weitere, die ich habe bereitstellen lassen. Flieht zum westlichen Stadttor, wo eine Bootsbrucke uber den Flu? fuhrt, welche die Insel mit dem Festland verbindet. Die Wachen sind mir treu ergeben und werden euch durchlassen. Folgt dem Flu? bis zur Kuste, dort gibt es ein Fischerdorf namens Brixate. Fragt nach einem gewissen Teutasius und sagt ihm, da? ich euch geschickt habe. Er kann euch nach Frisia oder Armorica ubersetzen, wo euch niemand mehr belastigen durfte. Meidet Britannien. Die Insel ist von den inneren Kampfen der Stammesfuhrer zerrissen, und uberall treiben Rauber und marodierendes Volk ihr Unwesen. Doch nun rasch, ich mu? jetzt Alarm schlagen. Um keinen Verdacht auf mich zu lenken, mu? ich meine eigenen Truppen zu eurer Verfolgung ausschicken, falls es mir befohlen wird. Sollten sie euch gefangennehmen, kann ich nichts mehr fur euch tun. Also geht jetzt, lauft!«

Aurelius trat zu ihm. »Ich wu?te, da? du uns niemals den Barbaren ausliefern wurdest. Danke, General, mogen die Gotter dich beschutzen.«

»Moge Gott dich beschutzen, Soldat, und diesen Jungen hier.«

Nun trat auch Romulus auf ihn zu, der in wurdevollem Ton sagte: »Danke fur alles, was du fur uns tust. Nie werde ich dir das vergessen.«

»Ich habe nur meine Pflicht getan ... Casar«, antwortete Volusianus und gru?te ihn mit militarischem Gru?. Dann senkte er respektvoll das Haupt und sprach: »Geh nun, bring dich in Sicherheit.«

Sie stiegen auf die Pferde und machten sich auf den Weg, der ihnen gewiesen worden war und der sie durch die dunklen, menschenleeren Gassen der Stadt fuhrte, bis sie die dort einmundende Brucke erreicht hatten. Die Wachen gaben ihnen Zeichen, rasch weiterzureiten, und Aurelius fuhrte sie sicher zum anderen Ufer. Dort wandten sie sich nach Norden und folgten dem Weg am Flu? entlang. Sie gaben ihren Reittieren die Sporen, und bald waren sie in der Dunkelheit verschwunden.

Volusianus bestieg sein Pferd und kehrte in sein Winterquartier nicht weit vom Hafen zuruck, gefolgt von seinem Adjutanten und einem halben Dutzend Manner seiner Garde. Einer der Diener lief herbei, um ihm die Zugel seines Pferdes abzunehmen, ein anderer eilte mit einer Laterne herbei, um ihm den Weg zu leuchten. Volusianus wandte sich an seinen Adjutanten. »La? noch etwas Zeit vergehen«, befahl er ihm, »dann lauf zum Palast und schlage Alarm. Sag, da? sie die Wachen ermordet haben und dann geflohen sind, was die reine Wahrheit ist. Und naturlich gibst du zu verstehen, da? du keine Ahnung hast, welche Richtung sie eingeschlagen haben.«

»Naturlich, General«, antwortete der Adjutant.

»Wenn deine Generale sie nicht beschutzt hatten«, schrie Wulfila au?er sich vor Wut, »hatten wir sie schon langst wieder gefangen und zuruckgebracht!«

Syagrius sa? auf seinem Thron, einem Sessel, der entfernt an die sella curulis, den Amtsstuhl eines Statthalters aus alter Zeit, erinnerte. Eingehullt in einen Umhang aus Fuchspelz, der ihn vor der bei?enden Kalte schutzen sollte, war er sichtlich gereizt - einerseits, weil sich die Unterredung bis mitten in die Nacht hinzog, zum anderen wegen der schlechten Manieren, die dieser Wilde mit dem entstellten Gesicht zur Schau trug.

»Mein magister militum hat getan, was seine Pflicht war«, entgeg-nete er verstimmt. »Dies hier ist Staatsgebiet der Romer, und die Gerichtsbarkeit gebuhrt mir, meinen Offizieren und Richtern. Niemand anderem! Doch jetzt, da sich diese Verbrecher mit Mord befleckt haben und aus meinem Gefangnis ausgebrochen sind, haben sie sich als Gesetzesbrecher entlarvt, die einzufangen nicht schwer sein durfte. Auch ihnen ist bekannt, da? sie sich, so lange sie sich in meinem Gebiet befinden, der Verfolgung nicht entziehen konnen. Also werden sie alles versuchen, um von dem nachstgelegenen Hafen ubers Meer zu fliehen. Dort werden wir sie fassen.«

»Aber wenn es ihnen gelingt, sich noch rechtzeitig einzuschiffen?« schrie der Barbar.

