und Demetrios, Batiatus, Orosius, und auch du, Livia, ver-ge?t auch ihr mich nicht ... Lebt wohl.« Er sah seinen Lehrer an: »Komm, Ambrosinus, wir wollen uns auf den Weg machen.«

Sie gingen zum Ausgang des Mithraums, schoben den Vorhang aus Schlingpflanzen auseinander und traten auf den schmalen Pfad hinaus. Aurelius griff nach dem Zugel seines Pferdes, sah seine Gefahrten an und sagte: »Ich gehe mit ihnen«, als handle es sich um die naturlichste Sache der Welt.

Vatrenus schuttelte den Kopf, als erwache er aus einem Traum. »Ist das dein Ernst?« fragte er. »Warte, verflucht noch mal, warte, wo willst du hin?« rief er und ging ihm nach. Livia lachelte, als hatte sie es nicht anders erwartet, und verlie? ihrerseits die Hohle, das Pferd am Zugel mit sich fuhrend. Batiatus kratzte sich am Kopf. »Ist dieses Britannien sehr weit weg?« fragte er die beiden anderen.

»Ich glaube ja«, erwiderte Orosius. »Ich furchte, es ist das Land, das am weitesten entfernt ist von allen - zumindest von denen, die ich vom Horensagen kenne.«

»Dann sollten wir uns sputen«, sagte Batiatus, pfiff seinem Pferd und drang durch den grunen Vorhang hinaus ins Sonnenlicht.

Ambrosinus und Romulus, die sich bereits auf dem Pfad befanden, horten hinter sich Blatterrascheln und Hufgetrappel, aber sie wandten sich nicht um. Erst als Romulus klar wurde, da? sie alle denselben Weg einschlugen, blieb er stehen und druckte Ambrosinus Arm. Langsam drehte er sich um und fand sich allen sechs gegenuber. »Wo wollt ihr hin?« fragte er.

Aurelius naherte sich ihm. »Glaubst du wirklich, wir konnten dich im Stich lassen?« sagte er. »Von jetzt an hast du ein kleines Heer, wenn du mochtest - klein, aber tapfer. Und treu. Ave, Casar!« Mit diesen Worten zog er das Schwert aus der Scheide und reichte es Romulus. Im selben Moment brach ein Sonnenstrahl aus den Wolken, durchdrang das dichte Laubwerk von Fichten und Steineichen und tauchte das Gesicht des Jungen und sein Schwert in ein magisches, unwirkliches Licht.

Romulus gab Aurelius die Waffe mit einem Lacheln zuruck. »Hute du es fur mich«, sagte er.

Aurelius reichte ihm die Hand und zog ihn zu sich aufs Pferd, dann gab er den anderen ein Zeichen, auch Ambrosinus sein Tier zuruckzugeben. »Wir haben eine lange und gefahrliche Reise vor uns«, sagte er. »In zwei, drei Tagen erreichen wir die Poebene; sie ist ganz flach und bietet keinerlei Unterschlupfmoglichkeit; wir konnten leicht entdeckt werden.«

»Stimmt«, erwiderte Ambrosinus. »Aber wir werden einen machtigen Verbundeten haben.«

»Namlich?«

»Den Nebel«, erwiderte der Alte.

»Moglicherweise kann auch Stephanus noch etwas fur uns tun«, sagte Livia. »Ich wei?, da? er mit einem Schiff gekommen ist, um uns zur Flucht zu verhelfen. Vielleicht kann er uns ja einen Teil des versprochenen Geldes auszahlen oder wenigstens mit Proviant versorgen. Die Poebene ist riesig, und die Tage sind kurz und nebelig -so leicht kommt man uns nicht auf die Spur.«

»Du hast recht«, nickte Aurelius. »Aber danach mussen wir die Alpen uberqueren, und zwar mitten im Winter.«

XXII

Stephanus sah einen Teil von Wulfilas Schar aus dem Wald zuruckkehren - knapp ein halbes Dutzend Manner. Wahrend er ihnen entgegenging, bemuht er sich, so naturlich wie moglich zu wirken. »Wo sind die anderen?« fragte er ihren Anfuhrer.

»Die habe ich in Gruppen aufgeteilt und weitersuchen lassen. Ich bin sicher, da? diese Leute noch irgendwo in der Nahe sind. Mit dem Alten und dem Jungen konnen sie noch nicht weit gekommen sein«, antwortete Wulfila.

»Ja, aber das Wetter verschlechtert sich zusehends und das macht die Sache nicht leichter«, entgegnete Stephanus. Tatsachlich zog vom Meer eine dicke Front aus schwarzen Wolken heran, und wenig spater begann ein eisiger Schneeregen zu fallen.

Das Feuer, das inzwischen das ganze Stoppelfeld und samtliche Strohhaufen verbrannt hatte, erlosch vollends und lie? nichts als eine rauchende, schwarze Flache zuruck.

