Schwammsuchtige, begriff Mavra. Sie buckte sich.

»Hallo. Wie hei?en Sie?«

»Hiv — Hivi—«, stammelte die Frau.»Ich kann das nicht mehr so gut aussprechen.«

Mavra nickte mitfuhlend.

»Okay, Hivi. Ich bin Cat. Wollen Sie mir etwas sagen?«

»Wenn ich kann.«

»Kennen Sie Nikki Zinder?«

»Kann mich an Namen nicht mehr so gut erinnern.«

»Gibt es dann hier irgendeinen Ort, wo Leute sind, die nie herauskommen?«

Die andere schuttelte verstandnislos den Kopf. Mavra seufzte.

»Haben Sie einen Chef? Jemand, der Ihnen sagt, wo Sie putzen sollen?«

»Ziv macht das.«

»Und wo ist Ziv jetzt?«

»Da unten.«Sie deutete den Korridor hinunter.

Mavra hatte sie am liebsten in Frieden gelassen; eine Bedrohung war sie nicht. Aber ein gewisses Ma? an Intelligenz war ihr noch geblieben, so da? sie ungewollt etwas verraten mochte. Sie streckte die Hand nach dem Madchen aus, beruhrte mit dem rechten Kleinfinger ihren Arm, und der Injektor jagte ihr die Flussigkeit unter die Haut.

Das Madchen blickte erstaunt und griff nach der Schulter, dann erstarrte sie.

Mavra beugte sich herab.

»Du hast keinen gesehen«, flusterte sie.»Du hast mich nicht gesehen. Du wirst mich nicht sehen. Du wirst nichts davon sehen, was ich mache. Jetzt arbeitest du weiter.«

Das Madchen kam zu sich, schaute sich um, starrte Mavra Tschang an, blickte blind an ihr vorbei, zuckte mit den Schultern und begann weiterzuschrubben. Mavra entfernte sich.

Es ware einfacher gewesen, sie zu toten, aber Mavra Tschang totete nur jene, die es verdienten. Antor Trelig vielleicht fur das, was er diesen fruher normalen Menschen angetan hatte und anderen antun mochte — aber nicht eine hilflose Sklavin.

Denn das waren diese Frauen alle. Die Serviererinnen, die Tanzerin, die Putzfrau. Sklaven, geschaffen durch den Schwamm, durch zu geringe und zu hohe Dosen der Mutationskrankheit.

Mavra fand Ziv nicht, huschte aber lautlos durch viele Hallen, wich gelegentlich dumpf blickenden Sklavinnen und Abtastern aus.

Als sie niemanden fand, der Autoritat zu besitzen schien, kehrte sie enttauscht und angewidert zu den Schlafquartieren zuruck. Als sie ihr Zimmer fast erreicht hatte, entdeckte sie jemanden, den sie brauchen konnte. Die Frau sah so ahnlich aus wie die anderen und war auch so angezogen, aber mit einem wesentlichen Unterschied: Sie trug Schulterhalfter und Pistole.

Mavra schlich lautlos auf sie zu, im letzten Augenblick drehte die Frau sich erschrocken um, und die kleine Agentin sprang sie an, traf sie mit voller Wucht in den Bauch.

Die Aufseherin lag am Boden, und Mavra sprang sofort wieder hoch. Die Nagelinjektoren vom rechten Zeige- und Mittelfinger hatten ihr Ziel gefunden, und die doppelte Dosis schwachte die Frau so stark, da? sie ihre Pistole nicht mehr ziehen konnte.

»Aufstehen!«befahl Mavra, und die Frau gehorchte.»Wo ist ein Raum, in dem wir nicht gestort werden?«

»Hier«, erwiderte die Aufseherin mechanisch und zeigte auf eine Tur in der Nahe.

»Keine Kameras oder andere Gerate?«

»Nein.«

Mavra trieb ihr halb betaubtes Opfer hinein. Es war ein kleines, derzeit unbenutztes Buro. Mavra druckte die Frau auf den Boden nieder und ging in die Knie.

»Wie hei?t du?«fragte sie.

»Micce.«

»Also, Micce, wie viele Menschen gibt es auf Neu-Pompeii?«

»Zur Zeit einundvierzig, nicht gerechnet die Wilden, die lebenden Toten und die Gaste.«

»Wenn man alle bis auf die neuen Gaste mitzahlt, wie viele?«

»Hundertsiebenunddrei?ig.«

Mavra nickte.

