nicht seine Waffe. Abgesehen davon hatte auch ich dich um eine Information gebeten, die du mir bis heute nicht gegeben hast.«

»Hinsichtlich dieses Legionars? Ich wei? nur, da? er zu der Truppe gehorte, die Mledo in Dertona ausgeloscht hat, und Aurelius hei?t.«

»Aurelius? Hast du Aurelius gesagt?«

»Ja, warum?«

Wulfila dachte eine Weile schweigend nach, dann sagte er: »Ich bin sicher, da? ich ihn schon einmal gesehen habe - vor langer, langer Zeit. Ich vergesse Gesichter, die ich einmal gesehen habe, nie wieder. Aber, egal: Wer auch immer er war, der Mann ist in jener Nacht im Meer verschwunden und aller Wahrscheinlichkeit nach den Fischen zum Fra? geworden.«

»Da ware ich mir nicht so sicher«, erwiderte Stephanus. »Meines Wissens lebt er noch und ist nach wie vor im Besitz dieses Schwertes.«

Wenig spater kamen die ersten seiner Krieger zuruck, todmude und mit schwei?dampfenden Pferden. Ihren niedergeschlagenen Mienen war sofort abzulesen, da? die Suche erfolglos geblieben war. Wulfila hieb vor Wut mit der Peitsche auf sie ein. »Was, ihr habt sie nicht gefunden? Das konnt ihr mir nicht erzahlen!« fauchte er. »Sieben Personen zu Pferde losen sich nicht einfach in Luft auf, verflucht noch mal!«

»Wir haben uberall gesucht«, lautete die Antwort. »Vielleicht kannten sie ein Versteck. Sie haben immer hier gelebt und kennen die Gegend besser als wir. Vielleicht hat ihnen auch jemand Unterschlupf gewahrt.«

»Warum habt ihr nicht die Hauser durchsucht und die Bauern zum Sprechen gebracht? Ihr wi?t doch, wie man das macht ...«

»Wir haben es ja versucht, aber viele von ihnen verstehen uns nicht.«

»Die tun blo? so!« brullte Wulfila. Stephanus betrachtete ihn teilnahmslos, aber innerlich weidete er sich an der Panik des borstigen Ungetums. Gegen Mittag trafen weitere Suchmannschaften ein.

»Vielleicht haben sie weiter nordlich Spuren gefunden«, sagte einer der Reiter. »Wir haben ausgemacht, da? wir uns in Pesaro treffen - wer zuerst da ist, wartet auf den Rest. Und was tun wir jetzt?«

»Weitersuchen«, schnaubte Wulfila. »Auf der Stelle!«

Stephanus fur seinen Teil verabschiedete sich. »Wir sehen uns wahrscheinlich erst in Ravenna wieder. Ich bleibe hier und warte auf das Schiff, das mich abholen kommt«, sagte er und trat noch einmal ganz dicht an Wulfila heran. »Stimmt es, da? dieses Schwert einen goldenen Knauf in Form eines Adlerkopfs hat?« fragte er mit gesenkter Stimme.

»Keine Ahnung«, erwiderte Wulfila auch diesmal. »Ich wei? nicht, wovon du redest.«

»Egal. Aber wenn es trotzdem irgendwann in deine Hande fallen sollte, denk dran, da? es Leute gibt, die jeden Preis dafur bezahlen wurden, Leute, die dich buchstablich mit Gold uberhaufen wurden, klar? Also, mach keinen Unsinn. Wenn du an dieses Schwert kommst, sag es mir, und ich sorge dafur, da? du fur den Rest deiner Tage im Luxus schwelgst.«

Wulfila gab keine Antwort, sondern sah ihn nur einen Moment lang mit ratselhaftem Blick an, dann trommelte er seine Manner zusammen, ordnete sie facherformig an und lie? sie in alle Richtungen ausschwarmen; er selbst fuhrte die Gruppe an, die nach Norden ritt. Tagelang durchkammten sie das Land, suchten alle Wege und Pfade nach Spuren ab, doch letzten Endes trafen sie in Pesaro ein, ohne irgendwelche Erfolge vermelden zu konnen. Das Wetter wurde immer schlechter, ein unaufhorlicher Nieselregen verwandelte die Stra?en in Sumpfe und machte die Acker fast unpassierbar, wahrend sich die Berge bis weit herab mit Schnee bedeckten.

Die Vorhut, die Wulfila nach Pesaro vorausgeritten war, hatte die Suchmeldung nach einer Gruppe von funf Mannern und einer Frau mit einem Greis und einem Jungen bereits an samtliche Garnisonen weitergegeben, auf die sie unterwegs gesto?en war. Im Grunde war alles nur noch eine Frage der Zeit.

Von Pesaro aus machte sich Wulfila in aller Eile nach Ravenna auf, wo ihn die schwierigste Prufung erwartete, namlich die, Odoaker gegenuberzutreten.

Der magister militum empfing ihn in einem der kaiserlichen Gemacher, in denen er sich breitgemacht hatte. Wulfila las an seinem Blick ab, da? er bereits unterrichtet war, und er ahnte, da? alles, was er vorbrachte, Odoakers Laune nur noch verschlechtern wurde. Also sagte er erst einmal gar nichts. Das Gewitter lie? nicht lange auf sich warten.

