aus reinem Eisen, und da? es dann im Blut eines Lowen gehartet wurde.«
»Und der Griff ... Kein Kampfschwert hat einen so reichverzierten und kostbaren Griff. Hochstens Prunkschwerter. Und doch liegt mir der Hals des Adlers in der Hand wie kein zweiter Griff in meinem Leben. Er wirkt wie ein verlangerter Arm ...«
»Es ist blo? ein au?ergewohnliches Werkzeug des Todes«, sagte Romulus, »angefertigt fur einen gro?en Eroberer. Du bist ein Kampfer: Es ist nur naturlich, da? es dich fasziniert.« Er warf einen Blick auf seinen Lehrer, der gerade damit beschaftigt war, seine Habseligkeiten in der Nahe des Feuers aufzureihen. »Siehst du Ambrosinus? Er ist ein Mann des Wissens, und er versucht seinerseits, seine Werkzeuge zu retten, die sich nach dem Eintauchen in die Grotte mit Wasser vollgesogen haben: Seine Pulverchen ... seine Krauter ... Und mein Exemplar der
»Und dieses Notizbuch da?«
»Das ist sein personliches Tagebuch. Darin ist seine Geschichte aufgeschrieben ... und auch unsere.«
»Willst du damit sagen, da? er auch ... von mir berichtet hat?«
»Da kannst du dir sicher sein! Aber warum sagst du berichtet hat<?«
»Es ist doch ins Wasser gefallen! Ich konnte mir vorstellen, da? recht wenig davon ubriggeblieben ist.«
»Tatsachlich ist aber alles erhalten geblieben! Unlosliche Tinte. Wieder so eines seiner Rezepte. Und er kennt auch das der unsichtbaren Tinte.«
»Du willst mich wohl auf den Ann nehmen?«
»Nein, warum sollte ich? Wahrend er schreibt, sieht man nichts. Es ist, als wurde er die Feder in Brunnenwasser tauchen, und dann, plotzlich, wenn er ...«
Aurelius unterbrach ihn. »Du hast ihn sehr gern, stimmt's?«
»Ich habe niemanden sonst auf der Welt«, erwiderte Romulus. Und er sagte es mit einem besonderen Tonfall, als wolle er seinem Gesprachspartner einen Widerspruch entlocken. Doch Aurelius sagte nichts, und Romulus sah ihm zu, wahrend er das Schwert mit einer gleichma?igen und harmonischen Bewegung, die an die Geste eines Priesters erinnerte, wieder in die Scheide steckte. Eine Zeitlang blickten sie in die Flammen des Lagerfeuers, dann unterbrach Romulus erneut das Schweigen. »Warum hast du mich nicht bei dir, auf deinem Pferd, haben wollen?«
»Ich habe es dir doch gesagt: Wenn ich dich beschutzen mu?, brauche ich Bewegungsfreiheit.«
»Es ist nicht deswegen. Du mu?t frei sein, einfach so, habe ich recht?« Und bevor Aurelius Zeit hatte, Romulus zu antworten, ging dieser weg, hinuber zu Ambrosinus, der gerade auf einer Schicht trockener Blatter die Decke fur ihn ausbreitete. Demetrios bezog seinen Wachtposten am vorderen Ende des Lagers, und Orosius hatte sich in einiger Entfernung auf einem kleinen Hugel postiert, um rechtzeitig vor moglichen, von Westen her anruckenden Verfolgern warnen zu konnen. Die anderen - Batiatus, Livia, Aurelius und Vatrenus - bereiteten sich auf ihre Nachtruhe vor.
»Es ist schon merkwurdig«, sagte Vatrenus. »Ich mu?te eigentlich todmude sein, und dabei habe ich uberhaupt keine Lust, schlafen zu gehen.«
»Wir haben uns im Laufe des letzten Tages einfach verausgabt«, bemerkte Aurelius, »und unserem Korper gelingt es noch immer nicht zu glauben, da? er sich jetzt ausruhen darf.«
»Das ist aber eine aparte Erklarung«, erwiderte Batiatus. »Ich, der ich fast gar nichts gemacht habe, falle namlich vor Mudigkeit fast um!«
»Ich wei? nicht ... ich hatte Lust, etwas zu singen«, sagte Vatrenus, »wie wir es fruher manchmal abends im Lager gemacht haben, rund um das Feuer. Erinnert ihr euch noch? Ach, ihr Gotter! ... Erinnert ihr euch noch, was fur eine Stimme Antoninus hatte?«
»Naturlich!« antwortete Aurelius. »Und wie! Und Canidius? Und Paulinus?«
»Und auch unser Kommandant Claudianus hatte keine uble Stimme«, sagte Batiatus. »Wi?t ihr noch? Manchmal kam er einfach daher, auf seinem Inspektionsrundgang, und setzte sich zu uns ans Feuer. Und wenn wir gerade etwas sangen, fing auch er an, leise mitzutrallern. Und dann lie? er etwas Wein kommen und trank einen Becher mit uns. Er sagte: >Trinkt, Kinder, warmt euch ein bi?chen auf!< Unser armer Kommandant, ich erinnere mich noch an seinen letzten Blick, als er mitten in einem Haufen von Feinden todlich getroffen zu Boden sank ...« Und wahrend er diese grausame Szene heraufbeschwor, leuchteten die Augen des schwarzen Giganten in der Dunkelheit.
