»Da. Es ist offen. Seht ihr es rechts vorn vor euch?«

Sie hatten das Schiff verlassen, vier Gestalten in wei?en Anzugen vor dem stumpfgrauen Gestein, hintereinander gehend, Mavras Rhone-Korper voran.

Sie blieben stehen und schauten hin. Da war es, auf der Ebene — ein riesiges Loch, so schien es, erfullt von unendlicher Schwarze. Von der Luft aus hatten sie die rechteckige Form erkennen konnen.

»Geht einfach hinein«, drangte er. »Und — viel Gluck fur euch alle. Ich hoffe, euch alle irgendwann zur Mitternacht im Schacht der Seelen zu sehen.«

Er bekam keine Antwort. Er lehnte sich zuruck, seufzte, schaltete den Sender ab, lie? aber den Empfanger offen, und hob ab. In der luftlosen Leere hatten sie seinen Abflug nicht gehort oder bemerkt, aber er wollte jede Moglichkeit eines Sinneswandels unterbinden. Allein, mit Luftvorrat fur nur einen Tag und ohne Nahrung, blieb ihnen nicht viel anderes ubrig, als in das Loch hineinzugehen. Sie standen jetzt davor. Er wu?te es, obwohl er zu hoch oben schwebte, um sie deutlich sehen zu konnen. Nur ihr Atmen und ihre Gerausche — oder deren plotzliches Fehlen — verrieten es ihm.

»Also, wer zuerst?«horte er Mavra nervos fragen.

»Ich gehe«, sagte Zigeuner. Brazil horte Schlurfen, dann sagte die Stimme des fremdartigen Mannes:»Nicht schlecht. Es ist gar kein Loch. Noch ganz fest. Ich glaube —«

Und damit war Zigeuner fort. Brazil wu?te, da? er einfach vom Boden verschwunden war. Am leichten Nachlassen der statischen Gerausche konnte er erkennen, da? der Mann nicht mehr in der Nahe war.

»Wir sind einander auf funfzig Welten gefolgt«, sagte Marquoz trocken. »Dann mal los.«

»Yua? Gehen wir zusammen?«fragte Mavra.

Die Olympierin schluckte horbar.

»Ja, das — das mochte ich«, erwiderte sie. »Ich — o! Das kitzelt, nicht wahr?«

»Nicht anders als bei Obie, glaube ich«, gab Mavra zuruck.

»Es — es ist so dunkel…«

Nun waren sie alle fort.

Brazil seufzte, zundete sich eine Zigarette an und tastete die Angaben fur die Ruckkehr zum Raumschiff und von dort zu Nautilus ein. Es ist geschehen, dachte er. Es hat angefangen. Verdammt! Wenn ich nur wissen konnte, was am anderen Ende vorgeht.

Zone Sud

»Mavra! Hilf mir hoch, ja? Mir ist schwindlig«, murmelte Yua.

Mavra knickte an den Vorderbeinen ein und half der Olympierin hoch.

»Das war entschieden unbehaglich«, knurrte Marquoz. Er wirkte selbst ein wenig wacklig.

Mavra schaute sich verwirrt um.

»Wo ist Zigeuner?«

Die anderen beiden erkannten erst jetzt, da? sie nur zu dritt waren, und schauten sich ebenfalls um. Die Kammer war riesengro?; sie standen auf einer flachen, glatten, glasigschwarzen Oberflache von unbekannter Beschaffenheit. Die Platte war sechskantig, aber die Halle war von solcher Gro?e, da? man sie schwer schatzen konnte. Das Licht kam von einer riesigen, sechsseitigen Tafel an der Decke. Ein Gelander, das offenbar einen Laufgang verbarg, fuhrte rund um den Raum. Zu Lucken im Gelander fuhrten Stufen hinauf.

»Wir mussen trotzdem weiter«, sagte Mavra und ging zu der nachstgelegenen Treppe, die aus Stein zu sein schien. Der Laufgang bestand aus einer Reihe von Flie?bandern, wie sie sahen, die aber jetzt stillstanden.

»Sie sind schon einmal hiergewesen«, sagte Marquoz zu Mavra. »Wie setzen wir das da in Bewegung?«

Sie lachte leise.

»Ich bin nie hiergewesen. Hier kamen alle anderen an, die nicht hier geboren waren. Ich landete mit einem Raumschiff. Eine Bruchlandung. Ich war nur einmal kurz als Gefangene in einer Botschaft in Zone. Ich furchte, fur mich ist das ebenso neu wie fur euch. Verge?t nicht, da? ich zwar schon auf diesem Planeten gewesen bin, aber nicht durch den Schacht ging. Ich wei? so wenig wie ihr, was uns erwartet.«

Plotzlich horten sie weit weg ein Surren und spurten im Gelander ein Vibrieren.

