gehorte, dem ersten Eroberer Britanniens. Es wurde von den Chalybern geschmiedet, einem Volk an der Sudostkuste des Schwarzen Meeres, das sein Geheimnis, den unuberwindbaren Stahl herzustellen, niemals geluftet hat.«
Wulfila nickte mit einem Grinsen. »In meinem Volk sagt man, wer die Waffe eines Eroberers ergreift, wird selbst zum Eroberer, darum ist das, was du mir eben gesagt hast, das beste Vorzeichen fur mich. Fuhre mich nun nach Castra Vetera. Wenn wir erst angekommen sind, werde ich dir weiteres Geld geben, und dann bist du frei, uberall hinzugehen, wohin du nur willst.«
Fast zwei Wochen lang waren sie unterwegs. Sie marschierten durch die Gebiete vieler kleiner Despoten, doch hielt die betrachtliche Anzahl der Krieger zu Pferde in Wulfilas Gefolge und der erschreckende Anblick ihres Heerfuhrers selbst jeden davon ab, sich in uberma?ige Schwierigkeiten zu sturzen. Nur einmal wagte es ein machtiger Potentat namens Gwynwird, der mit einer ansehnlichen Schar Bewaffneter unterwegs war, sie in der Nahe von Eburacum aufzuhalten und sie daran zu hindern, die Brucke zu uberqueren, die in seinem Gebiet lag. Verargert uber das geringschatzige Benehmen des Fremden mit dem Narbengesicht, forderte er von Wulfila Wegegeld und die Abgabe seiner Waffen, die er erst zuruckbekame, wenn er sein Gebiet wieder verlie?e. Wulfila brach in Gelachter aus und gab ihm zur Antwort, da? er seine Waffen nur bekomme, wenn er sie sich im Kampf erobere. Dann forderte er Gwynwird zum Duell. Eifrig auf seinen Ruf und sein Ansehen bedacht, nahm dieser die Herausforderung an, doch als er Wulfila das Schwert ziehen sah, dieses Schwert von so exquisiter Machart und todbringender Schonheit, wu?te er sich bereits verloren. Beim ersten Hieb wurde sein Schild zerschlagen, beim zweiten zersprang ihm das Schwert, und kurz darauf rollte sein Kopf, die Augen noch immer weit aufgerissen von dem Ausdruck entsetzter Unglaubigkeit, zwischen die Beine seines Pferdes.
Nach altem keltischem Brauch ergaben sich die Krieger des besiegten Anfuhrers von nun an dem Befehl des Siegers, so da? Wulfilas Schar zu einer kleinen Armee anschwoll. Und wahrend sie weiterzogen, eilten ihnen die schauerlichsten Geruchte uber die Grausamkeit ihres Anfuhrers und sein unbesiegbares Schwert voraus, bis sie eines Tages in der Mitte des Winters vor Castra Vetera standen.
Der bedrohlich dustere Festungsbau erhob sich auf einem Hugel, der von einem dichten Tannenwald bestanden war, und wurde von einem Doppelgraben und einer Mauer geschutzt, die Hunderte von Bewaffneten bewachten. Aus seinem Inneren war das standige Geklaff der Wachhunde zu horen, und als sich Wulfila mit seiner Schar naherte, flog ein Schwarm Krahen zum Himmel empor und erfullte die Luft mit ihrem durchdringenden Krachzen. Tiefe Wolken bedeckten den Himmel, der die Festung in ein bleiernes Licht tauchte und sie dadurch, wenn uberhaupt moglich, noch dusterer wirken lie?. Wulfila schickte seinen Dolmetscher voraus, der zu Fu? ging und unbewaffnet war.
»Mein Herr«, verkundete dieser, »wurde vom kaiserlichen Hof im italienischen Ravenna ausgesandt, um Wortigern seinen Respekt zu erweisen und ihm ein Bundnis anzutragen. Er fuhrt Geschenke und das kaiserliche Siegel mit sich, das seine Person und Mission bestatigt.«
»Warte hier und ruhr dich nicht von der Stelle«, antwortete die Wache. Gleich darauf tuschelte er mit einem seiner Vorgesetzten, der im Inneren der Festung verschwand. Lange Zeit verging, in der Wulfila ungeduldig im Sattel sa? und nicht wu?te, was er von alldem halten sollte. Endlich kehrte der Mann zuruck und uberbrachte die Antwort seines Herrn. Der Gesandte sollte zunachst die Geschenke und das Beglaubigungsschreiben vorlegen, erst dann werde man ihn empfangen. Unbewaffnet und ohne Gefolgschaft.
Schon war Wulfila drauf und dran, sein Pferd zu wenden und wieder davon zureiten, als ihm ein Gefuhl sagte, da? er, falls er diese Festung betrate, seinem Ziel einen entscheidenden Schritt naher gekommen sei. Und die Vorstellung, es mit einem kranken, schwachen Herrscher zu tun zu haben, tat das ubrige, sich im Vertrauen auf seine eigenen ungebrochenen Energien auf ein so riskantes Unternehmen einzulassen. Durch lange Erfahrung gepragt und vor dem Hintergrund einer von standigen Unruhen beherrschten Welt, die sich nur der Kuhnheit des Starkeren unterwarf, wu?te er, da? es nur wenigen Mannern gelang, sich aus dem Nichts zu den hochsten Gipfeln der Macht zu erheben, wenn sie es verstanden, gunstige Gelegenheiten beim Schopfe zu packen. Und so war er einverstanden.
