Direktverbindung mit Vardia ein.

»Czill«, meldete sich die Stimme.

»Hier Ortega. Wir haben noch eine Landung im Norden. Kummern Sie sich darum. Schon etwas uber Teliagin bekannt?«

»Hmm, im Norden«, sagte das Pflanzenwesen nachdenklich.»Nein noch nichts. Die Lata haben sich aber sofort auf den Weg gemacht. Nur Geduld, Serge. Es sind schlie?lich erst zwei Tage!«

»Geduld ist etwas fur die Toten, die sie sich leisten konnen«, knurrte Ortega und schaltete ab.

Teliagin

Selbst zu Fu? sind zwanzig Kilometer eigentlich gar nicht so weit wenn man wei?, wohin man will. Aber der Sonnenaufgang am zweiten Tag hatte dichtes Gewolk gebracht, das die Sonne vollig verbarg. Die ganze Nacht hindurch war fernes Trommeldrohnen zu horen gewesen, Botschaften, die in einer unverstandlichen Sprache durch das ganze Sechseck gingen.

Mavra Tschang vermutete, da? es sich um Spekulationen uber die fremden, kleinen Wesen handelte, die mit einer Art fliegender Maschine abgesturzt waren und nun irgendwo im Land herumliefen.

Wenigstens regnete es nicht; dafur waren sie dankbar. Aber es blieb den ganzen Tag dunkel und drauend. Sie konnten die Sonne nicht sehen und die Richtung nicht an ihr bestimmen. Sie wu?te nicht, wohin sie unterwegs waren. Naturlich hatte sie die ostliche Richtung eingeschlagen, aber der Wald war dicht, sie mu?ten Wiesen und Wege meiden, und wer wu?te, ob sie noch auf dem richtigen Pfad waren?

Das einzig wirklich Erfreuliche waren die Apfel gewesen. Wenigstens sahen sie wie Apfel aus, auch wenn sie auf Strauchern wuchsen und eine seltsame purpurrote Haut hatten. Fast verzweifelt hatte sie das Risiko auf sich genommen. Die gro?en Nagetiere fra?en die Fruchte unbekummert, und sie lie? sich davon anregen. Nikki war trotz der Appetitzugler immer noch die Hungrigste, und man hatte sie wohl ohnehin nicht mehr lange zugeln konnen. Mavra lie? das Madchen eine Frucht essen. Sie wu?te, da? sie eigentlich ein paar Stunden warten sollten, aber als sie erklarte, der Apfel sei su? und schmackhaft und leicht zu kauen, wurde die Versuchung fur Mavra zu gro?.

Der zweite Tag war viel ertraglicher gewesen als der erste. Trotzdem lie? Mavras Unbehagen nicht nach. Auch die beiden anderen hatten inzwischen die Riesenzyklopen gesehen, die Handkarren auf den Wegen schleppten und Herden von Tieren huteten, die wie gewohnliche Schafe aussahen.

Gro?e Veranderungen waren bei den beiden Schwammsuchtigen noch nicht zu erkennen, aber Mavra wu?te, da? das tauschte. Im normalen Gesprach gab es wenig Unterschiede zwischen einem IQ von 100 und einem solchen von 150. Es stand au?er Frage, da? Nikki schneller verkommen wurde; sie war knapp uber dem Durchschnitt, kein Genie.

Als es am Ende des zweiten Tages dunkel wurde, waren die Berge noch immer nicht zu sehen, und die Landschaft schien sich kaum verandert zu haben. Die Luft war kuhl, und es nieselte leicht.

Nikki schlief, wie gewohnt, als erste. Sie sa? eine Weile mit Renard zusammen und wu?te wenig zu sagen. Er hatte den Arm um sie gelegt und pre?te sie an sich, aber das war kein Versuch, romantisch zu werden.

Schlie?lich sagte er:»Mavra, glauben Sie wirklich, da? das alles einen Sinn hat? Wir beide wissen, da? wir nicht einmal eine Ahnung haben, wo wir sind oder was hinter dem nachsten Hugel liegt oder ob es nicht derselbe Hugel ist, den wir schon einmal uberstiegen haben.«

»Alles hat einen Sinn, bis man tot ist«, erwiderte sie gereizt.

»Glauben Sie wirklich? Ist das nicht nur zur inneren Aufmunterung?«

Sie starrte in die Dunkelheit.

»Ich bin von einer rauhen Frachterpilotin aufgezogen worden. Wohl nicht die ideale Mutter, aber sie hat mich auf ihre Weise geliebt, und ich liebte sie. Ich bin im Weltraum aufgewachsen, das gro?e Frachtschiff war mein Spielplatz, alle paar Wochen kamen neue Hafen, glitzernd und aufregend.«

»Mu? einsam gewesen sein«, meinte er.

