Brucke weiter, vorbei an einer schimmernden, kupferfarbenen Stange, die in der Mitte des Schachtes verlief und in beiden Richtungen zu verschwinden schien. Er erreichte eine Plattform, die genauso aussah wie die erste. Auf der linken Seite offnete sich ein Fenster in einen gro?en Raum, der angefullt war mit Myriaden anscheinend nicht in Betrieb befindlicher elektronischer Instrumente. Eine Tur wie die einer Luftschleuse versperrte ihnen den Weg. Als sie zischend aufging, schienen Druck und Temperatur sich ein wenig zu verandern. Sie traten ein und fanden sich dem Augenschein nach in einer Miniaturkopie der gro?eren Maschine. Eine Galerie und mehrere Steuerkonsolen umgaben einen amphitheaterahnlichen Bereich darunter, in dem sich eine kleine, runde, silbrige Scheibe befand. An der Decke war ein zwanzigeckiger Spiegel mit einer kleinen Projektionsvorrichtung in der Mitte an einem beweglichen Arm befestigt, der aus der Wand ragte.
»Der ursprungliche Obie und die ursprungliche Anlage«, erklarte Trelig.»Obie ist naturlich an die gro?ere Maschine angeschlossen, die der Vollendung entgegengeht. Kommen Sie, stellen Sie sich hier nebeneinander an das Gelander, damit Sie alle hinunterblicken konnen.«
Er warf einen Blick auf die andere Seite, und sie sahen einen jungen, gutaussehenden Mann in glanzender Laborkleidung an einer Steueranlage sitzen.
»Burger, das ist Dr. Ben Yulin, unser Betriebsdirektor«, sagte Trelig.»Wenn Sie hinunterblicken, werden Sie sehen, wie zwei meiner Mitarbeiterinnen eine dritte herausbringen und auf die Scheibe stellen.«
Sie schauten hinunter und entdeckten zwei der Frauen, die Mavra als Aufseherinnen erkannte. Die zwei fuhrten ein Madchen, das nicht alter als vierzehn oder funfzehn Jahre war und angstvoll wirkte, zu der Scheibe.
»Das Madchen, das Sie sehen, ist das Opfer einer Drogensucht, die unter dem Namen Schwamm bekannt ist«, erklarte Trelig.»Die Droge hat ihren Geist bereits so zerruttet, da? sie nicht mehr ist als eine kindliche Schwachsinnige. Ich habe viele solche unglucklichen Wesen hier; sie werden bald geheilt sein. Beobachten Sie, und verhalten Sie sich ruhig. Dr. Yulin wird jetzt ubernehmen.«
Ben Yulin betatigte ein paar Schalter an seiner Konsole. Sie horten einen Lautsprecher knistern und vernahmen seine ruhige, angenehme Baritonstimme ganz deutlich.
»Guten Morgen, Obie.«
»Guten Morgen, Ben.«Obies Tenorstimme kam nicht mehr aus dem Konsolensprecher, sondern scheinbar ringsum aus der Luft. Es war keine machtige oder bedrohliche Stimme, aber sie schien alles zu erfullen, von uberall und nirgendwo zu kommen.
»Index Versuchsperson Codenummer 97-349826«, sagte Yulin.»Registrieren auf mein Zeichen —
Der Spiegel wurde uber das entsetzte Madchen hinausgeschwungen, das blaue Licht stromte heraus und hullte es ein. Sie sahen das Madchen erstarren, flackern und verschwinden.
Trelig grinste.
»Was halten Sie davon?«fragte er.
»Ich habe schon ofter Holografen-Projektoren gesehen«, meinte ein kleiner Mann skeptisch.
»Entweder das, oder Sie haben sie desintegriert«, warf ein anderer ein.
»Nun, was wird Sie uberzeugen?«sagte Trelig achselzuckend. Seine Miene hellte sich auf.»Ich wei?! Nennen Sie mir irgendein weitverbreitetes Wesen. Irgendeines.«
Sie schwiegen alle kurze Zeit, dann rief jemand:»Eine Kuh.«
»Gut, eine Kuh«, sagte Trelig.»Haben Sie gehort, Ben?«
»Sehr wohl, Rat«, sagte Yulin uber den Lautsprecher.»Index RY-/65I97-AF, Obie«, fuhr er fort.
»Ich wei?, was eine Kuh ist, Ben«, rugte Obie sanft, und Yulin gluckste.
»Also gut, Obie«, erwiderte er.»Ich uberlasse es dir. Aber nichts Gefahrliches. Folgsam, ja?«
»In Ordnung, Ben. Ich werde mein Bestes tun«, versicherte der Computer, und der Spiegel fuhr wieder hinaus, das blaue Licht strahlte auf, und in ihm flackerte etwas.
»Zaubertricks«, sagte der rotbartige Mann wegwerfend.»Frau in Kuh.«
Aber was unten auftauchte, war keine Kuh, es war ein zentauroides Wesen: ein Kuhleib — Hufe, Schwanz und Euter und Oberkorper und Kopf des Madchens, unverandert bis auf die Ohren, die hochstanden wie die einer Kuh, und zwei kleine, gebogene Horner, die aus ihren Schlafen herauswuchsen.
