Der Schlangenmann machte ein finsteres Gesicht. Von allen Botschaftern hier sa? er allein hier in der Zone Sud fest. Er konnte sie nie verlassen, nie zuruck nach Ulik gehen. Das war der Preis, den er bezahlte. Von Rechts wegen hatte er schon vor zwei Jahrhunderten an Altersschwache sterben mussen. Das war nicht geschehen, aber es lag an einer saftigen Erpressung der Magren, einem Sechseck, wo eine gewisse ›Magie‹ moglich war und die Bewohner die Kraft des Schach-Welt-Computers ein wenig anzuzapfen vermochten, um bestimmten Gesetzen zu trotzen. Sie hatten ihm einen jugendlichen Korper gegeben, und so blieb er, aber das kostete seinen Preis. Die Magie wirkte nicht au?erhalb des Sechsecks, in dem sie ausgeubt wurde. Die Spielregeln anderten sich auf der Schacht-Welt 1560 mal — die Anzahl der Sechsecke und Rassen, die es gab. In manchen erlaubte der Schachtcomputer volle technologische Entwicklung, in anderen war die Technologie beschrankt — etwa auf Dampf. In einigen, wie in Teliagin, funktionierte gar nichts. Die Krafte, die Moglichkeiten, sogar die Zusammensetzung der Atmosphare veranderten sich von Sechseck zu Sechseck und wurden vom Schachtcomputer aufrechterhalten, der den ganzen Kern des Planeten ausmachte.
In der Sud-Zone funktionierte fast alles. Der hier ausgeubte Jugendzauber hielt. Aber sollte er, der Schlangenmann, je fortgehen, sei es auch nur, um die Sonne, den Himmel und die Sterne zu sehen, wurde der Zauber nichtig sein und er augenblicklich schneller Alterung unterworfen sein.
Ortega lie? sich mit der Botschaft von Lata verbinden. Als sich eine hohe, angenehme Frauenstimme meldete, sagte er:»Sie kennen die Lage, Hoduri?«Er fuhrte die wesentlichen Punkte noch einmal an.»Sehen Sie? Sie sind die einzigen, die an die Besucher herankonnen. Es ist gefahrlich und schwierig, aber wir brauchen sie unbedingt.«
»Ich werde sehen, was ich tun kann«, erwiderte die Lata.»Ich melde mich ungefahr in einer Stunde.«
»Gut«, sagte Ortega,»aber es ist sehr dringend. Und wenn Sie eine Ihrer Burgerinnen namens Vistaru finden und sie beiziehen konnen, ware das noch besser. Sie ist ein Neuzugang aus dem Raumsektor, aus dem unserer Meinung nach diese Leute kommen, und konnte vielleicht dolmetschen. Wir haben fruher schon zusammengearbeitet. Sagen Sie ihr, da? ich es bin, der darum bittet, und erklaren Sie ihr alles.«
»Ja, wenn wir sie finden konnen«, entgegnete Botschafterin Hoduri.
Ortega bedankte sich, schaltete ab und hatte sich kaum wieder uber seine Karten gebeugt, als wieder das Interzonen-Gerat summte. Es war der Botschafter von Czill.
»Hallo? Vardia? Serge Ortega!«sagte er drohnend.
»Ortega!«erwiderte das andere Wesen, offenbar von Ortegas Stimme nicht so begeistert, wie dieser von seiner. Es war ein»es«- die Czillaner waren mobile, eingeschlechtliche Pflanzen.
»Das Krisenzentrum in Czill mu? sofort in Aktion treten«, fuhr er fort.»Ihre Computer sind die besten auf der Schacht-Welt, und wir brauchen Koordinierung.«Er schilderte kurz die Lage.
»Und was unternehmen Sie jetzt?«fragte Vardia.
»Ich habe Lata hineingeschickt. Sie sollen versuchen, den Piloten zu retten, wenn er noch lebt, und alle anderen, die gefunden werden. Ich habe alle neun Kapseln ausfindig gemacht. Sie befinden sich alle im Westen, verstreut in sudwestlicher Richtung, und wenn ich das wei?, wissen andere es auch. Vardia, darunter befindet sich die Antriebskapsel. Intakt! Darauf wette ich! Es gibt keine Moglichkeit, sie in irgendeinem Hex hier zu bauen. Das andere la?t sich an verschiedenen Stellen konstruieren. Wer auch immer die Teile des Schiffes bergen kann, vor allem die Antriebskapsel, ware vielleicht in der Lage, ein Raumfahrzeug zu bauen, das fliegt. Wenn es im richtigen Winkel gestartet wird, kann es von der Schacht-Welt loskommen. Wenn ich daran denke, tun andere es auch. Ich spreche von
»Krieg ist unmoglich«, gab Vardia zuruck.»Triff Dhala hat das vor uber elfhundert Jahren bewiesen, als er den Gro?en Krieg verlor.«
»Aber der galt der Eroberung«, betonte Ortega.»Hier ginge es um begrenzte Ziele. Ich wette, da? funf Dutzend Herrscher gerade Dhalas ›Theorie der Kriegfuhrung auf der Schacht-Welt‹ lesen. Ein Raumschiff, Vardia! Bedenken Sie!«
»Das will ich nicht. Aber — ich gebe alles an das Zentrum weiter. Wenn die Gelehrten und Computer Ihnen recht geben, wird es geschehen.«
»Das ist alles, was ich verlange«, sagte der Ulik und schaltete ab. Wenn die Insassen der Kapsel uberlebt hatten und der Pilot sich auskannte, wurde er begreifen, da? Meer und Berge im Osten lagen und er dorthin mu?te, um den Riesenwesen von Teliagin zu entkommen. Wenn sie Kromm erreichen konnten und es ihnen nichts ausmachte, na? zu werden, mu?ten sie es schaffen.
