Mavra erforschte den ubrigen Teil des Gebaudes. Zwei Wachen — die sie nicht kannte — befanden sich mit den Kameramonitoren in der Waffenkammer. Bis an die Zahne bewaffnet, wurden sie schnell reagieren. Zwei andere schliefen im zweiten Stockwerk. Sie waren unbewaffnet, aber gefahrlich genug, und wenn der Alarm ausgelost wurde, konnte Mavra nicht feststellen, wo sie sich befinden wurden. Sie beschlo?, das Risiko einzugehen.

Sie bog ihr neues Giftsystem und sah die bewu?te Muskelkontraktion, die notwendig war, damit ein winziger Tropfen Gift die Nagelspitzen erreichte. Befriedigt schlich sie in den Raum, wo die zwei Aufseherinnen auf ihren Betten lagen und fest schliefen. Eine schnarchte laut.

Mavra handelte schnell, fast ohne nachzudenken, jagte zuerst in die still Schlafende Gift aus den Fingern ihrer rechten Hand, bevor sie sich umdrehte und in den Arm der Schnarchenden stach. Es war unfa?bar, aber beide wurden nicht wach.

Sie beugte sich uber eine der Frauen und flusterte:»Du wirst tief und fest schlafen, schone Dinge traumen, und nichts, weder Person noch Gerausch, soll dich wecken.«

Bei der anderen machte sie es genauso.

Das wurde reichen, bis das Gift seine Wirkung verlor.

Dann ging sie zur Waffenkammer. Die Tur ware nur mit einer Tonne Sprengstoff aufzubrechen gewesen, war aber vom Inneren her binnen Sekunden zu offnen.

Mavra zog ihre gestohlene Pistole und feuerte auf das Schlo? einen anhaltenden Feuersto?, der die harte Oberflache wellig machte. Darauf war sie konstruiert; die starksten Energiewaffen verstarkten die Turpanzerung noch, indem eine weichere Au?enschicht den Sperrmechanismus verschlo?. Wunderbar, wenn man Schmuck und Kunstwerke verwahrte; schrecklich, wenn sich jemand im Inneren befand. Bevor die beiden herauskonnten oder jemand einzudringen vermochte, wurde Trelig seinen eigenen Tresor sprengen mussen.

Zufrieden ging Mavra durch den Korridor und tastete den Code fur Nikki Zinders Zimmer ein.

Die Tur ging auf. Nikki lag auf dem Bett.

Mavra konnte kaum reagieren, bevor ein Betaubungssto? sie erstarren lie?.

Die Unterseite — 10.40 Uhr

Treligs Kommunikator summte. Er griff unter die Falten seines wei?en Gewands und loste ihn von einem kleinen Spanngurtel, hielt ihn an den Mund und druckte auf eine Taste.

»Ja?«fauchte er gereizt.

»Ziv, Sir«, meldete sich eine Stimme.»Wir haben die Vertreter, wie verlangt, geweckt. Eine ist nicht in ihrem Zimmer.«

»Welche?«fragte er stirnrunzelnd.

»Die mit dem Namen Mavra Tschang«, erwiderte Ziv.»Es ist einfach unfa?bar, Sir. Auf ihrem Bett befindet sich eine Hologramm-Projektion von ihr, so wirklichkeitsgetreu, da? sogar wir getauscht wurden — von der Kamera ganz zu schweigen. Und es gab keine erkennbare Erzeugungsquelle.«

Trelig uberlegte kurz.

»Ihr mu?t sie unbedingt finden«, sagte er.»Betaubt sie, wenn ihr konnt, aber wenn es um eine krasse Bedrohung von Leben oder Eigentum geht, habt ihr meine Erlaubnis, sie zu toten.«Er klemmte den Kommunikator wieder an und schaute sich nach der Hauptsteueranlage um. Gil Zinder, der in einem Klappstuhl sa?, bemerkte Treligs sorgenvolle Miene und lachelte schwach. Das argerte den Rat noch mehr — Zinder sollte gerade heute nicht so selbstsicher sein konnen.

»Was wissen Sie davon?«fuhr Trelig den kleinen Mann zornig an.»Heraus damit! Ich wei?, da? Sie dahinterstecken!«

Gil Zinder hatte nicht die geringste Ahnung, wovon der andere sprach, aber die Aussicht, da? etwas Unangenehmes im Gange war, erfullte ihn mit Befriedigung.

»Ich wei? nicht, wovon Sie reden, Treling. Wie kann ich hinter irgend etwas stecken, wenn ich hier festgehalten werde und nicht einmal an die Steuerung darf?«

Trelig funkelte ihn an, dann nahm er sich zusammen.

