nichts zu tun, wie?«

Ortega lehnte sich bequem zuruck.

»Na, wenn das keine interessante Idee ist!«sagte er spottisch.»Vielen Dank fur den Hinweis.«

Wenn es einen aufrichtigen, ehrlichen, geraden Knochen in Serge Ortegas massivem Korper gab, hatte ihn noch keiner gefunden.

Vardia beschlo?, das Thema zu wechseln.

»Glauben Sie, da? sie es tun werden — die Neuzugange melden, meine ich?«

»Ein paar werden es vielleicht tun«, sagte Ortega grimmig.»Lata, Krommianer, Dillianer, Czillaner und dergleichen. Die meisten nicht. Sie werden entweder versuchen, sie zu beseitigen — was ein Fehler ware, den sie schwer bereuen wurden —, oder sich mit ihnen zusammentun. Spannen Sie die Leute mit einer ehrgeizigen, habgierigen Regierung zusammen, und Sie haben den Ausloser fur den Krieg, von dem ich gesprochen habe. Eine Allianz und eine Pilotin fur das Schiff. Selbst einen Wissenschaftler, der vielleicht bereit ware, beim Wiederaufbau mitzuhelfen.«Er starrte Vardia an und fuhr fort:»Und was Mavra Tschang betrifft — wenn wir sie haben, konnen wir die Dinge beeinflussen. Wenn wir sie durch den Schacht fuhren, haben die anderen sie.«

Makiem

Er wurde wach und offnete die Augen. Einen Augenblick lang fand er sich nicht zurecht, dann kehrte langsam seine Erinnerung zuruck.

Er war in die Schwarze in der Wand gegangen — ein hochst merkwurdiges Gefuhl, als begebe man sich in eine Umarmung — warm, eng, angenehm, etwas, das er noch nie erlebt hatte. Ein schwebender, traumender Schlaf, nur konnte er sich an die Traume nicht erinnern.

Sein Sehen wirkte seltsam, aber er brauchte eine Weile, bis er begriff, woran es lag. Die Tiefenwahrnehmung hatte stark zugenommen, alles trat scharf hervor, und er hatte das seltsame Gefuhl, da? er bis auf den Zehntelmillimeter genau sagen konnte, wie weit alles entfernt war. Auch die Farben wirkten satter und leuchtender.

Plotzlich begriff er. Ich sehe zwei Bilder, dachte er. Auf beiden Seiten hatte er ein Panorama von fast achtzig Grad; an der Peripherie konnte er beinahe hinter sich sehen. Aber unmittelbar vor ihm befand sich ein leerer Punkt. Kein Strich, keine Trennlinie — das, was sich direkt vor ihm befand, war einfach knapp au?erhalb seiner Sichtweite.

Auf der rechten Seite bewegte sich etwas, und instinktiv bewegte sich sein rechtes Auge ein wenig, um es zu erfassen. Ein gro?es Insekt — sehr gro?, so gro? wie eine Mannerfaust surrte vorbei wie ein kleiner Vogel. Er brauchte wieder einige Zeit, bis ihm klar wurde, da? er das rechte Auge unabhangig vom linken bewegt hatte.

Er lenkte beide Augen nach vorn, so weit es ging. Er schien eine Art Schnauze zu besitzen; sein Mund war gro? und ragte weit nach vorn. Er war sich bewu?t, da? er bequem auf allen vieren lag, und hob die Hand ans rechte Auge, um sie zu sehen.

Es war eine sonderbare Hand, zugleich menschlich und auch nicht. Vier sehr lange Finger mit Schwimmhauten und ein opponierender Daumen, alle auslaufend in eine kleine, saugerartige Spitze, wo der Fingerballen sein sollte. Hand und Arm waren von dunklem Erbsengrun, hier und dort bedeckt mit braunen und schwarzen Flecken. Die Haut sah zah und ledrig aus wie die einer Schlange oder eines Reptils.

Das bin ich wohl, dachte er. Eine Art Reptil. Die Landschaft pa?te sehr gut dazu: dschungelartig mit uppigem Dickicht und hohen Baumen, die beinahe die Sonne verbargen. Mitten durch die dichte Vegetation schien, fast unfa?bar, eine Kiesstra?e zu fuhren. Es war tatsachlich eine Stra?e, sogar in sehr gutem Zustand.

Er wollte die Stra?e gerade betreten, als wieder eines der gro?en Insekten vorbeikam. Beinahe ohne zu uberlegen, offnete er den Mund, und eine ungeheuer lange Zunge scho? hinaus, traf das Insekt und wickelte sich um das Wesen herum. Dann wurde die Zunge in seinen Mund zuruckgezogen, er kaute und schluckte. Das Insekt hatte nicht viel Geschmack, aber es schien seinen nagenden Hunger ein wenig zu stillen.

