jedermanns Gro?mutter aussah, sa?en, dazu zwei ganz hubsche junge Frauen, von denen keine alter zu sein schien als sechzehn Jahre. Alle waren nackt. Die Zellen enthielten nichts als die Stuhle, an die sie gefesselt waren.
Dr. Van Tschu sah den Drachen im Glas gespiegelt, drehte sich jedoch nicht um.
»Hallo, Marquoz«, sagte er halblaut. »Ich dachte, Sie erstatten noch Bericht.«
»Ach, ich mache Pause. Sie wissen, wieviel ich von alledem halte. Ich habe schriftlich Meldung erstattet. Ich kann nicht einsehen, was die hundertfache Wiederholung einbringen soll.«
Van Tschu lachte in sich hinein.
»Jede Kleinigkeit ist nutzlich. Sie haben uns diesmal etwas Scheu?liches eingebrockt. Noch schlimmer als das letztemal. Kann ich Sie dazu uberreden, heimzufliegen und eine Brut Kinder in die Welt zu setzen, oder was ihr macht, damit wir uns ein bi?chen ausruhen konnen?«
Marquoz nahm die Zigarre in die langen, dunnen Finger und schnaubte. Das Schnauben trieb ein kleines Rauchwolkchen aus seinem Mund. Chugach brauchten keine Feuerzeuge.
»Das mochte ich erleben«, gab der kleine Drache zuruck. »Nein, ich bleib’ euch erhalten, furchte ich, solange ich soviel Spa? daran habe.«
Der Labortechniker sah ihn neugierig an.
»Was ist eigentlich mit Ihnen, Marquoz? Wieso macht Schie?en und Beschossenwerden auf fremden Welten Spa?? Warum nicht bei den Chugach?«
»Sie wissen, da? jede Rasse ihre Sonderlinge hat, Doc, die nicht hineinpassen, die Regeln nicht mogen oder etwas gegen den Stand der Dinge haben. Ich bin der Ober-Sonderling von Chugach. Ich bin ein Verruckter, ich wei?, da? ich einer bin, aber es macht mir Spa? und ich bin nutzlich, also bleibe ich ein Verruckter.«
Van Tschu lie? die Sache auf sich beruhen und fragte todernst:»Sind Sie sicher, da? Sie sie alle haben?«Mit dem Kopf wies er auf die Gefangenen.
»Gewi?«, sagte Marquoz. »Jedenfalls auf Parkatin. Wer wei?, wie viele anderswo sind? Unser Brieftaubchen Har Bateen wurde erst vorgestern auf einer Farm zwanzig Kilometer vor der Stadt abgesetzt. Wir haben ihm ziemlich muhelos nachspuren konnen. Anscheinend ging er einfach zum nachsten Bauernhaus — Mann, Frau, ein junges Madchen — und gab sich als Verirrter aus. Man war gastfreundlich zu ihm — und er ubernahm die ersten drei. Davon haben wir keinen. Wir umstellten das Bauernhaus sofort, aber sie wollten einfach nicht aufgeben. Wir mu?ten es praktisch dem Erdboden gleichmachen. Mit ihrem kleinen Sportwagen fuhr er am nachsten Tag in die Stadt und stieg in einem kleinen Hotel in der halbseidenen Gegend am Raumflughafen ab. Flei?iger Bursche. Wir fanden acht, die er dort erwischt hatte, Oma dort mit eingeschlossen.«Er wies mit der Zigarre auf die kleine alte Dame in der Zelle. »Dann ging er in die Bar, machte sich uber die Bordelldame dort her, schlenderte hinaus und kam zu uns. Die Leute sind in ihrem Lebenswillen ganz unterschiedlich. Bateen war sehr brav, und nachdem wir ihn betaubt und in einen Vakuumanzug gesteckt hatten, benahm er sich sehr vernunftig. Die Leute in der Pension bevorzugten eine Schie?erei. Oma war einfach nicht leichtfu?ig genug. Sie stolperte und schlug sich den Kopf an. Die anderen mu?ten wir zerstrahlen. Ebenso die Bordelldame, obwohl sie die beiden Madchen dort angesteckt hatte. Die beiden waren noch so unsicher, da? wir sie reisefertig verpackt hatten, bevor sie viel unternehmen konnten.«
»Woher wissen Sie, da? sie nicht waren, was sie zu sein schienen?«fragte Van Tschu. »Ich meine, ich kame nie auf den Gedanken, da? mit ihnen etwas nicht stimmt.«
Marquoz lachte leise in sich hinein.
»Sie stinken. Oh, nicht fur Ihre Nase. Offenbar fur niemand au?er fur einen Chugach. Kein gewohnlicher Gestank; etwas ganz Fremdartiges, ein Geruch, den vorher noch niemand wahrgenommen hat. Ich kann Ihnen das nicht beschreiben — aber ich hoffe, Ihr klart das und entwickelt den Stoff synthetisch, damit wir Spurgerate bauen konnen. Dieses Zeug erschreckt einen — man wei? nicht, wer wer ist.«
Der Laborleiter frostelte und nickte.
