schwarzlichen, talgahnlichen Substanz gefullt war. Das flackernde Flammchen entwickelte sich schon bald zu einer kleinen grellwei?en Lichtkugel, die sie durch die imposante Reihe kaiserlicher Standbilder bis zu der gro?en Platte aus grunem Marmor fuhrte. Aurelius und die anderen waren uberwaltigt vor Staunen sowohl uber Ambrosinus wundersame Flamme als auch uber diesen unglaublichen Aufmarsch von Casaren, die im Prunk ihrer paludamenta, der prachtigen Uberwurfmantel, und ihrer Rustungen dargestellt waren.

»Ihr Gotter ...!« murmelte Vatrenus, »in meinem ganzen Leben habe ich so etwas noch nicht gesehen.«

»Herrgott ...«, pflichtete ihm Orosius bei, der diese Wunderwerke mit weit aufgerissenen Augen anstarrte.

»Er ist es gewesen, der das entdeckt hat!« sagte Ambrosinus stolz und deutete auf seinen Schuler, der sich gerade der gro?en grunen Marmorplatte naherte. Romulus drehte sich zu Aurelius um und sagte: »Und dabei habt ihr noch gar nichts gesehen. Von hier nun kommt das Schwert, das du in Handen haltst. Schau her!«

Er legte die Finger auf die drei V und druckte mit ganzer Kraft dagegen. Man horte das Gerausch der Gegengewichte und des Mechanismus, der sich in Bewegung setzte, und unter den immer ver-wunderteren Blicken seiner Begleiter begann sich die gro?e Platte um sich selbst zu drehen, bis, aufrecht auf ihrem Sockel stehend, die Statue Julius Casars erschien, prachtvoll in der silbernen Rustung und den verschiedenfarbigen Marmorarten, die den Purpur der Tunika und des Mantels nachahmten, und dem bleichen und griesgramigen Gesicht, das ein gro?er Kunstler aus dem kostbarsten Marmor der Apuanischen Alpen gemei?elt hatte. Doch das wortlose Staunen der kleinen Gruppe wurde von Demetrios unterbrochen, der plotzlich Alarm schlug. »Sie haben uns entdeckt!« schrie er. »Sie haben das Licht gesehen!«

Am Ende des langen Geheimgangs sah man tatsachlich den Schein von Fackeln, und sogleich horte man Schreie und Rufen: Wulfila hochstpersonlich fuhrte seine Wachen durch den Schutt nach unten und dann an der Reihe der kaiserlichen Statuen entlang.

»Schnell, schnell!« sagte Romulus. »Es gibt einen Fluchtweg in dieser Zelle!« Die Gruppe verschwand im Inneren, und die gro?e Platte schob sich hinter ihnen wieder zu. Sofort hallte der Hohlraum des kleinen Hypogaums vom Geklirr der Waffen, die gegen den Marmor stie?en, und dem Wutgeheul Wulfilas wider, und obwohl der gro?e Monolith so stark war, da? er einen unuberwindlichen Schutz darstellte, erfullte das Drohnen der Hiebe dieser unbandigen Wut den engen Raum mit einem Gefuhl der Bangigkeit, verdichtete sich in dieser unbewegten Luft eine ohnmachtige, aber dennoch schreckliche, unmittelbare Bedrohung. Einen Moment lang blickten sie einander besturzt an, doch schon zeigte Romulus ihnen den Brunnenrand, von dem ein so geheimnisvolles blauliches Leuchten ausging, als halte diese Offnung Kontakt mit dem Jenseits.

»Dieser Brunnen ist mit dem Meer verbunden«, sagte Romulus dann, »und bietet den einzigen Ausweg. Gehen wir! Hier gibt es nichts, was wir noch tun konnten.« Und vor den Augen aller seiner Begleiter stieg er, bevor irgend jemand Zeit hatte, auch nur ein einziges Wort zu sagen, in den Brunnen. Aurelius zogerte keinen Augenblick und sturzte hinter ihm her. Gleich darauf warf sich Livia hinein, und nach ihr Demetrios, Orosius und Vatrenus. Ambrosinus war der letzte, und er hatte zunachst den Eindruck, da? das lange Rutschen auf einer Art schiefer Ebene und dann der senkrechte Fall durch eine enge Rohre niemals enden wurden. Die Beruhrung mit dem Wasser loste in ihm Panik und Platzangst aus, aber dann, gleich danach, durchstromte ihn ein Gefuhl des Friedens. Er spurte, da? er sanft in einer blubbernden Flussigkeit, umgeben von einem himmlischen und pulsierenden Licht, dahintrieb. Die Lampe, die er fest in der Hand hielt, entglitt ihm und ging langsam unter, bis sie auf dem Grund liegenblieb, und dann lie? diese leuchtende Kugel das ganze Wasser in einem intensiven und strahlenden Saphirblau erscheinen. Ambrosinus tauchte zwischen seinen Gefahrten auf, die gerade versuchten, zum Ufer zu gelangen. Sie befanden sich inmitten einer Grotte, die uber eine kleine Offnung, die so knapp uber der Wasseroberflache lag, da? man sie kaum sah, mit dem Meer verbunden war. Aurelius und die anderen betrachteten verblufft die unter Wasser brennende Flamme, wahrend der alte Lehrer, nicht minder staunend, um sich blickte. Vatrenus wandte sich an ihn und deutete auf das Licht, das vom Meeresboden selbst auszustrahlen schien. »Aber ... was ist denn das fur ein Wunderwerk? Bist du vielleicht ein Zauberer?« fragte er.