»Unser Empfangskomitee scheint unterwegs zu sein«, meinte Mavra.

Marquoz schaute sich um.

»Aber wo ist Zigeuner? Ich wei?, da? er hierhergekommen ist. Er war der erste.«

»Ich wei? es nicht«, sagte Mavra seufzend. »Er hatte von Anfang an etwas Unheimliches an sich. Er ist Ihr Freund. Ich wei? keinen Grund, weshalb er nicht hier sein sollte, gleichgultig, wer oder was er war.«

»Ich kenne ihn seit Jahren und kenne ihn doch nicht«, gab Marquoz achselzuckend zuruck. »Vielleicht haben wir alle nur eine Maske gesehen. Vielleicht war er eine nicht auf Kohlenstoff aufgebaute, fremde Lebensform, die uns Menschengestalt nur vortauschte, so da? er jetzt in Zone Nord ist. Wer wei?? Obie hat es wohl gewu?t. Aber es ist wohl das beste, wenn wir ihn vorerst nicht erwahnen. Es konnte mehr im Gange sein, als wir wissen.«

»Richtig«, sagte Mavra. »Aber mir gefallt das nicht.«

Marquoz zeigte plotzlich nach vorn.

Ein riesiges Wesen kam auf sie zu. Es besa? einen dunkelbraunen, menschenahnlichen Rumpf, aber gepanzert. Sechs Arme ragten aus den Rumpfseiten, vier davon an Kugelgelenken, aber alle mit Handen, die Finger besa?en. Alle sechs Arme wirkten hart und muskulos. Der Kopf war eiformig und besa? keine Ohren. Tiefschwarze Menschenaugen standen neben einer Plattnase, unter der ein machtiger, wei?er Schnurrbart spro?. Der Rumpf ging in lange Schlangenwindungen uber.

Das Wesen kam furchtlos heran — ganz naturlich, da es hier offenbar Herr war. Er klatschte laut an die Wand, als er auf einige Meter herangefahren war, und das Flie?band stand still. Buschige, wei?e Brauen stiegen hoch.

»Ein Mensch, gewisserma?en, eine Dillianerin und ein Ghlomonese? Was hat das zu bedeuten? Versteht ihr, was ich sage?«

Mavra nickte.

»Vollkommen«, sagte sie. »Wir sind vom Kom-Bund.«

Das Wesen sah sie entgeistert an.

»Vom Kom! Und keiner von euch ein echter Mensch! Du meine Gute! Wie mu? sich alles verandert haben, seidem ich das letztemal dort war!«

Yua hielt den Atem an.

»Sie sind einmal im Kom gewesen?«

Er lachelte sehr menschlich unter dem buschigen Schnurrbart.

»Gewi?. Ich war auch einmal ein Mensch, nur ohne Schweif, und ein Mann.«

»Im Kom gibt es jetzt viele Rassen«, sagte Mavra. »Und alle leben friedlich zusammen. Miteinander, hei?t das. Gemeinsam haben wir gerade einen Krieg mit einer kompromi?losen nicht-menschlichen Rasse ausgetragen.«

»Multirassische Zusammenarbeit im Kom!«sagte das Wesen staunend. »Wer hatte das gedacht! Einen Krieg hat es gegeben, sagen Sie? Seid ihr deshalb hier?«

»Ich wei? nicht, warum wir hier sind«, sagte Mavra schnell. »Ich wei? nicht einmal genau, was ›hier‹ ist. Nein, es war nicht der Krieg. Den haben wir gewonnen, dabei aber einen Ri? im Raum-Zeit-Kontinuum hervorgerufen. Er beginnt, den Kom-Bereich zu verschlingen. Man konnte sagen, da? wir Fluchtlinge sind, obwohl ich nicht wei?, wieso wir hier landen. Wir sind auf einer alten Welt gelandet, um daruber abzustimmen, wohin wir gehen sollen, und auf einmal erlosch das Licht. Aufgewacht sind wir hier.«

Das Wesen nickte. Das entsprach ungefahr seinen Erwartungen — und aus diesem Grund hatte man diese Geschichte erfunden.

Das Wesen glitt zuruck, um auf dem Flie?band Platz zu machen.

»Ihr konnt die Raumanzuge ubrigens ausziehen. Der Schacht sorgt fur Druckausgleich. Oder behaltet sie an, bis wir in meinem Buro sind, wie ihr wollt.«

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