»Sie konnen sie wenigstens riechen. Wir konnen nicht einmal das. Das ganze Labor hat schon den Verfolgungswahn.«
»Schon etwas herausgefunden?«
»Ziemlich viel. Ein bi?chen. Gar nichts«, sagte Van Tschu achselzuckend. »Wenn man mit dem bislang Unbekannten zu tun hat, lauft alles auf eines hinaus.«
»Fur Philosophie bin ich nicht zu haben, Doc. Was wissen Sie?«gab der Drache ungeduldig zuruck.
Van Tschu seufzte.
»Nun, sie sind eine vollig neue Form intelligenten Lebens. Sie konnten sie intelligente Viren nennen. Unter dem Mikroskop sind sie uberaus erstaunlich. Kommen Sie!«
Sie gingen in eine Forschungskabine, Van Tschu betatigte ein paar Knopfe, und der gro?e Bildschirm vor ihnen wurde hell.
»Das ist der Feind, Marquoz«, sagte Van Tschu leise. »Das sind die Dreel.«
Der Bildschirm zeigte ein honigwabenartiges Gefuge.
»Sieht aus wie jeder Virus, den ich je gesehen habe oder von dem ich jemals niedergestreckt worden bin«, meinte Marquoz.
»Es besteht eine gewisse Ahnlichkeit«, raumte Van Tschu ein, »aber sehen Sie sie einmal bei starker Vergro?erung an.«Er drehte Knopfe an der Konsole, um eine der Waben zu vergro?ern. »Sehen Sie die Furchenbildungen, das Baumuster des Stengels bei ihnen?«
Marquoz nickte nur.
Van Tschu schaltete auf das nachste Bild um.
»Sehen Sie? Ein anderes Muster. Wenn ich sie bis zur atomaren Ebene vergro?ere und miteinander vergleiche, zeigt sich, da? in einem bestimmten Organismus keine zwei von ihnen genau gleich sind. Davon gehen wir jedenfalls aus.«
»Sie meinen, diese Wesen unter Zellgro?e sind Individuen?«
»Nein, nicht Individuen wie Sie oder ich. Ich denke an einen kollektiven Organismus, dessen Individuen in einem Wirt auf irgendeine komplizierte Weise in Verbindung stehen, wenn nicht gar physisch zusammenhangen. Das Kollektiv handelt als Einzelorganismus, nicht als Gruppe. Wir glauben, da? jeder einzelne virusartige Organismus bestimmte Informationen enthalt. Es gibt Schlusselexemplare und untergeordnete. Gemeinsam bilden sie die Gesamtsumme dessen, was der Dreel in jedem Wirt wei?, und was seine Fahigkeiten eingrenzt. Wir vermuten, da? ein einzelner Dreel, wenn er zu irgendeinem Punkt Informationen benotigt, sie nicht aufzusuchen braucht, sondern einfach in einen anderen Dreel eindringt oder ihm auch nur begegnet, der eben diese Information besitzt.«
»Sie meinen, einer kennt die ganze Mathematik, ein anderer die ganze Physik, und so weiter?«fragte Marquoz fasziniert.
»Enorm vereinfacht, meine ich, aber Sie kommen der Sache sehr nah«, erwiderte Van Tschu. »Stellen Sie sich jeden Dreel-Organismus als ein Buch vor. Stellen Sie eine Anzahl davon zusammen, von denen jeder bestimmte Informationshappen enthalt, und Sie besitzen das Wissen eines Spezialisten auf diesem Gebiet. Tun Sie viele davon zusammen — ja, konstruieren Sie ihre eigenen —, und Sie haben eine Bibliothek. Wenn man alles Grundlegende zuzieht, um volle Funktion zu erreichen, dann taucht auf irgendeine Weise ein Bibliothekar — ein Bewu?tsein — auf. Dann zuchten sie sich je nach Bedarf neue Einheiten.«
»Sehr hubsch. Keine Ausbildung, kein Geboren- oder Erwachsenwerden, nur einem Wirt begegnen, das Grundmaterial kopieren, hineingelangen, und fertig«, sagte der Drache. »Mu? viele Absonderlichkeiten verhindern.«
»Das wohl«, meinte Van Tschu leise lachend. »Es unterscheidet sich vollig von allem anderen, was wir kennen. Man fragt sich, wie sie sich entwickelt, geschweige denn zu einem so hohen Stand durchgesetzt haben, da? sie in andere Raumbereiche eindringen.«
»Hatten sie gar nicht notig«, erklarte Marquoz. »Alles, was sie brauchten, ware, da? etwa eines unserer Raumschiffe landet und von einem dort lebenden Tier gebissen wird. Nach allem, was Sie sagen, wurden sie innerhalb von wenigen Tagen die Schiffsbesatzung sein.«
Der Wissenschaftler nickte zustimmend.
»Ja, genau. Der Bursche da druben, den Sie gefa?t haben — er ist ein Dreel. Au?erdem ist er Har Bateen, mit einer personlichen Vergangenheit bis zuruck zu seiner Geburt, und, was das Wichtigste ist,