»Gehen wir hinunter, und sehen wir sie uns genauer an«, schlug Antor Trelig vor, und sie stiegen hintereinander eine kleine Treppe hinunter.
Die Kuhfrau stand da, starrte ins Leere und beachtete sie kaum.
»Nur zu!«sagte Trelig.»Beruhren Sie sie! Untersuchen Sie sie so grundlich, wie Sie wollen!«
Sie taten es, und das Madchen reagierte kaum, bis jemand ihre Milchzitzen beruhrte, was zu einem leichten, gereizten Tritt fuhrte, der aber sein Ziel verfehlte.
»Guter Gott! Ungeheuerlich!«knurrte ein Rat.
Andere waren sichtlich betaubt.
Trelig fuhrte sie wieder nach oben und erklarte, da? die Sichtplattform unsichtbare Abschirmung besa?, die notwendig war, um die Wirkungen des kleinen Spiegels fernzuhalten.
Er nickte Ben zu, der Obie neue Anweisungen erteilte. Das Kuhmadchen verschwand und wurde wenige Augenblicke spater wieder von dem Madchen ersetzt. Sie stiegen erneut hinunter, betrachteten es, fanden es angstlich und dumpf blickend, aber sonst vollkommen menschlich — und unverwechselbar dasselbe Madchen.
»Ich glaube es immer noch nicht«, stie? der Bartige hervor.»Irgendeine Art monstroses genetisches Klonen, ja, aber das ist alles.«
»Wollen Sie es versuchen, Burger Rumney?«sagte Trelig lachelnd.»Ich versichere Ihnen, da? wir Ihnen nicht das geringste antun. Oder wenn Sie nicht wollen, sonst jemand?«
»Ich versuche es«, erwiderte der rotbartige Mann.
Das Madchen wurde hinausgefuhrt. Rumney stieg auf die Scheibe und schaute sich um, als suche er nach den Requisiten des Zaubertricks. Die anderen stiegen wieder hinauf.
Yulin war bereit. Rumney wurde schnell kodiert, verschwand und erschien kurz darauf wieder. Sie hatten zwei kleine Veranderungen an ihm vorgenommen: Er hatte die langen Ohren eines Esels und einen gro?en, schwarzen Pferdeschweif, der uber seinem Gesa? hinausragte. Da die Wirklichkeit fur ihn beibehalten wurde, nahm er die Veranderung schnell wahr. Er betastete staunend seine langen Ohren und bewegte den Schweif. Er wirkte betaubt.
»Was halten Sie jetzt davon, Burger Rumney?«fragte Trelig ihn leutselig.
»Das ist — unfa?bar«, stie? der Mann hervor.
»Wir konnen die Wirklichkeit so angleichen, da? Sie und jeder andere glaubt, Sie hatten immer so ausgesehen«, erklarte Trelig.»Aber in diesem Fall lieber nicht.«
»Hat es weh getan?«rief jemand hinunter, und eine andere Stimme fragte:»Was haben Sie dabei empfunden?«
Rumney schuttelte den Kopf.
»Ich habe gar nichts empfunden«, antwortete er staunend.»Ich habe nur das blaue Licht gesehen, dann schienen Sie alle zu flackern, und ich war wieder da.«
Trelig lachelte und nickte.
»Sehen Sie?«wandte er sich an die anderen.»Ich habe doch gesagt, da? es nicht weh tut.«
»Aber wie haben Sie das
»Nun, wir haben vorher Obie die Verschlusselungen fur verschiedene gangige Tiere, Pflanzen und dergleichen eingegeben. Er benutzte das Gerat an der Decke dazu, sie auf ein Energiemuster zuruckzufuhren, das mathematisch dem Wesen entspricht. Die Information wurde gespeichert, und als Burger Rumney auf der Scheibe stand, geschah mit ihm dasselbe. Auf Dr. Yulins Anweisung hin wurden Ohren und Schweif des Esels Rumney angefugt und die Zellen neu kodiert, damit sie zu seinen naturlichen Merkmalen wurden.«
Mavra Tschang spurte denselben kalten Hauch, der die anderen anwehte. Solch unglaubliche Macht — in Treligs Handen.
»Das ist aber erst der Prototyp«, sagte der Rat von Neue Harmonie nach einer Pause.»Im Augenblick konnen wir nur eine einzelne Person nehmen. Wir konnen naturlich selbst Personen herstellen, aber wir wissen noch nicht, wie wir manches in Obie einbringen sollen, damit sie geistig als vollstandige Wesen herauskommen. Das ist aber nur eine Frage der Zeit und der Ubung. Und wir konnen naturlich alles Bekannte erschaffen, das nicht gro?er ist als die Scheibe, und dessen Code wir zuerst in Obie eingegeben haben. Jede Art von Nahrung, alles Organische und