»Ich wei? es nicht, Zinder, aber Sie und Ihre Gore werden es teuer bezahlen, wenn hier irgend etwas danebengeht«, zischte er, Zinder seufzte.

»Ich habe alles getan, was Sie verlangen. Ich habe Ihre Anlage gebaut und uberpruft. Ihre Kreatur Yulin hat allein die Steuerung, und ich sehe meine Tochter nur unter Bewachung. Sie wissen sehr gut, da? ich nicht wei?, was Sie meinen.«

Trelig schnippte plotzlich mit den Fingern.

»Naturlich«, murmelte er vor sich hin.»Sie hat es auf das Madchen abgesehen.«

Er ri? seinen Kommunikator heraus.

»Kameras zugeschaltet«, meldete sich Obies Stimme.»Asteroiden-Ziel in siebzig Minuten in Position.«

Die Oberseite — 11.00 Uhr

Nikki Zinder starrte die regungslose Gestalt verwundert an.

»Sie ist niedlich«, sagte sie sachlich.»Und sie hat einen Schweif.«

Der Aufseher nickte, wahrend er Mavra die Pistole abnahm und zuruckwich. Es war einer der weiblich aussehenden Manner. Er glich den Frauen in den oberen Stockwerken, abgesehen von zwei Punkten: den Genitalien und der Gro?e, die bei ihm uber einsneunzig betrug, mit einem entsprechend kraftigen Korper.

»Bleib auf dem Bett, Nikki«, warnte er.»Sie kommt zu sich, und ich will nicht, da? dir etwas passiert.«

Mavra spurte ein Prickeln, als kehre die vorubergehend unterbrochene Durchblutung zuruck. Ihre Augen schmerzten, und sie vermochte zu blinzeln, immer wieder, bis Tranen der Erleichterung rannen. Sie war mit offenen Augen erstarrt.

Sie schuttelte ein wenig den Kopf, um klar zu werden, dann sah sie den Aufseher an.

»Also gut, Frau — oder was Sie sonst sein mogen —, was machen Sie hier und wie sind Sie hergekommen?«fragte der Aufseher.

Mavra hustete ein wenig.

»Ich bin Mavra Tschang«, entgegnete sie.»Ich bin beauftragt worden, Nikki von Neu-Pompeii vor dem gro?en Test fortzuholen.«

Es hatte keinen Sinn zu lugen.

»Mein Vater hat Sie geschickt, nicht wahr?«sagte Nikki stockend.

»In gewisser Beziehung«, erwiderte Mavra.»Ohne Sie kann man keinen Druck auf ihn ausuben.«

»Sie Miststuck!«sagte der Aufseher zornig.»Sie sind eine dreckige Ratte! Ihr Vater hatte Sie nie geschickt! Er wei?, da? Nikki dem Schwamm erliegt, wenn sie von hier fortgeht!«

Nikkis Kuhnheit und die offenkundige Sorge des Aufsehers munterten Mavra auf. Wie oft in Entfuhrungsfallen hatten Bewacher und Gefangene sich angefreundet. Daraus konnte man manchmal Nutzen ziehen. Sie beschlo?, es mit der ganzen Wahrheit zu versuchen. Die Zeit lief ohnehin ab, und sie hatte wenig zu verlieren.

»Horen Sie«, sagte sie,»ich will ganz offen sein. Der Versuch wird nicht so laufen, wie Trelig glaubt. Zinder hat ihm einiges vorenthalten. Wenn die Anlage eingeschaltet wird, besteht die gro?e Gefahr, da? sie die kleine Welt hier zerstort. Ich habe genug Schwamm in meinem au?erhalb geparkten Kreuzer, um ihr zu geben, was sie braucht, und ich kann ein Gegenmittel herstellen.«

»O gut! Aber Sie mussen Daddy retten!«rief Nikki.

Der Aufseher uberlegte kurz, aber bevor er reagieren konnte, kamen schwere Schritte die Treppe herunter, und eine Gestalt sturmte mit gezogener Pistole in den Raum.

Sie war volle zwei Meter gro?, muskulos, dicht behaart und schreckenerregend. Der Mann sah, da? der Aufseher die Lage beherrschte, und blickte auf Mavra hinunter.

Вы читаете Exil Sechseck-Welt
Добавить отзыв
ВСЕ ОТЗЫВЫ О КНИГЕ В ИЗБРАННОЕ

0

Вы можете отметить интересные вам фрагменты текста, которые будут доступны по уникальной ссылке в адресной строке браузера.

Отметить Добавить цитату