meinem Mund entweichen musste. Obwohl der Schmerz so entsetzlich war, konnte ich nicht mal Luft holen, um zu schreien. Ich fiel auf die Knie und hustete. Mein Herz brannte, und obwohl ich wusste, dass es nicht wirklich so war, dass Liz einfach nur ihre Hexenkraft spielen lie?, um mich von Brown Jenkin fern zu halten, hatte ich das Gefuhl, auf der Stelle sterben zu mussen.

Brown Jenkin bekam Dannys Beine zu fassen und schob ihn so nach oben, dass er den Halt verlor und schreiend aus dem Fenster fiel. Dann folgte Brown Jenkin ihm mit einem kraftigen Satz.

»Jenkin!«, keuchte ich, aber ich schaffte es nicht, mich aufzurichten und ihm zu folgen. Er spahte durch das Dachfenster auf den Dachboden und lachte mich aus.

»Idiot-fucker, du kannst mich niemals fangen! Adieu bastard cet fois for always! Merci pour ton fils! Was fur ein schmackhafter Knabe, nicht wahr, fucker?«

»Jenkin, ich bringe dich um!«, drohte ich ihm. Meine Stimme war aber so belegt, dass ich nicht annahm, von ihm gehort zu werden.

»Und nun zu dir, Charity, rauf mit dir!«, sagte Liz und schob sie auf die Trittleiter zu. Brown Jenkin streckte ihr vom Dachfenster mit dem boshaftesten Grinsen, zu dem er in der Lage war, seine Klauen entgegen. Charity starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an.

Auf der Treppe zum Dachboden hustete jemand. Noch immer vor Schmerz gekrummt, drehte ich mich um und sah, dass sich Detective Sergeant Miller einen Weg durch den Rauch bahnte.

»Sie da!«, schrie er Liz an. »Lassen Sie das Madchen in Ruhe!«

»Sergeant ...«, japste ich. »Ich kann nicht ...« Ich deutete auf das Dachfenster.

Miller sah nach oben und entdeckte Brown Jenkin. Sein Mund ging auf. Er hatte von Brown Jenkin gehort, er hatte gesehen, zu welchen Dingen Brown Jenkin in der Lage war. Aber als er dieses bose, viel zu gro?e Nagetier jetzt zum ersten Mal mit seinen eigenen Augen sah, schien er formlich zu erstarren.

Das Brennen in meiner Brust lie? allmahlich nach, und ich schaffte es unter Schmerzen, wieder aufzustehen. Liz hob Charity hoch, damit Brown Jenkin sie ubernehmen konnte, doch Charity schrie und trat und strampelte. »Lass mich los! Lass mich los!« Doch Liz schien unnaturliche Krafte zu besitzen. Sie hob Charity muhelos immer hoher, egal, wie sehr das Kind sich auch zur Wehr setzte.

»Ah, ma chere petite«, sagte Brown Jenkin. »I serve you mit Kartoffeln und Sauerkraut, oui?«

Mit schriller Stimme rief Miller: »Polizei! Sie sind festgenommen, lassen Sie das Kind los!«

Brown Jenkin musste so sehr kichern, dass er sich fast ubergab. Speichel lief ihm aus dem Mund, durchsetzt mit halb zerkautem Essen. »Under arrest shit-shit! Was sagst du bastard? C'est drole, n'est- cepas?«

Er offnete seine Klauen, um nach Charity zu greifen, doch in dem Augenblick geschah etwas Au?ergewohnliches. Charity horte auf zu strampeln und erstarrte formlich. Ihr Gesicht schien zu strahlen, auch wenn dieser Eindruck eine Kombination aus Rauch und hellem Tageslicht sein konnte. Ihr Haar umgab ihren Kopf wie ein sanfter wogender Heiligenschein, und ich hatte schworen konnen, dass sie helles wei?es Licht ausstrahlte.

Liz, die wie ein schrumpfender Schatten aussah, lie? sie los, doch Charity verharrte in ihrer Position mitten in der Luft zwischen Boden und geneigter Decke.

Es war eigentlich unmoglich, aber ich sah es mit meinen eigenen Augen. Charitys Fu?e schwebten gut einen Meter uber dem Boden des Speichers. Kein Trick, kein Netz, keine Faden, nichts.

Brown Jenkin zog langsam seine Klauen zuruck und betrachtete das Madchen misstrauisch. »Was ist das?«, zischte er. »Qu'est-ce que c'est?«

Charity vollzog mitten in der Luft eine Drehung und wandte sich Liz zu. Als sie sprach, war ihre Stimme ubernaturlich sanft, so als wurden Tausende von Handen uber Tausende von Samtvorhangen streichen. »Weiche zuruck, Hexe«, flusterte sie. Sie hob beide Arme, streckte die Finger aus und rollte die Augen nach oben, bis nur noch das Wei?e zu sehen war. »Weiche zuruck, Hexe«, wiederholte sie. Die Worte waren so verzerrt, dass ich sie kaum verstehen konnte.