Der rex Romanorum zuckte die Achseln. »Sie kamen nicht weit«, sagte er. »Kein Schiff kann es mit meinen Galeeren aufnehmen, und wir wissen, da? sie den Weg nach Frisia oder Armorica einschlagen werden. Niemand ware so verruckt, sich in diesen Zeiten fur Britannien zu entscheiden. Doch sind es meine Manner, die sie abfangen werden, nicht du.«

»Hor mich an«, sagte Wulfila und trat dabei auf den Stuhl des Syagrius zu, »du kennst diese Leute nicht. Das sind au?ergewohnlich gute Kampfer. Beweis dafur ist die Art, wie sie aus deinem Gefangnis entflohen sind, und das nur wenige Stunden, nachdem sie dort eingesperrt worden sind. Ich jage sie seit Monaten und kenne die Art ihres Vorgehens und all ihre Finten. La? mich dich mit meinen Mannern begleiten. Ich schwore dir, da? es nicht zu deinem Nachteil sein wird, denn ich habe den Befehl, dir eine satte Belohnung im Austausch fur das Ergreifen des Jungen anzubieten Vor allem aber ist Odoaker bereit, dir seine ganze Dankbarkeit auch durch ein Bundnis zu beweisen. Er ist jetzt der Wachter und Beschutzer Italiens und der naturliche Mittelsmann in der Beziehung zum Ostreich.«

»Also, so geht ebenfalls mit«, antwortete Syagrius, »aber ergreift keinerlei Initiative ohne die Billigung meines Statthalters.« Darauf gab er dem, der ein romanisierter Westgote namens Gennadius war, ein Zeichen. »Mache dich auf den Weg«, befahl er ihm. »Und nimm so viele Manner mit, wie du brauchst. Ihr reitet bei Tagesanbruch.«

»Nein!« wand Wulfila ein. »Wenn wir erst bei Tagesanbruch losreiten, werden sie uns entkommen. Sie haben schon jetzt einen riesigen Vorsprung. Wir mussen sofort los.«

Syagrius dachte ein paar Augenblicke nach, dann nickte er. »Einverstanden«, sagte er. »Aber wenn ihr sie gefangengenommen habt, bringt ihr sie zu mir. Mir obliegt die Gerichtsbarkeit; wer auch immer sie bricht, ist mein Feind. Nun geh!«

Gennadius gru?te und ging davon, Wulfila und seine Manner folgten ihm. Kurze Zeit spater war das Schiff zum Ablegen bereit, eine gro?e Galeere, nach keltischer Tradition aus Eichenholz gebaut, auf der Manner und Pferde selbst ubers offene Meer transportiert werden konnten.

»Welches ist der nachstgelegene Hafen?« fragte Wulfila, kaum da? er an Bord war.

»Brixate«, antwortete Gennadius, »direkt an der Seinemundung. Er wird sich leicht herausfinden lassen, ob ein Schiff in See gestochen ist. Zu dieser Jahreszeit fahrt fast niemand hinaus.«

Sie kamen rasch voran, da sie von der Stromung des Flusses getragen wurden, und als der Wind von Nordost nach Ost drehte, hi?ten sie das Segel, so da? sie das Tempo noch steigerten. Wenige Stunden vor dem Morgengrauen klarte der Himmel auf, und die Temperatur sank noch weiter ab, doch da lag ihr Ziel bereits so nah, da? sie die Hafenlichter erkannten.

Plotzlich richtete der Steuermann einen besorgten Blick nach vorn. »Seht nur«, sagte er, »dort kommt Nebel auf.«

Wulfila horte ihm nicht einmal zu. Er suchte die gro?e Trichtermundung der Seine ab und daruber hinaus das offene Meer, um seine Beute nicht noch einmal zu verlieren, die er schon in greifbarer Nahe wahnte.

»Schiff von Bugseite!« ertonte in diesem Augenblick die Stimme des Matrosen aus dem Mastkorb.

»Das sind sie!« rief Wulfila aus. »Da bin ich mir sicher. Es gibt keine weiteren Fahrzeuge auf dem Meer.«

Auch der Steuermann hatte das Schiff gesehen. »Seltsam«, sagte er. »Sie fahren auf den Nebel zu, als wollten sie den Kanal uberqueren und in Britannien landen.«

»Erhoht die Geschwindigkeit, macht schon!« befahl der Barbar. »Noch konnen wir sie einholen.«

»Der Nebel wird immer dichter«, antwortete der Steuermann. »Es ist besser, wir warten, bis die Sonne hoher steht und er sich lichtet.«

»Nein!« brullte Wulfila, au?er sich vor Zorn. »Jetzt. Wir mussen sie jetzt fassen!«

»Die Befehle erteile ich«, antwortete Gennadius. »Ich will mein Schiff nicht verlieren. Wenn sie die Absicht haben, sich umzubringen, ist das ihre Sache, aber ich werde nicht in diese Nebelbank hineinfahren. Ich denke noch nicht einmal daran. Und ich glaube auch nicht, da? sie das tun.«

Da zog Wulfila mit einer blitzartigen Bewegung sein Schwert aus der Scheide und setzte es an die Kehle des Kommandanten. »Befiehl deinen Mannern, da? sie ihre Waffen niederlegen«, sagte er, »oder ich schneide dir den Hals durch. Jetzt ubernehme ich das Kommando uber das Schiff.«

Gennadius blieb keine Wahl, und schweren Herzens gehorchten seine Soldaten, die vom Anblick der phantastischen Waffe in der Faust des Barbaren wie geblendet waren.

»Werft alle ins Meer!« befahl Wulfila seinen Mannern. »Ihr konnt dem Schicksal danken, da? ich euch nicht tote!« Dann, zu Gennadius gewandt, sagte er: »Dieser Befehl gilt auch fur dich.« Er schob ihn bis an die Reling und zwang ihn, ins Wasser des Nordmeers zu springen, in dem bereits seine Manner mit den gewaltigen Wogen kampften. Fast alle wurden von dem Gewicht ihrer Rustungen in die Tiefe gezogen, wohl auch, weil das eiskalte

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