Volk. Endlich waren alle fort; sie wurden in unsere Vorfahren verwandelt. Die Markovier waren wir, wir die Markovier.«
Eine Anzahl der Gebildeteren nickte dazu. Es war eine alte Theorie, eine von Tausenden, die man aufgestellt hatte, um das Ratsel der Markovier zu erklaren.
»Aber obwohl das Wahrheit ist, denn wir wissen alle davon, bleibt ein Ratsel, die ewige, letzte Frage. Die Markovier entstanden bald nach Anbeginn der Zeit; sie waren die erste Rasse, die Eltern all jener, die danach kamen. Und wenn dem so ist, wer hat die Markovier geschaffen? Im Verlauf der Geschichte kannte die Menschheit — und auch die anderen Rassen, mit denen wir in eine Partnerschaft eingetreten sind — viele Religionen. Die eine hat viele Gotter, andere haben einen Gott, aber alle besitzen eine ubereinstimmende Vorstellung von der Erschaffung der Welt. Alle haben in ihrem Mittelpunkt einen Hauptgott, einen ersten Beweger: denjenigen, der alles andere geschaffen hat. Es gibt IHN, meine Kinder! Es gibt IHN, und ER ist immer noch hier, beobachtet immer noch unsere Fortschritte und urteilt uber uns. Unsere Ersten Mutter kannten IHN, und ER fuhrte sie zum Schacht der Seelen, wo sie zweimal wiedergeboren wurden. Durch die Prinzipien des Schachtes wurden diese Ersten Mutter gro?er als je zuvor gemacht, und sie und ihre Kinder und Kindeskinder wurden hierher zuruckgebracht als lebendes Zeichen dafur, da? Gott existiert, da? der Schacht existiert, da? wir Zustande erreichen konnen, viel hoher als jene, in die wir hineingeboren wurden, wenn wir IHN nur suchen. Denn wenn wir die Wahrheit und seine Gro?e und Allmacht erkennen, wenn wir IHN finden und nur darum bitten, wird fur uns hier ein Paradies entstehen. Und es ist moglich, das zu tun, meine Kinder. Es ist moglich, IHN zu finden, wenn wir nur suchen, und das ist es, was wir tun mussen, alle tun mussen, bis ER gefunden ist. Denn Gott ist unter uns, Kinder!«Ihre Stimme schwoll an. »ER hat aus einem nicht bekannten Grund eine Form wie Eure gewahlt. ER konnte heute hier sein, heute abend, neben einem von Euch sitzend, darauf wartend, da? ER gefragt wird, da? man IHN erkennt. Wir kennen seinen Namen. Wir brauchen nur zu fragen. Bei den Ersten Muttern nannte ER sich Nathan Brazil!«Sie waren von der Botschaft tief bewegt und halb uberzeugt, aber fur manche war es eine Enttauschung. Alles Rationale war mit einem fragwurdigen Punkt der Logik zu einer Glaubenssache gemacht.
»Bist Du da, HERR? Ist einer von Euch Nathan Brazil?«rief sie. Niemand meldete sich oder machte eine Bewegung. Das war besser als andernorts, wo vereinzelte Spa?vogel sich fur Gott ausgegeben und den Gottesdienst gestort hatten. Insgeheim war Yua froh, wenn bei solchen Gelegenheiten niemand sich meldete.
»Unsere Ersten Mutter waren einmal menschlich wie Ihr«, fuhr sie fort. »Durch die Gnade von Nathan Brazil und durch den Schacht der Seelen wurden sie zu etwas anderem: zu Olympierinnen. Wir sind immun gegen Eure Krankheiten und kennen keine eigenen. Wir konnen bei weit unter Null behaglich unbekleidet sein, und fur den Siedepunkt des Wassers gilt dasselbe. Wir sehen Farben, die ihr nicht seht, horen Gerausche, die ihr nicht hort, und unsere Starke ist die von zehn gewohnlichen Frauen. Wenn die Atmosphare vorwiegend aus Chlor besteht, atmen wir sie. Wenn sie hauptsachlich aus Kohlenmonoxyd ist, atmen wir sie. Wenn sie aus Wasser besteht, atmen wir sie. Selbst im Vakuum des Weltraums konnen wir uberleben; wir speichern, was wir fur stundenlanges Verweilen bei Temperaturen benotigen, die jeden anderen erstarren lassen mu?ten. Betrachtet die Olympierin, das wahre Kind des Schachtes, und schlie?t Euch unserem heiligen Kreuzzug an!«
Hier wurde der Umhang zuruckgeworfen und gab den Blick auf ihre Nacktheit frei. Das Publikum hielt den Atem an.
Sie war 160 Zentimeter gro? und sah aus wie siebzehn, die vollkommenste Siebzehn, die man sich vorstellen konnte. Ihr Korper war die Vollkommenheit selbst, die Vereinigung hochst begehrenswerter korperlicher Attribute, wie nur irgendein heranwachsender Mann sie sich fur seine Traumfrau ausgedacht hatte. Es war beinahe unmoglich, solche Vollkommenheit zu betrachten und bei Verstand zu bleiben. Und niemand, mannlich oder weiblich, Kultmitglied oder blo?er Zuschauer, vermochte den Blick loszurei?en. Sie war Eva noch in Eden und mehr, viel mehr. Sie war undenkbar.
