vorzubereiten. Die Bauern, die zu jener Stunde mit ihren Arbeitsgeraten uber der Schulter von den Feldern nach Hause zuruckkehrten, und die Kinder, die im letzten Licht des Tages Fangen spielten, blieben neugierig stehen, um ihnen zuzuschauen, dann gingen sie weiter, zuruck in ihre Dorfer, uber denen feine Rauchkringel aufzusteigen begannen. Als die Dunkelheit anbrach, zeigte Livia auf die entfernten Lichter in der Ebene. »Das ist Min-turno«, sagte sie, »fruher einmal beruhmt fur seinen Wein ...« Aurelius nickte und zitierte beinahe automatisch einen Hexameter:

Vina bibes herum Tauro diffusa palustris Inter Minturnas .

Livia sah ihn uberrascht an: Es war das erste Mal, da? sie einen Soldaten Horaz rezitieren horte, im richtigen Versma? und mit der klassischen Aussprache, aber auch das war Teil einer Vergangenheit, die sich ihr nach wie vor entzog.

»Wir mussen irgendeine Verbindung herstellen«, sagte Aurelius. »Morgen werden sie entweder nach Suden, nach Neapel, oder nach Sudosten, in Richtung Capua, weiterziehen, aber in dem einen wie dem anderen Fall werden wir keine Gelegenheit mehr haben, ihnen im Schutz der Berge zu folgen. Wir mussen in die Ebene hinunter und dann ohne Deckung an den immer zahlreicher werdenden Dorfern und Hutten vorbeireiten, und da werden wir auffallen. Fremde bleiben nicht unbemerkt.«

»Und was ist das?« unterbrach ihn Livia und deutete auf ein Licht, das sich in der Nahe eines Weidenwaldchens, dicht am Ufer des Wildbachs, bewegte. Aurelius beobachtete es aufmerksam, und allmahlich weckte dieses Blinken in ihm alte, in der Tiefe schlummernde Kenntnisse: Das war ja der Kode des Kommunikationssystems, das der ausschlie?lich dem Kaiser vorbehaltene Postdienst verwendete!

Er sah noch aufmerksamer hin, und bald fugten sich diese Signale zu einem verwirrendem Satz: Huc descende, miles gloriose - Komm herunter, du prahlerischer Soldat. Er schuttelte den Kopf, als wurde er seinen Augen nicht trauen, dann wandte er sich zu Livia und sagte: »Gib mir Deckung und halte die Pferde bereit fur den Fall, da? wir uns schnell aus dem Staub machen mussen. Ich gehe hinunter.«

»Warte ...«, sagte Livia, konnte aber ihren Satz nicht mehr rechtzeitig beenden, denn Aurelius war schon im dichten Unterholz verschwunden. Eine Zeitlang horte sie, wie unter seinem Schritt die Blatter raschelten. Dann nichts mehr.

Aurelius versuchte unterdessen, das Licht, das diese merkwurdigen Signale ausgesandt hatte, nicht aus den Augen zu verlieren, und schon bald wurde ihm klar, da? es sich um eine Laterne handelte, die ein alter Mann in der Hand hielt. Das Licht, das hochgehalten wurde, um den Pfad zu beleuchten, lie? namlich seine Glatze aufschimmern: Es war also der Erzieher! Und in kurzem Abstand folgte dem Alten ein barbarischer Krieger. Noch ein paar Schritte, und er konnte ihre Stimmen horen: »Bleib zuruck, verflixt noch mal! Ich bin gewohnt, gewisse Dinge nicht vor anderen zu erledigen. Wo soll ich denn schon hin, du Idiot? Es ist dunkel, und au?erdem wurde ich den Kaiser doch niemals im Stich lassen!«

Der Barbar brummelte etwas und blieb, gegen einen Baumstamm gelehnt, stehen. Der Lehrer tat ein paar Schritte, hangte die Laterne an einen Ast und breitete dann seinen Umhang so uber einen Busch, da? man darunter einen Menschen in kauernder Position vermutet hatte. Von dort ging er noch einige Schritte weiter und verschwand plotzlich, als hatte ihn das Unterholz verschluckt. Aurelius, der sich inzwischen ganz in seiner Nahe befand, blieb verdutzt stehen und wu?te nicht, was er tun sollte. Er konnte nicht rufen, sonst hatte der Barbar ihn gehort, und er durfte auch keine falsche Bewegung machen. So schlich er in der Richtung weiter, in die er den Mann hatte verschwinden sehen, und dann weiter zum Ufer des Baches, wo das Pflanzengestrupp noch dichter und dunkler war. Plotzlich ertonte, kaum einen Schritt entfernt, eine leise Stimme: »Ein ganz schones Gedrange hier!«

Aurelius schnellte vor, und der Erzieher fuhlte sein Schwert an der Kehle, verlor aber nicht die Fassung.

