»Bedaure, Dr. Zinder«, entgegnete Obie bedruckt.»Der vorzeitige Test hat mich zum Handeln gezwungen. Sie wurden mit uns in den Strudel gerissen und sind inzwischen auf der Schacht-Welt abgesturzt.«
Der alte Wissenschaftler schien in sich zusammenzusinken. Trelig ging auf einen ganz anderen Punkt ein.
»Was hei?t,
»Ich bin ein Wesen mit eigenem Bewu?tsein, Rat«, erwiderte er verwundert.»Ich tue, was ich tun mu?, und trotzdem habe ich au?erhalb dieser Begrenzungen eine gewisse Handlungsfreiheit. Genau wie die Menschen.«
»Wie hast du die Welt genannt, auf der sie abgesturzt sind, Obie?«fragte Ben.
»Die Schacht-Welt«, antwortete der Computer.»Das ist ihr Name.«
»Die Schacht-Welt«, murmelte Ben Yulin und starrte die Konsole an, wahrend Trelig und seine Gegner wieder aufeinander feuerten.
»Obie«, sagte Yulin beinahe flusternd,»erzahl mir von dieser Schacht-Welt. Ist sie nur ein riesiger Markovier-Computer oder was sonst?«
»Ich mu? interpolieren, Ben«, entschuldigte sich Obie.»Ich erhalte diese Informationen schlie?lich stuckweise, und alles auf einmal. Nein, ich glaube aber nicht, da? dem so ist. Der Computer — der Schacht — ist der gesamte Kern des Planeten. Der Planet selbst scheint in weit mehr als tausend verschiedene und deutlich abgesonderte Biospharen aufgeteilt zu sein, jede ausgestattet mit ihrer eigenen beherrschenden Lebensform, mit eigener Flora, Fauna, Atmosphare und so weiter. Es ist wie eine riesige Zahl kleiner Planeten. Ich stelle mir diese als Prototyp-Kolonien fur spatere Einpflanzung ins Universum in ihre wahre, mathematisch exakte Umwelt vor. Sie sind lebendig, sie sind aktiv, sie existieren.«
Die beiden anderen horten gebannt zu.
»Die drei, die abgesturzt sind«, sagte Zinder stockend.»Haben sie… haben sie — uberlebt?«
»Unbekannt«, erwiderte Obie wahrheitsgema?.»Da sie nicht Teil der Schachtwelt-Matrix sind, hat der Computer sie nicht im Speicher. Selbst wenn sie es waren, wurde man sie wohl nicht unterscheiden konnen. Es gibt zu viele denkende Wesen da unten.«
»Warum fragt ihr ihn nicht etwas Praktisches, etwa wie, zum Teufel, wir hier herauskommen?«fauchte Trelig plotzlich.»Die Tatsache, da? nur noch ein Schiff da ist, macht die Sache nur noch dringender!«
Yulin nickte. Er dachte eine Weile angestrengt nach und hieb plotzlich mit der rechten Faust in die linke Handflache.
»Ich bin ein Narr!«rief er.»Naturlich. Obie, funktioniert dein kleiner Spiegel noch?«
»Ja, Ben, aber nur innerhalb seiner alten Grenzen. Der gro?e ist starr auf den Schacht-Computer eingestellt, bis ich oder jemand anderer dahinterkommt, wie wir ihn loslosen konnen, und im Augenblick habe ich da uberhaupt keine Vorstellung.«
»Okay. Der kleine ist alles, was ist jetzt brauche. Obie, du hast die Formel fur den Schwamm, nicht?«
»Selbstverstandlich«, kam die Antwort.»Aus dem Blut einer Reihe fruherer Versuchspersonen.«
»Mhm«, sagte Yulin.»Aktivieren und Energie zufuhren. Ich brauche eine kleine Menge Schwamm, sagen wir funf Gramm, in einem dichten Plastikbehalter. Und ich brauche zusatzlich ein Kilogramm des Stoffes mit den folgenden chemischen Ersatzbestandteilen…«
Er ratterte eine lange chemische Formel herunter. Die anderen sahen ihn erstaunt an.
Zinder begriff als erster, was Yulin vorhatte, und stohnte auf.
»Aber — das konnen Sie nicht
Aber Yulin konnte es, hatte es verlangt, und schon schwang der Spiegel sich uber die kleine Plattform hinaus, und das blaue Feld entstand.
»Was, zum Teufel, wollen Sie tun?«schrie Trelig.
»Er will die armen Kerle vergiften«, sagte Gil Zinder. Er sah zu Yulin auf.»Aber — warum? Mit Schwamm waren sie ohnehin wieder unter Ihrer Kontrolle.«
Yulin schuttelte den Kopf.