Die Spannung war fast unertraglich, und dann geschah alles auf einmal. Mit einem gellenden Japsen brach Liz zusammen. Brown Jenkin schlug das Dachfenster zu und verschwand. Charity fiel zu Boden und landete auf wackligen

Fu?en. Der Rauch wirbelte umher, die Lichter flackerten, und Miller erwachte aus seinem Schock wie ein Mann, der bemerkte, dass er seine Haltestelle verpasst hatte.

Sofort sturmte ich die Trittleiter hinauf, riss das Fenster auf und brullte: »Jenkin! Jenkin! Ich will meinen Sohn zuruck!«

Als ich aus dem Fenster sah, war ich von dem Anblick uberwaltigt. Ein dunkler schwefelgelber Himmel, eine Reihe kahler Baume, ein Garten ohne Rasen, ohne Busche und ohne Blumen. Alles war gelb oder grau. Keine Mowen schrien, kein Insekt summte, nichts. Die See war schwarz wie Ol, und ein Blick genugte, um zu wissen, dass in dieser See kein Fisch schwamm, jedenfalls kein gewohnlicher Fisch.

Unter dem dusteren schwefeligen Himmel sah ich Brown Jenkin fortrennen, Danny in seinem Schlepptau. Beide wirkten wie winzige Figuren in einem Traum. Sie mussten uber die Feuerleiter vom Dach geklettert sein. Ich schrie: »Danny!« Er versuchte, sich umzudrehen, und fur einen Moment konnte ich sein angstliches Gesicht sehen. Und dann hatte Brown Jenkin ihn schon uber den Rasen in Richtung Kapelle hinter sich hergezerrt.

Ich wollte durch das Dachfenster klettern, bekam aber im gleichen Augenblick einen Hustenanfall, der mich zwang, meine Fu?e wieder auf die oberste Stufe der Trittleiter zu stellen. Ich spurte, dass jemand an meinem Hosenbein zog. Als ich mich umdrehte, sah ich Charity, die hinter mir auf der Leiter stand und mich anlachelte. Liz hatte sich unterdessen in eine Ecke des Dachbodens zuruckgezogen und war so sehr von Rauch umgeben, dass ich sie kaum sehen konnte.

»Wenn Sie ihm folgen, David«, sagte Charity, »dann kehren Sie vielleicht niemals zuruck. Keiner von Ihnen.«

»Er ist mein Sohn.«

Sie lachelte und nickte. »Ich wei?. Ich war die Tochter meines Vaters. Alle Kinder im Fortyfoot House waren Sohne oder Tochter.«

»Wer bist du?«, fragte ich sie.

Sie schloss und offnete ihre Augen wie eine Katze. »Was Sie eigentlich von mir wissen wollen, ist, was ich bin.«

»Ich wei? nicht«, sagte ich. »Ist das so?«

Miller kam zu uns heruber, wahrend er seine Augen mit seinem Taschentuch wischte. »Horen Sie«, sagte er. »Meine Leute sind gerade eingetroffen. Ich lasse sie die Umgebung absuchen. Dieses ... Ding... kann Ihren Sohn nicht allzu weit verschleppt haben.«

Ich wollte ihm gerade sagen, dass sie ihre Zeit vergeuden wurden, den Garten von 1992 abzusuchen, wenn Brown Jenkin Danny in die ferne Zukunft verschleppt hatte, doch Charity bedeutete mir, ich solle schweigen.

»Er soll ruhig beschaftigt sein«, sagte sie. »Er kann Ihnen nicht helfen.«

»Lass mich gehen«, knurrte Liz. »Horst du mich, du kleines Miststuck? Lass mich gehen!«

Charity drehte sich zu ihr, nickte und sorgte so dafur, dass sich Liz noch weiter in den Schatten zuruckzog.

»Was zum Teufel hast du mit ihr gemacht? Was ist hier los?«

»Sie wissen, dass sie ubernommen ist«, erwiderte Charity.

»Ubernommen?«

»Besessen. Oder eben ubernommen.«

Ich konnte nicht glauben, dass es wirklich Charity war, die da zu mir sprach. Trotzdem nickte ich verstehend. »Ich habe es gesehen. Der junge Mr. Billings hat mir erklart, was es damit auf sich hat.«

»Oh, der«, sagte Charity lachelnd. »Der arme junge Mr. Billings. Er wollte alles haben. Er wollte Heiliger und Sunder sein, Gewinner und Verlierer, solange er seine Belohnung bekam.«

»Wer bist du?«, fragte ich wieder. » Was bist du?«

Sie beruhrte meine Hand, ich fuhlte ihre Finger. Sie war real. Ihre Fingernagel waren abgekaut. Was hatte

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