»Nein, gar nicht. Fur mich war das ja normal. Und es hat mich gelehrt, allein sein zu konnen. Das war wichtig, weil meine Mutter viele illegale Dinge trieb. Das machen die meisten Frachterkapitane, aber bei ihr mu? es sehr bedeutsam gewesen sein. Die Kom-Polizei fa?te sie, und das Schiff wurde beschlagnahmt. Ich war damals dreizehn und kaufte gerade in den Laden am Raumflughafen ein. Ich konnte nichts tun, mich nicht einmal zeigen. Also blieb ich auf Kaliva.«

»Hatten Sie nie Schuldgefuhle, weil Sie nicht versucht haben, sie herauszuholen?«

»Nein, ich glaube nicht. Ich hatte naturlich alle moglichen Ideen, aber ich bekam keine Chance, sie auszufuhren. Es ging alles viel zu schnell. Nein, ich war allein.«

»Ihrem Ton nach mogen Sie die Kom-Welten nicht sehr, wie?«

»Man hat meine Familie ermordet«, zischte sie.»Ich war kaum alter als funf Jahre, aber ich erinnere mich an sie. Ich erfuhr spater von Maki, meiner Stiefmutter, wie alles gewesen war. Sie heuerten einen Raumfahrer an, der mich fortschaffen sollte, weil sie sahen, da? sie selbst nicht mehr wegkamen, als ihre Welt in den Kom- Verband ging. Ich erinnere mich seltsamerweise nach all den Jahren noch immer an den Piloten. Ein seltsamer kleiner Mann in farbenfroher Kleidung mit machtiger Stimme, teilweise recht zynisch, aber er hatte eine Sanftheit und Gute an sich, die zu verbergen er verzweifelt bemuht war, ohne da? es ihm gelungen ware. Seltsam — ich bin mir nicht einmal sicher, wie er hie?, und ich war mit funf Jahren nur einige Tage mit ihm zusammen, aber er ist fur mich so real wie meine Stiefmutter. Ich vertraute ihm einfach, ich wei? selbst nicht, warum. Ich bin nie mehr einer solchen Person begegnet.«

»Haben Sie je versucht, ihn zu finden?«fragte Renard.

»Ich hatte in den folgenden Jahren zuviel damit zu tun, am Leben zu bleiben«, erwiderte sie achselzuckend.»Bis ich die Mittel dazu besa?, war er wohl schon tot. Ich mu? zugeben, da? eine Reihe von Leuten ihn nach meiner Beschreibung zu erkennen schien, aber es gab nichts Greifbares. Manche sagten, ich sprache von einer Legende, einem mystischen Raumschiffkapitan, der nie existiert habe, eine epische Gestalt, wie es sie in vielen Berufszweigen gibt. Einmal bin ich einem Kapitan begegnet, einem alten Veteranen, der erklarte, den Mann gabe es wirklich irgendwo, und er sei sehr alt, angeblich unsterblich, zuruckreichend bis in die Vorgeschichte.«

»Und wie hei?t diese Legendengestalt?«

»Nathan Brazil. Ist das nicht ein seltsamer Name? Irgend jemand sagte, Brazil sei der Name eines vorgeschichtlichen Ortes, einer der fruhen Raumfahrtmachte.«

»Der Ewige Jude«, murmelte Renard.

»Wie?«

»Eine uralte Legende bei einigen der fruheren Religionen«, sagte er.»Es gibt, glaube ich, noch ein oder zwei christliche Planeten. Sie sind die Nachkommen einer noch obskureren und alteren Religion, des Judaismus. Die gibt es noch, diese Leute — irgendwo verstreut. Wahrscheinlich traditionell die gro?te Bin —«Er verstummte und sah sie betroffen an.»Bin —«

»Bindekraft?«sagte sie.

»Das ist es. Warum ist mir das Wort nicht eingefallen?«Er ging nicht weiter darauf ein, aber Mavra hatte ein unheimliches Gefuhl. Eine Kleinigkeit, aber bedeutsam.

»Jedenfalls gab es diesen Mann, der judisch war und behauptete, Gottes Sohn zu sein. Deshalb toteten ihn die damaligen Machthaber, weil sie befurchteten, er konnte eine Revolution anzetteln. Angeblich soll er von den Toten auferstanden sein. Ein Jude soll ihn bei seiner Hinrichtung verflucht und erfahren haben, er werde am Leben bleiben, bis dieser Gott-Mensch wiederkehre. Dieser Nathan Brazil hort sich an wie die Modernisierung dieser Legende.«

Sie nickte.

»Ich habe an diese Dinge nie geglaubt, nicht an Unsterbliche, die Raumschiffe steuern, aber viele Raumfahrer, die an nichts anderes glauben, halten das fur wahr.«

»Das erklart vielleicht, was mit Ihnen geschehen ist«, sagte Renard lachelnd.»Wenn die Legende weit verbreitet ist, dann konnte vielleicht jemand, der ihn kannte, ihn imitieren und die anderen Raumfahrer davon uberzeugen, er sei diese legendare Gestalt. Sie wurden fur ihn Dinge tun, die ein anderer nicht erwarten

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