»Geben Sie mir noch einmal die Botschafterin von Lata, ja?«sagte er in sein Sprechgerat.»Ich wei?, da? sie nicht da ist, aber ich spreche mit einem Gehilfen.«
Seine Augen kehrten zur Karte zuruck. Die Lata mu?ten rechtzeitig eintreffen. Sie
Liftkabine vor Erreichen der Oberflache von Neu-Pompeii
»Sie sind zu verkrampft«, sagte Antor Trelig zu Ben Yulin.»Entspannen Sie sich. Werden Sie zu Mavra Tschang. Verhalten Sie sich wie sie, handeln Sie wie sie,
Yulin nickte. Er trommelte mit den Fingern auf die Armlehnen und bemerkte plotzlich einen winzigen Tropfen Flussigkeit. Er starrte die zehn Finger neugierig an. Ein Rohrchen in allen, starr und von einem kleinen Muskel bewegt. Gift?
Er beschlo?, das bei Gelegenheit auszuprobieren.
Eine Warnlampe leuchtete auf, und die Kabine wurde langsamer.
»Also, es geht los«, sagte Trelig, als die Kabine hielt.
Gil Zinder konnte nichts tun; seine Personlichkeit war in den Hintergrund gedrangt. Er war Nikki Zinder, und er mu?te sich so verhalten.
Die Tur ging auf, und sie traten hinaus in die warme, frische Luft und den hellen Sonnenschein. Alles hatte sich ein wenig verandert — es gab Schatten, die Sonne stand in einer anderen Entfernung und hatte eine etwas andere Farbe, was alles anderte, und da oben war der Planet, der ein Zehntel des Himmels ausfullte.
Sie hielten alle den Atem an. Nichts hatte sie auf diesen Anblick vorbereitet: eine schimmernde, silberne, facettenreiche Kugel, die in der Sonne glitzerte; unter Wolkenwirbeln war sie im Suden blau, wahrend der Norden von Rot- und Gelbtonen uberflutet zu sein schien. Die Verzerrungen des Plasmaschildes lie?en sie geisterhaft erscheinen.
»O Mann!«stie? Gil hervor.
»Los!«sagte Trelig, wie immer praktisch eingestellt.»Stellen wir fest, wer hier das Sagen hat!«
Mehrere Aufseher und ein, zwei Sklavinnen liefen ihnen entgegen, um sie zu begru?en.
»Renard! Gott sei Dank!«sagte jemand, und Trelig stellte fest, da? er nicht wu?te, in welcher Beziehung diese Leute zueinander standen. Aber er kannte ihre Namen und ihre Herkunft, und das half.
»Destuin!«rief er und umarmte den kleinen Mann. Nein, richtig, Destuin war eine Frau, dachte er zornig.
Er sah die Leute ernsthaft an.
»Dank wofur?«fragte er dumpf.»Fur weitere funf Tage?«
Das schien sie genug abzulenken, um weitere Vergleiche zu unterlassen.
»Wo sind die anderen Gaste?«fragte Ben.
»Irgendwo«, sagte einer der Aufseher.»Wir haben sie wenig gestort, und sie haben sich von uns ferngehalten. Es spielt keine Rolle. Ihr sitzt genauso in der Klemme wie wir.«Der Aufseher deutete zur Schacht- Welt hinuber.»Seht ihr den kleinen schwarzen Punkt vor dem Planeten? Dort unter dem Spalt?«
Ben starrte hinuber und entdeckte ihn schlie?lich — ein winziges schwarzes Punktchen, wie ein Loch in der gro?eren Welt. Es bewegte sich.
»Das ist eine Robotstation«, sagte der Aufseher.»Sie schie?t jeden ab, der mit einem Schiff abzuhauen versucht. Nur Trelig hat die Codeworter gekannt, und er ist tot. Ihr werdet also uns sterben sehen, aber in vier, funf Wochen geht euer Essensvorrat zur Neige, und dann seid ihr auch dran. Oder ihr konnt mit dem letzten Schiff