»Das ist griechisches Feuer, ein Rezept von Hermogenes aus Lampsakos«, erwiderte Ambrosinus mit betonter Gleichgultigkeit. »Es brennt auch unter Wasser.« Aber er lie? seinen Blick rundum schweifen, um die gro?artigen Skulpturen der olympischen Gotter zu betrachten, die ganz oder teilweise aus dem Wasser der Meeresgrotte ragten: Neptun auf einem von Pferden mit Fischschwanzen gezogenen Wagen, seine Gemahlin Amphrotite mit einem Gefolge von Meeresnymphen und Tritonen, die in Muscheln bliesen und dabei ihre mit Schuppen bedeckte Brust aufblahten. Das unwirkliche Licht, das sich durch die Wellenbewegung auf den Figuren widerspiegelte, schien diesen Leben einzuhauchen, ihre Gesichter und starren Augen aus Marmor zu beleben. Ein altes Nymphaum, geheim und verlassen.

Auch Romulus betrachtete entzuckt diese Bilder. »Wer sind sie?« fragte er.

»In Vergessenheit geratene Gotter«, erwiderte Ambrosinus.

»Aber ... haben sie je existiert?«

»Naturlich nicht!« protestierte Orosius entrustet. »Es gibt nur einen Gott!«

Ambrosinus warf ihm dagegen einen ratselhaften Blick zu. »Vielleicht«, antwortete er Romulus. »Solange jemand an sie geglaubt hat.«

Darauf folgte ein langes Schweigen: Alle schienen von der Magie des Ortes uberwaltigt zu sein. Dieses blaue Licht, das das hohe Felsengewolbe zuruckwarf, diese Bilder, das ferne Rollen des Donners, der machtige Atem des Meeres, das nach dem Sturm langsam wieder seine Wellen glattstrich - dies alles erfullte sie mit einem Gefuhl einer fast uberirdischen Ruhe. Sie zitterten vor Kalte und waren erschopft von den Strapazen, von den ubermenschlichen Anstrengungen, die sie hatten auf sich nehmen mussen, und dennoch spurten sie in ihren Herzen ein unsagliches Glucksgefuhl.

Romulus unterbrach als erster das Schweigen. »Sind wir jetzt frei?« fragte er.

»Im Augenblick, ja«, antwortete Ambrosinus. »Wir befinden uns noch auf der Insel. Aber ohne dich waren wir schon alle tot. Du hast dich wie ein wirklicher Fuhrer verhalten.«

»Und was machen wir jetzt?« fragte Vatrenus. »Batiatus hat mitbekommen, da? wir nicht herunterklettern konnten, und wird losgesegelt sein. Wahrscheinlich kreuzt er hier irgendwo herum. Wir mussen versuchen, ihn zu erreichen, oder dafur sorgen, da? er uns erreicht.«

»Ich gehe und schau einmal nach«, sagte Livia. »Du bleibst hier mit dem Jungen.« Und ehe Aurehus antworten konnte, tauchte sie ins Wasser, durchquerte mit ein paar kraftigen Zugen die Grotte und schwamm ins offene Meer hinaus. Dort hielt sie sich eine Weile parallel zur Kuste, bis sie eine Stelle fand, wo es moglich war, auf den Felsen zu klettern. Sie stieg so hoch hinauf wie moglich, so da? sie eine gro?e Flache uberblicken konnte, und wartete dort, vor Kalte zitternd. Die Wolken begannen aufzurei?en, und der Mond warf sein Licht auf die Wellen; auf dem Festland schleuderte der Vesuv rote Blitze gegen die Wolken, die, vom Westwind getrieben, uber den Himmel jagten.

Plotzlich fuhr sie hoch: Hinter einem Vorgebirge tauchte ein Boot mit einer kleinen Laterne am Bug auf. Im Heck bediente eine unverwechselbare Silhouette das Steuer. Sie schrie: »Batiatus! Batiatus!«

Das Schiff wendete und fuhr dicht an der Kuste entlang.

»Wo bist du?« rief der schwarze Riese.

»Hier, hier!«

»Endlich!« sagte Batiatus, sobald er naher gekommen war. »Ich hatte schon beinahe die Hoffnung aufgegeben. Seid ihr alle beisammen?«

»Ja, Gott sei Dank. Die anderen halten sich hier drinnen versteckt, in einer Grotte. Gleich hole ich sie heraus.«

Batiatus stellte das Segel in den Wind, wahrend Livia wieder ins Wasser tauchte und zur Grotte hinuberschwamm, um ihren Gefahrten Bescheid zu geben.

Die Fluchtlinge sprangen, einer nach dem anderen, ins Wasser und schwammen ins offene Meer hinaus und auf das Boot zu, wahrend Batiatus sie anspornte: »Schnell, schnell! Ich habe vorhin schon ein Schiff aus dem Hafen ausfahren sehen. Schnell, bevor sie uns entdecken!«

Livia war als erste an Romulus Seite, und zusammen kletterten sie mit Batiatus Hilfe an Bord. Dann war Ambrosinus an der Reihe. Ihm folgten Vatrenus, Orosius und Demetrios. Aurelius hatte einen der Felsen erklommen, um sich einen besseren Uberblick uber die Lage zu verschaffen, als er sah, da? sich links von ihm ein rotlicher Schein auf den Wellen ausbreitete und dann ein mit Ruderkraft angetriebenes Kriegsschiff erschien.

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