Und selbst ihre Bewegungen waren vollkommen, erotisch, flie?end und katzenartig. Ihr wallendes, kastanienbraunes Haar schien bis zum Boden zu reichen. Sie drehte sich nach links und rechts, damit alle sie gut sehen konnten.
»Seht das Zeichen der Wahrheit dieser Botschaft!«verkundete sie.
Sie besa? wirklich einen Pferdeschweif. Trotz alledem pa?te er auf irgendeine Weise genau zu ihr und schien einfach dorthin zu gehoren. Er war lang und buschig und so seidenweich wie das Haar, das darauf herunterfiel. Sie wippte damit ein paarmal, wie um jeden Zweifel an seiner Echtheit zu verscheuchen, obwohl keiner, der ihn sah, auch nur im mindesten daran zweifelte.
»Es gibt keinen anderen Weg, uns zu erklaren, keinen anderen Weg, unser Dasein zu akzeptieren, als durch die Annahme der Wahrheit«, erklarte sie. »Kommt also! Kommt zu uns! Sucht Gott und findet IHN, und ER wird Euch das Paradies schenken! Deshalb sind wir hier. Wir von Olympus sind menschlicher Herkunft, aber wir sind zu wenige, viel zu wenige. Nathan Brazil existiert! Selbst unsere Verleumder und der Kom raumen das ein. ER ist nach ihren Unterlagen der alteste lebende Mensch. Ihr konnt das selbst nachprufen. Kommt zu uns! Schlie?t Euch unserem Glauben an! Lernt, IHN zu erkennen, IHN zu suchen, und eine Zukunft ewigen Glucks ist Euch sicher!«
Die Zyniker kamen wieder zu sich, obwohl sie den Blick von solch uberwaltigender Schonheit nicht abwenden konnten.
»Ich verlasse Euch jetzt«, sagte sie. »Geht in Frieden und schlie?t Euch unserer heiligen Sache an.«
Die Akoluthen schwarmten aus. Spater mochten die Beeindruckbaren, die Impulsiven, mit kuhler Luft im Gesicht und Zeit zum Uberlegen, zu zogern beginnen. Bei ihnen mu?te man sofort zupacken. »Sprecht mit den Akoluthen und kommt zu uns, noch heute abend. Ihr konnt Euch die Belohnung kaum vorstellen!«
Und sie war fort. Nur ihr Umhang blieb liegen. Sie ging nicht davon, sie bewegte keinen Muskel — sie verbla?te nur, bis man sie nicht mehr sehen konnte. Nur ihre Stimme blieb zuruck.
»Jetzt gleich, meine Kinder! Jetzt! Ich segne Euch alle!«
Die Leute setzten sich in Bewegung. Zuerst vereinzelte, dann mehrere, schlie?lich viele. Die Bekehrten, das frische Blut, den Weg zu einer Vollkommenheit suchend, wie sie ihnen begegnet war. Ein Teil der Zuschauer ging naturlich — aber die meisten blieben sitzen.
Der Scheinwerfer erlosch. Es blieb auf dem Podium kurze Zeit dunkel, dann verbreitete sich sanftes Licht. Mutter Sukra kam zuruck, um jene anzuweisen, die den Wunsch hatten, beizutreten. Von der Hohepriesterin war nichts zu sehen.
Yua, hinter der Buhne, schaute auf die Menge hinaus und spurte Schauder, als sie sah, wie viele Menschen auf die Akoluthen zustrebten. Sie fuhlte sich innerlich wohl, so, als hatte sie sehr viel bewirkt. Manchmal sank einem der Mut, wenn trotz allem nur wenige zum Handeln bewegen wurden, aber heute abend weilte der Geist in ihr, und der Geist bewegte die Menschen. Er war gut.
Sie wartete, bis die Luft rein war, dann eilte sie zu ihrer Wohnung unter dem Saal. Sie fuhlte sich erschopft, wie immer nach einer Versammlung.
Auch das junge Paar vor dem Akoluthen lie? den betaubten Fanatismus der anderen Bekehrten erkennen. Noch keine zwanzig, entschied der Tempeldiener, der fur solche Dinge ausgebildet war.
»Ihr wollt unserer heiligen Sache beitreten?«fragte er ernsthaft. »Ein Schritt, den man nicht unuberlegt tun darf, aber der erste zur Erlosung.«
»O ja«, stie?en sie hervor. »Wir sind bereit.«
»Habt Ihr eine Familie, die fur Euch verantwortlich ist?«fragte er.
»Wir sind verheiratet«, versicherte ihm die junge Frau. »Wir haben eine kleine Farm bei Tabak.«
»Sie wollen unabhangig und aus freien Stucken in die Gemeinschaft eintreten?«fuhr der Akoluth fort.
»Das wollen wir«, versicherten die beiden im Chor. »Werden wir… reisen?«setzte der junge Mann hinzu.
Der Akoluth nickte.
»Sie werden viele Orte sehen und vieles erleben.«
»Werden… werden wir
»Sie oder ihre Schwestern sind als unsere Lehrerinnen und Fuhrerinnen bei uns«, sagte der Akoluth bejahend.
Das Paar wurde rasch angenommen und an einen formlicher wirkenden Bearbeiter weitergereicht, der in der Hauptsache dafur verantwortlich war, ihren Schwur zusammen mit ihren Daumenabdrucken auf ein Blatt Papier zu bringen.
Der Vertrag war kein einfacher; fast niemand las ihn durch, und keiner der Akoluthen konnte sich erinnern,