»Wie viele Bewaffnete?«

»Zwolf.«

»Warum nicht mehr?«

»In den wichtigen Bereichen verla?t man sich auf Automatikuberwachung. Und im ubrigen kann niemand ohne die richtigen Codes Neu-Pompeii verlassen.«

»Wer kennt die Codes?«

»Nur Rat Trelig. Und sie werden taglich in einer Folge, die nur er kennt, gewechselt.«

Mavra Tschang zog die Brauen zusammen. Um so schwerer wurde es werden.

»Ist Nikki Zinder hier?«fragte sie.

Die Frau nickte.

»Im Aufseherquartier.«

Durch weitere Fragen erfuhr Mavra, wo sich das Quartier befand, wie es dort aussah, wer sich zu verschiedenen Zeiten dort aufhielt, wo Nikkis Zimmer lag, wie man hinein- und hinausgelangen konnte. Sie klarte ferner, da? bis auf Trelig selbst alle auf dem Asteroiden schwammsuchtig waren und der Stoff taglich durch ein computergesteuertes Schiff gebracht wurde, so da? niemand eine gro?ere Menge beschaffen und sich gegen Trelig auflehnen konnte. Das war eine interessante Note. Der Schwamm wurde also mit einem kleinen Spahschiff gebracht, das im Notfall fur vier Passagiere geeignet war. Die Beschreibung der Aufseherin lie? vermuten, da? es sich um einen Kreuzer der Serie 17 handelte, ein Fahrzeug, das Mavra gut kannte.

Sie nahm der Aufseherin Pistole und Schultergurtel ab, nachdem sie erfahren hatte, da? die Aufseher selbst ihre Ausrustung in einem kleinen Spind verwahrten. Sie erklarte der Frau, die Waffe nebst Gurtel sei noch an ihrem Platz, damit sie nicht vermi?t wurde. Mavra lachelte; sie war wieder bewaffnet, und durch Treligs Manie, sich nur auf seine automatischen Systeme zu verlassen, war sie im Vorteil.

»Wo ist Dr. Zinder?«fragte sie, nachdem sie der Aufseherin noch einmal eine Hypnospritze gegeben hatte.

»Er ist auf der Unterseite«, sagte die Frau.

Von den einundvierzig Personen war eine Trelig, eine Nikki, eine Zinder, zwolf waren Aufseher, funf Zinders Gehilfen, und die anderen einundzwanzig Sklaven der einen oder anderen Art. Das genugte, um Mavra klarzumachen, da? sie keine Aussicht hatte, Zinder selbst herauszuholen, aber bei Nikki standen die Chancen gut. Zehn Millionen waren nicht»alles«, aber weit mehr als nichts.

Mavra befahl der Aufseherin, alles zu vergessen und ihrer normalen Tatigkeit nachzugehen. Die Frau tat es und behandelte Mavra, als sei sie nicht vorhanden.

Es nahm noch einmal vierzig Minuten in Anspruch, zum Hauptgebaude zuruckzukehren, den Kameras auszuweichen und zu ihrem eigenen Zimmer zu gelangen. Die Streifen waren noch an ihrem Platz, und als sie die Tur geschlossen und abgesperrt hatte, entfernte sie sie. Der holografische Gedachtnisprojektor war noch an seinem Platz, so da? die Kamera noch immer einen stillen Raum mit einer meditierenden Gestalt auf dem Bett zeigte.

Aufzuraumen, die Schwarze zu entfernen, den Stiefel zusammenzusetzen, den Gurtel neu zu fullen und wieder zusammenzufugen, kostete weitere Zeit. Dann schob sie sich zu dem Projektor auf dem Bett, nahm die richtige Haltung ein, griff nach dem kleinen Gerat und lie? es verschwinden, als die Kamera in eine andere Richtung zeigte. Sekunden danach, als die Kamera sich wieder auf das Bett richtete, erfa?te sie dieselbe nackte Frau in derselben Haltung. Die Frau begann schneller zu atmen, regte sich, streckte sich auf dem Bett aus und drehte sich auf die Seite. Die rechte Hand baumelte kurz uber der Bettkante und lie? unsichtbar einen Gegenstand auf schwarzen Stoff fallen.

Erst dann schlief Mavra Tschang.

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