Unter den strengen Augen bewaffneter Wachtposten uberquerte er den Innenhof, dem noch die ursprungliche Anlage des romischen Feldlagers anzusehen war, das ringsum von Pferdestallen und Kasernen gesaumt war. Dann gelangte er zum Hauptgebaude: einem Wachturm aus quadratisch behauenen Felsblocken mit Fenstern so klein wie Schie?scharten; daruber lag ein Wehrgang, den ein holzernes Dach bedeckte. Er stieg zwei Treppen empor und stand vor einer schmalen, eisenbeschlagenen Tur, die sich wenig spater offnete, ohne da? einer der Manner aus seiner Eskorte angeklopft hatte. Mit einem Zeichen forderten sie ihn auf einzutreten, dann schlo? sich die Tur hinter ihm wieder.
Wortigern stand allein vor ihm. Wulfila war sehr verwundert, da? sich niemand sonst in dem gro?en kahlen Raum befand. Der Tyrann sa? auf einem Thron und sah sehr erschopft und mitgenommen aus. Seine langen wei?en Haare reichten ihm an beiden Seiten des Halses bis zur Brust hinab, wahrend sein Gesicht von der Maske bedeckt war. Wenn die goldenen Zuge der Wahrheit entsprachen, mu?te er fruher ein ungewohnlich ansehnlicher Mann gewesen sein.
Bis zur Unkenntlichkeit verzerrt, hallte seine Stimme aus dem Innern ihres metallischen Gehauses hervor. »Wer bist du? Warum hast du verlangt, mich zu sprechen?«
Er sprach das allgemein verstandliche Latein, das auch fur seinen Gesprachspartner leicht zu verstehen war.
»Mein Name ist Wulfila«, antwortete er, »gesandt vom kaiserlichen Hof zu Ravenna, den nun ein neuer Herrscher befehligt. Er ist ein tapferer Krieger namens Odoaker, der dir die Ehre erweist und mit dir einen Freundschaftsbund schlie?en mochte. Der eigentliche Kaiser ist ein unerfahrenes Kind, das nichts von der Kriegskunst versteht, ein Spielball in den Handen intriganter Hoflinge. Er ist abgesetzt worden.«
»Und warum will dieser Odoaker mein Freund werden?«
»Weil er um deine Macht als Beherrscher Britanniens und deine Tapferkeit im Kampf wei?. Dazu gibt es noch einen anderen, sehr wichtigen Grund, der mit dem abgesetzten Kaiser zu tun hat.«
»Sprich«, sagte Wortigern, den jedes Wort anscheinend unsagliche Muhe kostete.
»Einige Deserteure haben sich mit seinem Erzieher, einem irrsinnigen alten Kelten, zusammengetan und den Knaben entfuhrt. Da sie sich nun hierher auf deine Insel gefluchtet haben, wollte ich dich daruber in Kenntnis setzen, wie ungemein gefahrlich sie sind.«
»Ich soll also einen alten Mann und einen Knaben furchten, die von einer Handvoll Rauber begleitet werden?«
»Vielleicht jetzt noch nicht, aber bald konnten sie eine Bedrohung darstellen. Erinnere dich, Herr, an den alten Spruch: >Wehret den Anfangen.<«
»In jedem Fall wird es dir nutzen, einen machtigen Verbundeten wie Odoaker zu haben, der uber Tausende von Kriegern und ungeheure Reichtumer verfugt. Wenn du ihm hilfst, die Verbrecher einzufangen, kannst du fur immer auf seine Unterstutzung zahlen. Ich wei?, da? die nordischen Stamme noch immer dein Reich angreifen und du damit zu einem schwierigen, kostspieligen Krieg gezwungen bist.«
»Du bist gut informiert«, antwortete Wortigern.
»Um dir zu dienen und auch meinem Herrn Odoaker.«
Wortigern stutzte sich auf die Armlehnen seines Throns, um Kopf und Rucken gerade aufzurichten, und durch die Locher dieser gleichmutigen Maske spurte Wulfila die Kraft seines Blicks. Er fuhlte, da? er seine Verunstaltung betrachtete, und ergluhte vor blindem Ha?.
»Du hast von Gastgeschenken gesprochen ...«, hub Wortigern von neuem an.
»So ist es«, antwortete Wulfila.
»Ich will sie sehen.«
»Das erste siehst du, wenn du zum Fenster hinausschaust. Es sind die zweihundert Krieger, die ich mit mir fuhre und die ich bereit bin, in deine Dienste zu stellen. Sie sind hervorragende Kampfer und durchaus imstande, fur ihren Unterhalt zu sorgen. Das hei?t, sie werden dich uberhaupt nichts kosten. Ich selbst biete mich an, sie bei allen Unternehmungen zu fuhren, die du uns anvertraust. Doch das ist nur der Anfang. Wenn du spater weitere Truppen brauchst, wird sie dir mein Herr Odoaker jederzeit schicken.«
»Er mu? gro?e Angst vor diesem Kind haben«, meinte Wortigern. Wulfila sagte nichts darauf, sondern blieb gegenuber dem Thron stehen, da er annahm, der alte Tyrann ginge zum Fenster, um einen Blick auf die Manner