Bei seinen Worten hob Aurelius den Kopf, und die beiden sahen sich lange schweigend an; einen Moment lang lag ein fragender Ausdruck und beinahe ein Verdacht in Aurelius Blick, was Batiatus nicht entging. »Ich wei?, was du jetzt denkst«, sagte er. »Du fragst dich, wie wir in Dertona mit dem Leben davongekommen sind, ist es nicht so? Du mochtest wissen, warum wir noch leben ...«
»Du irrst dich, ich will nicht ...«
»Lug nicht! Ich kenne dich zu gut. Aber haben wir dich vielleicht gefragt, warum du nicht zuruckgekommen bist? Warum du nicht zuruckgekehrt bist, um mit unseren anderen Kameraden zu sterben?«
»Ich bin zuruckgekehrt, um euch zu retten. Genugt dir das nicht?«
»Hort auf damit!« befahl Vatrenus mit ruhiger und fester Stimme. »Ich erzahle dir, wie es damals gelaufen ist, Aurelius, und dann ziehen wir ein fur allemal einen Schlu?strich und sprechen nie mehr daruber, einverstanden? Ich wollte das ja eigentlich nicht, aber ich sehe ein, da? es notwendig ist. Also, nachdem du losgeritten warst, haben wir uns, von allen Seiten angegriffen, in die Schlacht gesturzt und stundenlang gekampft. Stunden uber Stunden. Zuerst von den Palisaden aus, dann vom Schanzwerk, dann von drau?en, im Karree, alle unberitten, wie zu Hannibals Zeiten. Und wahrend wir immer weniger und immer muder wurden, schickten sie unablassig neue Soldaten in die Schlacht, in ganzen Wellen: eine und dann wieder eine und noch eine ... Sie haben uns mit Speeren uberschuttet, die wie Wolkenbruche auf uns herabprasselten. Dann, als sie sahen, da? wir erschopft, blutverschmiert und am Ende waren -die Sonne ging schon unter - , da kamen sie mit ihren gepanzerten Pferden angeritten und warfen ihre Streitaxte, um uns endgultig zur Strecke zu bringen und uns zu erschlagen, einen nach dem anderen. Wir sahen unsere Kameraden zu Dutzenden, zu Hunderten fallen, denn sie waren schon nicht mehr imstande, das Gewicht ihrer Waffen zu tragen. Einige sturzten sich ins eigene Schwert und bereiteten so ihren Qualen ein Ende, andere wurden bei noch lebendigem Leib in Stucke gehauen ... Sie lie?en sie auf dem Boden liegen, ohne Beine oder Arme, armselige Rumpfe, unfahig zu schreien, die dort, im Schlamm, verbluten mu?ten ...«
»Ich will das nicht horen!« rief Aurelius aus, aber Vatrenus ignorierte seinen Einwurf. »In diesem Moment trat ihr Anfuhrer dazwischen, dieser Mledo, einer der Stellvertreter von Odoaker. Wir waren insgesamt vielleicht noch hundert Mann, glaube ich, zerschlagen vor Mudigkeit, besudelt mit Blut und Dreck und vollig entkraftet. Du hattest uns sehen sollen, Aurelius ... du hattest uns ... sehen sollen!« Jetzt zitterte seine Stimme: Rufius Elius Vatrenus, der alte Haudegen, der Veteran von hundert Schlachten, hatte das Gesicht in den Handen vergraben und weinte und schluchzte wie ein Kind, wahrend Batiatus ihm die Hand auf die Schulter legte und sie tatschelte, als wolle er ihn so beruhigen. Dann ergriff Batiatus das Wort und fuhr fort: »Mledo brullte etwas in seiner Sprache, und das Gemetzel wurde eingestellt. Ein Herold befahl uns, die Waffen fallen zu lassen, dann wurde unser Leben geschont. Und wir haben sie fortgeworfen. Ja, was hatten wir denn sonst tun konnen? Sie haben uns in Ketten gelegt und uns mit Fu?tritten traktiert und angespuckt und bis in ihr Lager geschleppt, wo viele von ihnen uns unter den gra?lichsten Foltern am liebsten den Garaus gemacht hatten, weil wir mindestens viertausend ihrer Kameraden umgebracht und viele weitere verwundet hatten. Aber Mledo hatte wohl den Befehl erhalten, eine bestimmte Anzahl von Mannern, die noch als Sklaven zu verwenden waren, am Leben zu lassen. So wurden wir nach Classe gebracht und von dort in unterschiedliche Richtungen verfrachtet. Einige wurden, glaube ich, nach Istrien geschickt, in die Steinbruche, andere nach Noricum zum Baume fallen. Wir nach Miseno, wo du uns dann ja aufgestobert hast. Das, Aurelius, das ist alles, mehr habe ich dir nicht zu berichten. Und jetzt gehe ich schlafen, falls ihr mich nicht mehr braucht.«
Aurelius nickte ernst. »Geh«, sagte er. »Geh nur schlafen, schwarzer Mann. Schlaft, wenn ihr konnt, und auch du, Vatrenus, alter Freund. Ich ... habe nie einen Zweifel gehabt. Ich ... das einzige, was ich gehofft habe, war, euch lebend wiederzufinden, nichts sonst, das schwore ich euch ... Es gibt nichts, was ich nicht hergegeben hatte, um euch lebend aufzufinden. Das Leben ist das einzige, was uns geblieben ist.« Er ging davon, setzte sich neben Juba auf den Boden und lehnte den Rucken gegen den Stamm einer Eiche. Livia war nicht weit entfernt und hatte wohl alles mit angehort, aber sie sagte nichts, und auch er schwieg. Allerdings hatte Aurelius gern geweint, wenn er gekonnt hatte, aber er konnte nicht, denn sein Herz war aus Stein, bis in seinen innersten Kern hinein, und die Gedanken in seinem Kopf entwirrten sich nun wie Schlangen, die ineinander verwickelt in ihrem Nest