»Immer mit der Ruhe«, sagte er. »Es ist alles in Ordnung.«

»Aber wie ...?«

»Ruhe! Wir haben blo? so viel Zeit, wie ein Mann braucht, um seinen Darm zu entleeren.«

»Aber, beim Herkules ...«

»Ich bin Ambrosinus, der Erzieher des Kaisers.«

»Das ist mir schon klar.«

»Unterbrich mich nicht und hor mir zu. Wir werden verstarkt bewacht, weil wir uns dem Ziel nahern. Jetzt begleiten sie mich uberallhin, auch, wenn ich einmal mu?. Du hast, wie ich mir vorstelle, bestimmt schon begriffen, da? sie uns nach Capri bringen. Wie viele seid ihr?«

»Wir sind zu zweit. Ich und eine ... Frau, aber ...«

»Ach ja! Die Wasserverkauferin ... Nun gut, aber unternimm blo? keinen Versuch! Das ware der reinste Selbstmord. Wenn die dich erwischen, ziehen sie dir bei lebendigem Leib die Haut ab. Du brauchst jemanden, der dir hilft.«

»Wir haben Geld und beabsichtigen, andere Manner anzuwerben.«

»Pa?t blo? gut auf! Soldner sind immer bereit, ihre Herren zu wechseln. Ihr mu?t euch zuverlassige Leute suchen. Neulich in der Nacht habe ich zwei von Wulfilas Offizieren belauscht, die sich gerade uber einige romische Gefangene unterhielten. Sie sollen nach Miseno gebracht werden, um auf den Galeeren zu dienen. Vielleicht lohnt es sich, dieser Sache einmal nachzugehen.«

»Ja, naturlich«, antwortete Aurelius. »Aber kannst du nicht mehr daruber in Erfahrung bringen?«

»Ich tue, was ich kann. Versuch jedenfalls, mir dicht auf den Fersen zu bleiben. Ich werde nach Moglichkeit andere Zeichen hinterlassen. Ich sehe, da? du die Lichtsignale lesen kannst ... Kannst du sie auch selbst anwenden?«

»Selbstverstandlich. Aber wie bist du darauf gekommen, da? ich dort oben war?«

»Ganz einfach. Ich habe diesen Becher gesehen: Er war eindeutig ein Signal, und ich habe geantwortet, indem ich etwas auf den Boden der Schussel schrieb. Dann habe ich uberlegt, da? du uns, wenn du nicht dumm bist, auf der Hohe der Hugel folgen und von dort die Laterne bemerken wurdest, so wie auch ich einmal euer Lagerfeuer gesehen habe. Und jetzt leb wohl, ich mu? gehen: Auch fur jemanden, der unter Verstopfung leidet, ist schon zuviel Zeit vergangen.«

Mit einer Kopfbewegung entfernte sich Ambrosinus. Er holte seinen Umhang und die Laterne und ging zu seinem Wachter, der ihn erwartete, um ihn zum Lager zuruckzubringen.

Romulus blickte, an einen Baumstamm gelehnt, mit abwesendem Blick auf das Meer.

»Du mu?t dich zusammenrei?en, mein Junge«, sagte Ambrosinus zu ihm. »So kann das nicht weitergehen mit dir. Du stehst erst am Anfang deines Daseins und mu?t wieder anfangen zu leben!«

Romulus drehte sich nicht einmal zu ihm um. »Zu leben? Wozu?« Und er verschlo? sich wieder in sein Schweigen.

Ambrosinus seufzte. »Uns bleibt trotz allem eine Hoffnung ...«

»Eine Hoffnung auf dem Boden eines Bechers, nicht wahr? Einmal war es auf dem Boden einer Buchse, wenn ich mich recht erinnere -der Buchse der Pandora.«

»Dein Sarkasmus ist nicht angebracht. Der Mann, der schon einmal versucht hat, dich zu retten, ist hier und mehr denn je entschlossen, dich zu befreien.«

Romulus nickte nicht gerade begeistert, und der andere fuhr fort: »Dieser Mann sieht in dir seinen Kaiser, und er mu? ein sehr starkes und bedeutsames Motiv haben, wenn er an einem so verzweifelten und so gefahrlichen Unternehmen festhalt. Von deiner Seite wurde er viel mehr verdienen als eine derartige Herablassung.«

Auf diese Worte erwiderte Romulus nichts, aber aus seinem Blick schlo? Ambrosinus, da? sie Eindruck gemacht hatten.

»Ich will nicht, da? er noch einmal unnotige Risiken eingeht. Das ist alles. Wie hei?t er?«

»Aurelius. Wenn ich mich richtig erinnere.«

»Das ist ein ziemlich gewohnlicher Name.«

»Ja. Aber er selbst ist ganz und gar nicht gewohnlich. Er verhalt sich, als wurde er ein ganzes Heer, das unter deinem Befehl steht, fuhren, und doch ist er mutterseelenallein. Fur ihn sind dein Leben und deine Freiheit das Wertvollste auf der Welt. So blind ist seine Treue, da? er bereit ist, ein todliches Risiko einzugehen, und dabei ist die Wunde, die er bei seinem letzten Versuch, dich zu retten, davongetragen hat, noch nicht einmal verheilt! Denk daran, wenn dir der Mut fehlt, dein Leben in die Hand zu nehmen, wenn du dich benimmst, als wurde es sich nicht lohnen, dein Leben zu leben. Denk daruber nach, mein kleiner Casar.«

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