da? jemand das Angebot ruhiger Lekture irgendwann genutzt hatte.

Es kam oft vor, da? die Vertrage angefochten wurden, vor allem von Verwandten und Freunden au?erhalb der Sekte. Die neuen Mitglieder uberschrieben praktisch ihre ganze Habe fur alle Ewigkeit der Mutter Kirche. Nach den Kom-Gesetzen konnte ein solcher Vertrag innerhalb einer bestimmten Frist fur nichtig erklart werden; danach war er bindend, und selbst wenn man spater austrat, behielt die Kirche alles.

Es fiel nicht schwer, sich in die Sekte einzufugen. Die schlechten Angewohnheiten, beim Essen wie anderswo, wurden scheel betrachtet, und der Druck der anderen trug zur Anpassung bei, obschon nichts verboten war. Abgesehen von der Einfuhrungszeit brauchte man auch nicht keusch zu bleiben.

Und man tat gute Werke. Fur jeden Bekehrer in den Stra?en und um die Raumflughafen der tausend menschlichen Kom-Welten arbeiteten funf in den armsten Nachbarschaften und verschafften den Notleidenden Nahrung, Kleidung und Unterkunft, ohne Fragen zu stellen oder irgendein Vorurteil erkennen zu lassen.

Am achten Tag wurde das junge Paar sich einer heiligen und feierlichen Zeremonie unterziehen; in einem heiligen Feuer, das angeblich von Olympus selbst stammte, wurde man ihre Kleidung und die alten Habseligkeiten verbrennen, sie wurden sich Kopfe und Leiber rasieren lassen und die wallenden Akoluthengewander anlegen. Danach folgte das religiose Studium, unterstutzt durch Hypnose und alle anderen der Sekte zur Verfugung stehenden Mittel, bis sie sich in die Lehre so vertieft hatten und von der Mutterkirche selbst fur die grundlegendsten Dinge so abhangig waren, da? sie sich eine andere Lebensweise nicht mehr vorstellen konnten. Dann wurden sie auf die Stra?en gehen und jeden Fremden fragen konnen, ob er — oder sogar sie — Nathan Brazil sei, und die guten Werke der Kirche ausfuhren.

Der Glaube breitete sich aus, gewi?, aber entmutigend langsam von Welt zu Welt, so langsam, da? keine der Olympierinnen glaubte, innerhalb der eigenen langen Lebensspanne ihn als wahrhaft vorherrschende Kraft zu erleben. Die nicht-menschlichen Rassen zeigten uberhaupt kein Interesse; die Vorstellung, da? der eine, wahre Gott es vorziehen sollte, als Mensch herumzulaufen, war uberaus beleidigend.

Regierung und Presse fanden am Verhalten der Sekte nichts zu beanstanden und machten sich wegen des langsamen Wachstums auch kaum Sorgen. Man dachte zwar fragend an Olympus und daran, ob diese fremdartigen Superfrauen, deren Welt fur niemanden zuganglich war, es mit ihrer Religion ernst meinten oder eine neue und langsame, aber wirkungsvolle Form der Eroberung erprobten, aber selbst wenn dem so sein sollte, wurde niemand den Ausgang erleben. Das Problem wurde sich anderen stellen, falls nicht etwas geschah, das eine massive Vermehrung der Sektenmitglieder hervorrief. Das raumten selbst die Olympierinnen ein.

Noch keine von ihnen hatte bislang von den Dreel gehort, geschweige denn die mogliche Entwicklung durch sie bedenken konnen. Noch nicht…

Kom-Polizeizentrale, Suba

Sie rissen die Augen auf, als Marquoz durch einen Korridor stapfte. Man gaffte ein Wesen, das gro?e Ahnlichkeit mit einem gro?en Tyrannosaurus Rex besa?, eine Weste trug und eine dicke Zigarre rauchte, uberall an. Er war es gewohnt und kummerte sich nicht darum.

Der Kom-Bund hatte sich in den vergangenen Jahrhunderten enorm ausgebreitet und war auch weit weniger totalitar geworden, seitdem das riesige, kriminellpolitische Drogensyndikat Jahrhunderte zuvor zerschlagen worden war. Das alte Syndikat hatte die Ausbreitung stark begrenzt, um Grenzwelten in einem Tempo zu entwickeln, das kontrollierbar blieb und eine muhelose Ubernahme ermoglichte. Die Entdeckung eines Heilmittels gegen seinen Haupteinflu? auf die Fuhrung dieser Welten — und der noch gro?ere Schock daruber, wie viele Welten von machtgierigen, versteckten Monarchen regiert worden waren — hatten zu einer volligen Neueinschatzung des Kom-Bundes und der Richtungen gefuhrt, welche die Menschheit eingeschlagen hatte.

Hunderte von Kom-Welten waren als ganzlich stagnierend erkennbar, viele siechten dem Untergang entgegen, da ihre genetischen Fortpflanzungs- und Massenprogrammierungs-Methoden Bevolkerungen hervorgebracht hatten, die Insektengesellschaften ahnlicher waren als fruheren menschlichen. Die Milliarden schufteten fur die herrschende Klasse, diese fur das Syndikat. Als das Syndikat zerbrach, zerfielen auch die meisten herrschenden Klassen. Sie wurden einfach deshalb durchschaut, weil die Drogen, derer sie bedurften, nicht mehr verfugbar waren, und sie sich dem Kom anschlie?en oder sterben mu?ten.

