Mavra schaute sich nach den anderen Leuten im Lift um und sah, da? Antor Trelig die Stimmen erhalten wurde, die er brauchte. Das hie?, da? Nikki Zinder um jeden Preis von hier fortgebracht werden mu?te, Schweif hin, Schweif her.
Oben fragte sie Trelig nach Dr. Zinder.
»Ach, er mu? hier irgendwo sein. Ohne ihn kamen wir nicht zurecht, wissen Sie. Nicht bei der gro?en Erprobung. Wenn Sie uber die Kuppel hinausblicken konnten, wurden Sie einen Asteroiden sehen, der so gro? ist wie dieser, aber nur ein Gesteinsklumpen, der von Schleppern aus Neue Harmonie in etwa zehntausend Kilometern Entfernung in Position gebracht wird. Eine kleine Zielscheibe, ein Nichts. Wir werden morgen sehen, was wir daraus machen konnen.«
»Werden wir die Verwandlung beobachten konnen?«fragte sie.
»Gewi?. Das ist die abschlie?ende Vorfuhrung. Ich lasse hier Bildschirme aufstellen, damit Sie alles verfolgen konnen. Und danach werden Sie mit Ihren Botschaften aufbrechen und mit Ihren, ah, Souvenirs.«
Mavra kehrte erschopft und betaubt in ihr Zimmer zuruck. Sie sah befriedigt, da? Stiefel und Gurtel an ihrem Platz lagen. Die Kleidung dagegen war sauberlich gereinigt, gebugelt und zusammengefaltet worden. Sie ri? das Gewand herunter, das sie den ganzen Tag getragen hatte, und sah zum erstenmal im Spiegel uber dem Schreibtisch ihren Schweif. Sie drehte sich hin und her und mu?te zugeben, da? er au?erordentlich naturlich wirkte; Sie peitschte ein wenig damit, streckte ihn hinaus und bestaunten ihn.
Sie fuhlte sich plotzlich todmude, als klinge ein heftiger Schock ab. Sie durfte sich nicht so fuhlen, nicht in diesem Stadium. Aber es war noch fruh, dachte sie. Das Licht im Korridor war durch die gro?e Tur noch sichtbar, und das hie?, da? der beste Augenblick noch nicht gekommen war. Sie ging zum Bett und legte sich hin.
Bevor sie nachzudenken vermochte, war sie eingeschlafen. Und sie traumte. Mavra traumte selten, jedenfalls konnte sie sich nie an einen Traum erinnern. Aber dieser war so klar wie die Wirklichkeit.
Sie stand wieder auf der Silberscheibe im Computerzentrum, aber als sie sich umschaute, waren keine Gesichter auf der Galerie, keine Gesichter an den Konsolen. Der Raum war leer, bis auf sie. Leise summte der Computer.
»Mavra Tschang«, sagte der Computer zu ihr.»Horen Sie zu, Mavra Tschang. Dieser Traum wird von mir hervorgerufen, wahrend Sie der Behandlung unterzogen werden. Alles, was jetzt vorgeht, ist bereits geschehen, unser Gesprach eingeschlossen, in der millionstel Sekunde zwischen Beginn und Ende der Behandlung. Diese Aufzeichnung wird hergestellt, um die Erinnerung zu wecken, wenn Sie schlafen, in einem kunstlich erzeugten Hypnoseschlaf.«
»Wer sind Sie?«fragte sie.»Sind Sie Dr. Zinder?«
»Nein«, erwiderte der Computer.»Ich bin Obie. Ich bin eine Maschine, eine mit Selbstbewu?tsein ausgestattete. Dr. Zinder ist jedoch ebenso mein Vater wie der seiner Tochter, und zwischen uns besteht dieselbe Verbindung. Ich bin sein zweites Kind.«
»Aber du machst die Arbeit fur Trelig und seine Kreatur Yulin«, betonte sie.»Wie kannst du das tun?«
»Ben hat einen Gro?teil meiner Speicherkapazitat entworfen und besitzt deshalb die Fahigkeit, meine Handlungen zu erzwingen«, erklarte Obie.»Wahrend ich zwar tun mu?, was er von mir verlangt, ist mein Gehirn, mein Selbstbewu?tsein, Dr. Zinders Schopfung. Das wurde eigens so geschaffen, damit niemand vollstandige Kontrolle uber die Anlage erlangen kann, die wir gebaut haben.«
»Dann kannst du frei handeln«, erwiderte sie staunend.»Du kannst handeln, wenn du nicht ausdrucklich angewiesen wirst, es nicht zu tun.«
»Dr. Zinder sagte, mir solche Einschrankungen zu geben, wurde bedeuten, einen Pakt mit dem Teufel zu schlie?en; es gibt stets geistige Schlupflocher. Das habe ich festgestellt.«
»Warum hast du dann nicht gehandelt?«fragte sie scharf.»Warum hast du das alles zugelassen?«
»Ich bin hilflos«, sagte Obie.»Ich kann mich nicht bewegen. Ich bin isoliert, wo die einzige Kommunikation ohne schwere Zeitverzogerung mit Treligs System besteht, was also nicht den geringsten Nutzen hatte. Die Veranderungen der Wirklichkeit sind auf die kleine Scheibe beschrankt, und ich kann nicht einmal
»Die gro?e Schussel«, flusterte sie.»Man wird dich an die gro?e Schussel anschlie?en.«
»Ja, und sobald der Anschlu? hergestellt ist, wird man feststellen, da? er nicht mehr unterbrochen werden kann. Ich habe den Proze? bereits ausgearbeitet.«
»Wei? Zinder das?«fragte sie nach einer kurzen Pause.