»Vielleicht oben — vielleicht. Aber nicht die Leute dort drau?en. Sie haben sich mit dem Tod schon abgefunden und sich festgelegt.«Er wandte sich an Trelig.»Achten Sie hier auf den alten Doc, wahrend ich den Stoff hole!«rief er, dann sturmte er die Treppe zur Plattform hinunter. Vorsichtig untersuchte er die beiden Packchen, holte Handschuhe und griff danach. Er traute Obie immer noch nicht ganz. Dann lief er wieder hinauf.
»Haben wir noch Sprechverbindung?«fragte er den Rat.
»Ich denke schon«, entgegnete Trelig,»wenn sie die Schaltungen nicht zerschossen haben. Versuchen Sie es!«
Yulin ging zur Wand und druckte auf eine Taste.
»Ihr da drau?en!«rief er und horte seine Stimme unheimlich aus der gro?en Wolbung drau?en widerhallen.»Hort zu! Wir haben Schwamm! Es ist nicht aussichtslos! Wir geben ihn euch, wenn ihr eure Waffen abliefert!«
Er schaltete das Sprechgerat auf Wiedergabe.
Drau?en wurde es plotzlich ganz still. Es kam noch keine Antwort, aber geschossen wurde auch nicht.
Nach einer schier endlosen Pause knurrte Trelig:»Sie haben es nicht geschluckt.«
Yulin furchtete das zwar auch, erwiderte aber:»Nicht so voreilig. Sie stimmen vermutlich ab. Und denken zum erstenmal an die Qualen, wenn sie nichts bekommen. Obwohl sie die Wirkung erst nach einer geraumen Zeit spuren, denken sie an nichts anderes.«
Und er hatte recht. Einige Minuten spater drohnte es aus dem Lautsprecher:»Okay, Yulin. Vielleicht kommt ihr raus. Aber woher wissen wir, da? ihr nicht lugt? Wir wissen, wieviel Schwamm geliefert wird, bis aufs Gramm genau.«
»Wir konnen ihn herstellen, soviel ihr wollt«, erwiderte Yulin gepre?t.»Ich beweise es euch. Schickt einen Abgesandten uber die Brucke. Irgend jemanden. Ich werfe funf Gramm hinaus. Versucht es. Ihr werdet wissen, da? ich die Wahrheit sage.«
Es blieb wieder lange still, dann sagte dieselbe Stimme:»Gut. Ich komme heruber. Aber wenn ich es nicht schaffe oder der Stoff nichts taugt, legen euch die anderen sechs um, und wenn es das letzte ist, was sie tun — und oben sind noch genug von uns. Sie wissen, was hier unten vorgeht.«
Yulin grinste vor sich hin. Auch das war eine nutzliche Information. Die Sprechverbindungen zur Oberflache bestanden noch.
Einige Minuten spater konnte man eine einsame Gestalt uber die Brucke gehen sehen. Es war eine kleine, zerbrechlich aussehende Gestalt, entweder ein sehr junges Madchen oder einer der Manner mit Frauenkorper. Es spielte keine Rolle.
Der ehemalige Aufseher blieb zehn Meter vor dem Eingang stehen.
»Ich bin hier«, teilte er (sie?) mit.
Yulin griff nach dem kleinen Beutel Schwamm.
»Hier kommt es!«rief er und warf ihn auf die Brucke hinaus.
Der Aufseher hob ihn auf, ri? ihn auf und zog das winzige Stuck gelbgrunen Schwamms heraus, das eigentlich ein richtiges Lebewesen war. Es war auch tatsachlich ein Schwamm, Bewohner einer schonen Welt, die vor Jahrhunderten durch eine Vorauskolonie der Menschen besiedelt worden war. Das Zusammenwirken von fremden Bakterien mit einigen der synthetischen Elemente in den Nahrungsvorraten der Kolonisten hatte das Grauen hervorgebracht, durch das Trelig und sein riesiges Syndikat so machtig geworden waren. Der neue mutierte Stoff hatte jede Zelle der menschlichen Korper durchdrungen und lebenswichtige Substanzen verdrangt. Die Zellen leisteten nicht den geringsten Widerstand, ja, sie erzeugten den Stoff sogar selbst, sobald er einmal eingedrungen war. Die erste Verseuchung war nicht umkehrbar. Eine geringe Menge verursachte keine erkennbaren au?eren Veranderungen, aber vorhanden war sie. Eine gro?e Menge, wie die Aufseher sie erhalten hatten, verursachte Deformierung, betonte die gegenlaufigen Sexualmerkmale oder rief, wie bei Nikki Zinder, unaufhaltbare Fettsucht oder ahnlich schreckliche Folgen hervor.
Der Organismus war jedoch vollkommen parasitar. Er verzehrte den Wirt, vor allem sein Gehirn, dessen Zellen in rascher Progression unwiderruflich abstarben. Ohne Behandlung zerstorte der mutierte Stoff den Geist lange vor dem Korper; es war ein sehr schmerzhafter Vorgang. Man wu?te, was geschah, wu?te es, bis die