Nun gab es neue Strukturen und Gesellschaften, manche ebenso schlecht oder schlechter als jene, die sie verdrangt hatten, aber die meisten doch ein wenig besser. Das Interesse des Kom-Bundes verlagerte sich auf schnellere Ausdehnung und die Erweckung eines neuen Grenzergeistes.

Mehr als tausend menschliche Welten erstreckten sich jetzt uber mehr als ein Zehntel der Milchstra?en- Galaxis. Es war unausweichlich, da? man schlie?lich auf andere intelligente Wesen sto?en mu?te, und das war auch geschehen. Der Kom war bis dahin vierzehn Rassen begegnet, manche davon so fremdartig und unbegreiflich, da? es wenig Beruhrung und keine gemeinsamen Grundlagen geben konnte; andere, wie die zentaurartigen Rhone, dehnten ihre Kultur selbst aus. Es hatte einige Konflikte gegeben, viele Mi?verstandnisse, aber das Wachstum war ein positives gewesen, und die Menschheit hatte fur den Umgang mit fremden Rassen viel gelernt. Der Rat der Kommune der Welten, kurz Kom, besa? sieben nicht-menschliche Mitglieder.

Von allen Rassen war indessen der Ursprung der Chugach, denen Marquoz angehorte, wohl am wenigsten bekannt. Sie waren am au?ersten Rand des Rhone-Reiches von den Rhone selbst, nicht von den Menschen, entdeckt worden. Ihre riesenhafte, hei?e Wustenwelt war zunachst fur unbewohnt gehalten worden, ein wirbelndes, schroffes Meer von Wustensand.

Die Chugach lebten tief unter dem Sand, wo es kuhl war, in der Nahe des Grundgesteins und sogar in dessen Hohlungen, wo das Wasser war und gro?e Stadte und Burgen lagen. Die Chugach schwammen im Sand wie Fische im Wasser, und da ihre Lungen sich von denen der Menschen und Rhone nicht sonderlich unterschieden, galt immer noch als Ratsel, weshalb sie nicht erstickten. Eine nicht-raumfahrende Spezies, die sich langsam vermehrte, war den meisten anderen Rassen im Kom-Bund unterlegen.

Die halbfeudalen Chugach hatten einige Zeit gebraucht, um den Schock zu uberwinden, da? sie nicht allein und auch gar nicht die Herren der Schopfung waren, aber sie waren zurechtgekommen. Als Ansammlung von Tausenden autonomer Regionen, grob zu ubersetzen als Herzogtumer, dabei mit einer beinahe athenischen Demokratie ausgestattet, hatten sie keine Zentralregierung besessen, keine Nationalstaaten, nichts, womit man sich hatte auseinandersetzen konnen.

Aber sie besa?en Wissen, Begabung und Fahigkeiten, die dem Kom-Bund abgingen. Sie erzeugten komplizierte Glasskulpturen von unfa?barer Schonheit; sie hatten eine beinahe ubernaturliche Methode, Substanzen ohne Maschinen umzuwandeln, wobei sie wertlosen Sand und Gestein hernahmen und so ziemlich alles daraus machten, was man sich wunschte oder brauchte. Sie hatten im Handel durchaus etwas anzubieten, und der Kom-Bund verfugte uber die Technologie, die ihnen abging. Als ein einzelnes Herzogtum mit den Rhone ein Handelsabkommen eingegangen war, hatten die Nachbarn sich anschlie?en oder in der Entwicklung zuruckbleiben mussen. Die Kettenreaktion veranderte Marquoz’ Heimatwelt grundlegend.

Es schien ihm nichts auszumachen. Er bezeichnete sich als abgesetzten Herzog, aber es war allgemein bekannt, da? jeder Chugach, der kein Herzog war, sich als abgesetzten ausgab. Niemand verstand ihn oder seine Motive genauer, am wenigsten seine fast ganzlich mangelnde Sorge um seine Heimatwelt. Er durchstreifte das Rhone-Reich als Vertreter von hundert kleinen Unternehmen, schien immer bei Kasse zu sein und fremde Welten zu kennen, und er erzielte Erfolge. Er schien einen sechsten Sinn fur Unstimmigkeiten zu besitzen; Konflikte zogen ihn magnetisch an, und er zeigte sich fahig, mit allem fertigzuwerden.

Er war also genau der richtige Typ fur die Kom-Polizei, die ihn einstellte, um von ihm nicht weiter in Verlegenheit gebracht zu werden. Als einzigem Chugach in der Kom-Polizei brachten ihm seine menschlichen und nicht-menschlichen Kollegen weder Verstandnis noch Vertrauen entgegen, aber er erzielte jedesmal Ergebnisse, und die Vorgesetzten bis hinauf in den Rat selbst hegten keinerlei Vorurteile gegen jemand, der so erfolgreich war.

Er betrat die Laborabteilung mit jenem Gehaben selbstsicherer Autoritat, das er stets zur Schau trug. Seine Zigarre hinterlie? eine Fahrte blauwei?er Wolkchen. Er erkannte einen Techniker als Leiter der Abteilung und schritt auf ihn zu.

Der Mann stand vor einer Mauer aus durchsichtigem Material, mehr als zwolf Zentimeter dick. Dahinter befanden sich Zellen, genauer, Kafige, in denen, grundlich gefesselt, ein alterer Mann, eine altere Frau, die wie

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