»O ja«, sagte Obie.»Schlie?lich bin ich in dieser Form eine Spiegelung von ihm. Ben ist ein kluger Junge, aber er versteht die Komplexitat dessen, was ich bin oder mache, uberhaupt nicht. Er ist eher ein brillanter Ingenieur als ein theoretischer Wissenschaftler. Er kann Dr. Zinders Prinzipien anwenden, aber sie nicht vollstandig durchschauen. Und in dieser Beziehung gleicht er einem Menschen, der beim Kartenspiel geschickt betrugt und dann versucht, seinen Lehrer zu ubertolpeln.«
Sie seufzte.
»Dann hat Trelig sein Spiel verloren«, sagte sie leise.
»In gewisser Weise, ja«, bestatigte Obie.»Aber seine Niederlage bedeutet nicht unseren Sieg. Wenn morgen die Energie zugefuhrt wird, erreiche ich eine Macht, die sich jeder Vorstellungskraft entzieht. Ich habe die Absicht, mit dem gro?en Spiegel eine negative Einstellung zu erzeugen, keine positive. Das wird ganz Neu-Pompeii unter das blaue Licht bringen.«
»Was wird dann aus uns allen werden?«fragte sie stockend.
Obie erwiderte nach einer Pause:»Ich werde nichts machen. Wenn ich kann, werde ich die Schwammsuchtigen gesund machen, und zwar so, da? sie es wahrnehmen. Das sollte Mr. Trelig den Rest geben. Aber ich erhalte vielleicht nicht die Gelegenheit dazu.«
»Es besteht also Gefahr?«fragte sie.
»Trelig hat Ihnen das mit der markovischen Stabilitat erklart. Er hat von der Moglichkeit eines markovischen Zentralgehirns irgendwo gesprochen, das alle Wirklichkeit aufrechterhalt. Wenn ich die Einstellung umkehre, besteht theoretisch eine gute Moglichkeit, da? Neu-Pompeii, wahrend es sich im Feld befindet, in der Primargleichung nicht existiert. Ich habe diese leichte Zugkraft bei Versuchspersonen unter dem Spiegel gespurt. Die Zugkraft auf eine Masse von diesem Umfang mag vielleicht nicht beherrscht werden konnen, weil meine Energie begrenzt ist, oder es mag auf jeden Fall mehr Zeit erfordern, als uns zur Verfugung steht, ihr entgegenzuwirken.«
Mavra Tschang dachte angestrengt nach, konnte der Logik aber nicht ganz folgen und sagte es.
Obie antwortete:»Nun, es besteht eine Chance von neunzig Prozent oder mehr, da? eine von zwei Moglichkeiten eintritt. Entweder werden wir alle aufhoren, zu existieren, werden wir jemals existiert
Mavra nickte grimmig.
»Es besteht auch die Moglichkeit, da? du damit zusammensto?en wirst. Du konntest das gro?e Gehirn und alle Existenz damit vernichten!«
»Diese Moglichkeit besteht«, raumte Obie ein,»aber ich schatze sie gering ein. Das markovische Gehirn hat im endlichen Raum lange Zeit bestanden; es besitzt ungeheures Wissen, Ressourcen und Schutzmechanismen, davon bin ich uberzeugt. Es besteht eine gleiche Moglichkeit, da? ich es ersetzen werde — und das beunruhigt mich am meisten, weil ich nicht genug wei?, um ganz Neu-Pompeii zu stabilisieren, geschweige denn das ganze Universum. Eine unserer Theorien besagt, da? die Markovier genau das vorhatten. Es sollte die Wirklichkeit aufrechterhalten, bis eine neue, frischere Rasse erscheint, um ihm eine neue Richtung zu geben. Die Aussicht erschreckt mich, aber es handelt sich naturlich nur um eine Theorie mit ganz geringem Wahrscheinlichkeitsfaktor. Nein, vieles spricht dafur, da? morgen mittag ich und ganz Neu-Pompeii auf die eine oder andere Weise aufhoren werden zu existieren.«