Die Schacht-Welt verandert einen in vieler Beziehung, dachte er. Und trotzdem war er innerlich noch Antor Trelig. Er erinnerte sich an alles, was geschehen war, und bedauerte nichts bis auf die Tatsache, da? er zu niedrig uber die Schacht-Welt geflogen war.

Bin neugierig, wie ich mich fortbewege, dachte er. Er starrte die Stra?e an und ging darauf zu. Zu seiner Uberraschung schnellten sich seine Beine ab, und er war mit zwei gro?en Sprungen dort. Es war sehr angenehm — beinahe wie Fliegen.

Er versuchte, normal zu gehen, und stellte fest, da? auch das ging, auf allen vieren, aber eher watschelnd. Springen war die normale Fortbewegung fur diese Rasse.

Er schaute in beide Richtungen, entschied sich aufs Geratewohl fur eine und hupfte weiter, bis er in der Ferne andere Wesen sah.

Vor ihm befand sich ein Hain von Riesenbaumen, abseits des eigentlichen Waldes, neben einem kleinen See. Es gab Hauser in diesen Baumen — komplizierte Strukturen, zwischen den Asten geflochten aus irgendeinem stroh- oder bambusartigen Material, das gewi? in den Sumpfen wuchs.

Eines der Wesen erschien in der unteren Tur eines der Hauser, schaute sich um, trat hinaus und lief an dem fast senkrechten Baum hinunter. Trelig begriff, wozu die Saugnapfe dienten.

Das Wesen hatte mit nichts solche Ahnlichkeit wie mit einem Riesenfrosch. Die Beine wurden endlos lang, wenn sie zum Gehen ausgestreckt wurden. Vom Unterkiefer bis zu den Huftgelenken war die Farbung grunlichbraun, sonst fleckiggrun.

Das Wesen ging zu einer gro?en Holzkiste auf einem Pflock an der Stra?e, richtete sich auf den kraftigen Hinterbeinen auf, hob den Deckel und schaute hinein. Es nickte und holte ein paar gro?e, braune Umschlage heraus. Trelig begriff erstaunt, da? es sich um einen Briefkasten handelte.

Er naherte sich langsam, das Wesen richtete ein Auge auf ihn und nickte hoflich. Er spurte, da? es zornig war, aber der Zorn schien nicht ihm zu gelten.

»Guten Tag, Sir«, sagte der neue Frosch zu dem einheimischen.»Schoner Tag, nicht?«

Ortega hatte also recht gehabt: Die Sprache wurde einem mitgegeben.

Der andere schnob verachtlich.

»Sie arbeiten wohl fur die Regierung, wenn Sie so etwas sagen konnen«, gab er zuruck. Er hielt einen der Umschlage hoch.»Steuerforderungen, nichts als Steuerforderungen. Ich wei? nicht, wie die Halunken sich einbilden, da? ein ehrlicher Mann heutzutage seinen Lebensunterhalt verdienen soll.«

Trelig nickte mitfuhlend.

»Nein, ich arbeite nicht fur die Regierung, auch wenn das noch kommen kann. Aber ich verstehe Ihre Probleme und fuhle mit Ihnen.«

Das schien den anderen zufriedenzustellen. Er offnete einen anderen Umschlag und zog ein langes, gelbes Blatt Papier heraus. Er warf einen Blick darauf und zerknullte es argerlich.

»Zuerst zapfen sie einem das Blut ab, dann verlangen sie auch noch Gefalligkeiten!«

»Wie?«

»Alle Neuzugange, denen man begegnet, sofort der Ortspolizei melden«, fauchte er.»Wofur bezahle ich eigentlich soviel Steuern? Damit ich fur andere die Arbeit mache, wahrend sie auf ihrem fetten Hintern herumsitzen?«

Trelig warf einen Blick auf die Steuerforderung, konnte aber nichts lesen. Offenkundig betrachtete der Zentralcomputer Lesen nicht als notwendige Fahigkeit.

»Sie haben doch keinen Neuzugang gesehen, oder?«fragte der andere.»Vielleicht bilden wir einen Suchtrupp und schreien in der Gegend herum.«

»Nein, ich habe keinen Neuzugang gesehen. Sie etwa? Auch fruher, meine ich?«

Der andere schuttelte den Kopf.

»Nie. Und werde auch keinen sehen. Sind Sie schon lange unterwegs?«

Trelig nickte.

»Sie wollen sicher nach Druhon zu den Prufungen fur den Staatsdienst.«

»Ja, genau erraten«, antwortete Trelig.»Wenigstens habe ich dort Gelegenheit, einmal zu beobachten, wie

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