Stephanus klapperte vor Kalte mit den Zahnen und zitterte am ganzen Leib. »Diese Geschichte wird Odoaker nicht gefallen«, stie? er hervor, »und den Gesandten Zenons schon gar nicht. Ich mochte nicht in deiner Haut stecken, wenn du sie ihnen erzahlst. Und glaube nicht, ich riskiere meinen Kopf, um deinen zu retten. Sich mit einer siebzig Mann starken Truppe einen alten Tattergreis und einen Jungen durch die Lappen gehen zu lassen, ist schon ein starkes Stuck. Das riecht fast nach Bestechung ...«

»Still!« zischte Wulfila ihn an. »Wenn du mich rechtzeitig unterrichtet hattest, waren sie uns alle ins Netz gegangen.«

»Das war nicht moglich. Antemius Mann in Neapel hatte ihre Flucht so gut vorbereitet, da? ich selbst ihre Spuren verloren habe -und sie haben sich ihrerseits nicht bei mir gemeldet. Was hatte ich dir also mitteilen konnen? Das einzig Sichere war unsere Verabredung hier, wo das Schiff anlegen sollte. Und davon wu?test du ja.«

Wulfila musterte ihn mi?trauisch. »Mir ist immer noch nicht ganz klar, auf wessen Seite du wirklich stehst«, knurrte er. »Aber sieh dich vor: Wenn ich rauskriege, da? du ein doppeltes Spiel treibst, wirst du den Tag deiner Geburt verfluchen.«

Stephanus fand nicht die Kraft, ihm eine entsprechende Antwort zu erteilen. »Gib mir was Warmes«, sagte er statt dessen. »Siehst du nicht, da? ich vor Kalte schlottere?«

Wulfila band eine Decke von seinem Sattel los und warf sie vor ihn auf den Boden. Stephanus hob sie auf, hangte sie sich um die Schultern und wickelte sich fest ein.

»Was hast du jetzt vor?« fragte er Wulfila, als ihm wieder etwas warmer war.

»Was schon? Diese verdammten Romer aufstobern. Um jeden Preis. Egal, wohin sie geflohen sind.«

»Das konnte aber lange dauern. Wenn du sie jetzt nicht erwischt hast, wo du sie vor der Nase hattest, kriegst du sie vielleicht nie. Die Zeit spielt zu ihren Gunsten, und von Capri aus konnten sich seltsame Geruchte und Erwartungen verbreiten ...«

Wulfila lie? sich endlich dazu herab, vom Pferd zu steigen, so da? Stephanus nicht langer den Hals verrenken mu?te. »Was meinst du damit?«

»Ganz einfach: Wenn sich das Gerucht von der Flucht des Kaisers verbreitet, konnte es sich irgendwer zunutze machen - mit unabsehbaren Folgen.« Wulfila zuckte mit der Schulter. »Au?erdem war es Odoakers Wille, da? der Junge den Rest seiner Tage auf Capri verbringt«, fuhr Stephanus fort, »und so mu? es sein. Keiner darf merken, da? er verschwunden ist.«

»Wie soll ich das anstellen?«

»Schick einen Vertrauensmann nach Capri und la? Romulus Au-gustus durch einen Doppelganger ersetzen - irgendeinen Jungen seines Alters, der angezogen ist wie er und mindestens ein paar Monate lang von niemandem gesehen werden darf, bis du nach und nach das gesamte Personal, einschlie?lich der Wachter, ausgewechselt hast. Fur die Inselbewohner - und nicht nur fur sie - hat Romulus die Villa nie verlassen, geschweige denn die Insel, noch wird er sie je verlassen. Habe ich mich deutlich ausgedruckt?«

Wulfila nickte.

»Danach erstattest du Odoaker Bericht - und zwar hochstpersonlich.«

Wulfila nickte noch einmal mit kaum verhohlener Wut. Er ha?te diesen intriganten Hofling, aber es war ihm klar, da? dieser im Moment zweifellos in der angenehmeren Lage war, wenn auch vollig durchna?t und bis zum Hals in eine Pferdedecke gewickelt. Er bedeutete Stephanus, ihm in die alte mansio zu folgen, die aufgrund ihrer erhohten Lage vom Feuer verschont geblieben war; dort warteten sie, bis die Suchtrupps zuruckkehrten. In diesem Augenblick fiel Stephanus noch etwas ein, und er gab dem Barbarenanfuhrer ein Zeichen naher zu kommen, um nicht allzu laut sprechen zu mussen. »Antemius hatte auch auf Capri seine Spitzel, ja sogar auf den Schiffen, mit denen du die Fliehenden verfolgt hast; einer von ihnen hat ihm eine seltsame Geschichte erzahlt ...«, begann er. Wulfila schielte ihn mi?trauisch an. »Demnach soll einer von diesen Mannern ein wundersames Schwert besitzen, wie es kein zweites auf der Welt gibt. Sagt dir das etwas?«

Wulfila wich seinem Blick aus, trotzdem sah man ihm deutsch an, da? er log: »Nein, keine Ahnung, wovon du redest«, antwortete er.

»Seltsam. Dabei hast du doch sicher mit diesem klaglichen Haufen gekampft, um zu verhindern, da? sie den Kaiser entfuhren ...«

»Die Leute reden viel. Ich kenne dieses Schwert nicht, und wenn du kampfst, schaust du deinen Gegner an,

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