»Meine besten Manner!« polterte Odoaker los. »Mein Statthalter hochstpersonlich, an der Nase herumgefuhrt von einer Handvoll elender romischer Schlappschwanze - wie ist das moglich?«

»Das waren keine Schlappschwanze!« erwiderte Wulfila gereizt.

»Offensichtlich! Dann seid ihr also die Schlappschwanze!«

»Hab acht, Odoaker, nicht einmal du kannst so mit mir reden.«

»Was, du wagst es, mir zu drohen? Nachdem du derart klaglich versagt hast?« Odoaker schnaubte wutend. »Jetzt erzahlst du mir erst einmal den genauen Hergang der Dinge. Ich will wissen, mit was fur Mannern ich mich da umgeben habe - ob ihr inzwischen feiger und schwachlicher seid als die Romer, die wir bezwungen und unterjocht haben.«

Wulfila blickte grimmig drein. »Sie haben uns in einer Sturmnacht uberrumpelt. Irgendwie haben sie es geschafft, die Steilwand im Norden der Insel zu bezwingen«, knurrte er. »Danach sind sie durch einen unterirdischen Geheimgang zum Meer geflohen und in ein wartendes Boot gestiegen. Ich hatte nur zwei Schiffe zur Verfugung, aber mit denen haben wir die umliegenden Gewasser durchkammt, bis sich auch noch die Elemente gegen uns wandten: Der Sturm hat sich gelegt, dafur brach plotzlich der Vulkan aus! Es hat Glut und Asche geregnet, und in dem undurchdringlichen Dunst war ihr Boot binnen Kurze verschwunden. Ich konnte nur noch sehen, wie ihr Anfuhrer ins Meer sturzte - ubrigens derselbe, der schon in Ravenna versucht hat, den Jungen zu befreien. Trotzdem gab ich mich noch nicht geschlagen.«

»Bist du dir sicher?« fragte Odoaker. »Ich meine, da? das derselbe Mann war wie in Ravenna? Es war doch finster ...«

Wulfila nickte nachdrucklich mit dem Kopf. »Ich habe ihn gesehen, wie ich dich jetzt vor mir sehe. Im ubrigen, wen wundert's? Wer einmal etwas versucht hat, versucht es auch ein zweites Mal -obwohl auch ich nicht damit gerechnet hatte, diesen Kerl noch einmal lebend wiederzusehen.«

»Sprich weiter«, sagte Odoaker, gespannt auf den Fortgang der seltsamen Geschichte.

»Jeder andere hatte an diesem Punkt aufgegeben. Auch ich war uberzeugt, da? diese Leute Schiffbruch erlitten hatten, da? ihr Boot im Dunkeln an den Felsen zerschellt war«, sagte Wulfila. »Trotzdem habe ich die Suche nicht abgebrochen, sondern den Apennin uberquert, und zwar in derselben Zeit wie sie, wie sich hinterher herausstellte, wobei sie dank ihrer Ortskenntnisse naturlich im Vorteil waren.« Wulfila seufzte. »Leider sind sie mir im letzten Moment doch noch durch die Lappen gegangen, und bei aller Suche sind wir ihnen bis heute nicht wieder auf die Spur gekommen.«

»Klar ist jedenfalls, da? sie wu?ten, wo sich die Gefangenen aufhalten und da? die Nordwand nicht bewacht war«, stellte Odoaker fest.

Wulfila nickte. »Ja, und au?erdem kannten sie einen Geheimgang, von dessen Existenz nicht einmal wir etwas wu?ten. Irgendwer mu? sie informiert haben ...«

»Wer?« schrie Odoaker.

»Da gibt es viele Moglichkeiten: ein Diener, ein Handwerker, ein Backer, ein Hufschmied, eine der Kochinnen oder Marktfrauen, vielleicht sogar ... eine Prostituierte, warum nicht? Dahinter mu? allerdings noch ein Drahtzieher gestanden haben. Ich habe die Kontakte zwischen der Villa und dem Rest der Insel immer auf ein Minimum beschrankt, aber ganz konnte ich sie nicht unterbinden.«

»Ein Drahtzieher? Wenn du einen konkreten Verdacht hast, dann sprich!«

»Antemius vielleicht - gut moglich, da? er die Villa auf Capri kannte, er hatte scheinbar viele Bekannte in Neapel. Auch Stephanus scheint mir ...«

»Stephanus ist ein intelligenter und fahiger Mann, und zudem ausgesprochen praktisch veranlagt. Ich brauche ihn fur die Beziehungen zu Zenon«, erwiderte Odoaker trocken, aber Wulfilas Schilderung der Ereignisse hatte ihn doch sehr beeindruckt; sie zeugte vom Mut und der Klugheit unglaublich tuchtiger Manner, die Gewaltiges zu leisten imstande waren. Mit einemmal wurde ihm klar, wie schwierig es sein wurde, dieses Land mit der alleinigen Gewalt eines Heeres zu regieren, das von der einheimischen Bevolkerung als fremd, grausam und gewalttatig, mithin barbarisch, empfunden wurde. Er begriff, da? hier nicht Gewalt, sondern Intelligenz vonnoten war, keine Schwerter, sondern Wissen, und da? er inmitten Hunderter von Krieger, die seinen Palast bewachten, anfalliger und verletzlicher war als auf einem Schlachtfeld. Und einen Moment lang fuhlte Odoaker sich von einem

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