Er schlug mit der untersten linken Hand an die Wand, und das Band begann zu laufen.

»Ich bin Tourifreet, eine Rhone«, sagte Mavra. »Der Mensch ist Yua, eine Olympierin, und der Chugach hei?t Marquoz.«

»Freut mich«, sagte das Wesen liebenswurdig. »Es ist lange her, seit jemand aus meinen alten Revieren vorbeigekommen ist. Leute fallen die ganze Zeit in diese Locher, wie auch ich, aber in den letzten ein—, zweihundert Jahren waren keine Menschen dabei. Ich bin ubrigens Serge Ortega.«

Mavras Kopf zuckte hoch, und in ihren Augen begann es seltsam zu funkeln. Ortega, der ihr den Rucken zudrehte, sah nichts davon.

»Ruhig, Madchen«, flusterte Marquoz.

Ortega! dachte sie. Nach all der Zeit! Nach all der… Ortega, immer noch am Leben, immer noch am Drucker. Der einzige Mann, den sie mit brennendem Ha? verfolgte.

Sie verlie?en die gro?e Kammer und fuhren durch einen ovalen Tunnel, einen gro?en Korridor aus schwerem, kornigem Gestein, das stumpfgelb gestrichen worden war.

Sie kamen in dem gewundenen Tunnel an anderen Kammern vorbei; es handelte sich nicht um einen einzelnen Korridor, sondern um ein Labyrinth. Jede Kammer barg nach Ortegas Worten eine Mini-Biosphare fur eine der funfzehnhundertsechzig Rassen der Schacht-Welt. Hier in diesem Bereich befanden sich die Botschaften der siebenhundertachtzig sudlichen Sechsecke.

Als sie sein Buro erreichten und sich ausruhten, lie? Ortega Essen und Trinken kommen. Er erzahlte ihnen, was sie schon wu?ten, von der Schacht-Welt und ihrer Grundung, von den Sechsecken, Zone-Bereichen und Toren. Interessant fur sie war Ortegas politische Karte der Schacht-Welt. Sie sahen zum erstenmal ihre riesigen Ozeane und die Topographie der Landschaft. Mavra fand die Gebiete, wo sie gewesen war, und entdeckte Glathriel, wo, wie Ortega uberflussigerweise erklarte, jetzt die menschliche Rasse in primitiven Stammen zusammen lebte.

Daneben lag Ambreza, die ursprungliche Heimat der Menschheit und jene Stelle, wo Nathan Brazil auftauchen mu?te. Das war ihr erstes Ziel.

»Genug von der Politik«, sagte Ortega und legte die Karte weg. »Wenn ihr in euren Heimat-Sechsecken seid, habt ihr Gelegenheit, euch ausfuhrlich damit zu befassen.«

»Was — was meinen Sie mit unseren Heimat-Sechsecken?«fragte Yua nervos.

Ortega lachelte.

»Von hier aus werdet ihr zu einem anderen Tor, dem Schacht-Tor, gebracht. Es entfernt euch aus dem Universum, das ihr immer gekannt habt, und macht euch zum Bestandteil des Schachtes. Im Inneren analysiert euch der Schacht nach Kriterien, die wir nach wie vor nicht begreifen, und wahlt eine Lebensform fur euch aus. Ihr werdet als Mitglied einer der siebenhundertachtzig sudlichen Rassen wie aus einem Schlaf erwachen — genau wie ich vor so langer Zeit. Der Schacht hilft insoweit mit, als er euch mit eurer neuen Erscheinungsform und den Bedingungen vertraut macht, so da? ihr euch nicht vollig fremd vorkommt — ihr werdet nach wie vor ihr selbst sein und euch an alles erinnern, was gewesen ist. Von da an seid ihr auf euch selbst gestellt. Kampft nicht dagegen an. Gleichgultig, als was ihr aufwacht, ihr werdet das fur den Rest eures Lebens sein.«

Ortega forschte sie uber die Verhaltnisse im Kom-Bund aus, und sie berichteten einigerma?en ehrlich, ohne aber Obie oder Nathan Brazil zu erwahnen. Es war Ortega selbst, der den letzteren zur Sprache brachte.

»Ich wurde mir keine Sorgen machen«, trostete er. »Der Schacht wird den Ri? beheben. Wenn nicht, dann gibt es einen Markovier, der noch lebt und die Reparaturen vornehmen kann. Wenn es notig ware, hatte er sich schon eingefunden.«

»Woher wissen Sie, da? er nicht hier war?«fragte Marquoz.

»Ich kenne ihn«, sagte Ortega lachelnd. »Er ist ein Mensch — sieht aus wie ein Halbzwerg und hei?t Nathan Brazil. Wenn er hier durchgekommen ware, hatte ich das erfahren.«Er kratzte sich mit dem obersten rechten Arm am Kinn und starrte sie an. »Komisch, eigentlich. Ich sehe euch Frauen und habe das Gefuhl, da? ich euch kenne oder kennen sollte. Seltsam, nicht? Das kann naturlich nicht sein.«

Mavra hustelte.

»Nein, wirklich nicht.«

»Na gut. Seid ihr bereit fur den Schacht?«

»Nein«, sagte Marquoz. »Aber was bleibt mir anderes ubrig?«Ortega lachte.

»Na schon. Kommen Sie mit.«Die Tur ging auf, und er glitt hinaus. Sie folgten ihm nah hintereinander.

Sie betraten einen normalen Raum, ein Rechteck, abgesehen von den abgerundeten Ecken, vollig leer. Die Tur schlo? sich hinter ihnen.

Wande, Boden und Decke bestanden aus demselben kornigen, gelben Material wie die Korridore, mit Ausnahme der Wand gegenuber, wo wieder totale Schwarze herrschte.

»Das Schacht-Tor«, sagte er. »Jetzt habt ihr uberhaupt keine Wahl mehr. Die Tur hinter mir la?t sich von innen nicht offnen. Man kann nur durch das Tor — und den Schacht — hinaus.«

Das war eine Luge, wie Mavra wu?te. Sie konnte aber verstehen, da? das bei seiner Tatigkeit von Nutzen sein mu?te.

Sie hatten ihre Raumanzuge in Ortegas Buro ausgezogen und waren jetzt alle nackt. Marquoz hatte sein Zigarrenetui gerettet, und er und Mavra pafften die letzten Exemplare. Beide fragten sich beilaufig, ob sie das jemals wieder tun wurden.

Mavra sah sich Ortega an. Sie ha?te ihn immer noch, aber er wirkte durchaus nicht wie ein Ungeheuer.

»Wer zuerst?«fragte sie die anderen, wie vorher auf der toten Markovier-Welt, als Zigeuner vorgetreten und verschwunden war — ganz und gar, wie es den Anschein hatte.

»Ach, zum Teufel damit«, murmelte Marquoz und zertrat den Zigarrenstummel. »Ich habe ohnehin keine Zigarren mehr.«Er ging zur schwarzen Wand und hindurch. Sie verschluckte ihn.

Yua sah Mavra furchtsam an. Nicht zum erstenmal fragte sich Mavra, warum Obie gerade sie ausgesucht hatte. Das wu?te nur Obie, und er war weit, weit weg.

»Wir sehen uns wieder«, sagte die Olympierin leise zu ihr und druckte ihre Hand. Dann drehte sie sich um und trat ohne Zogern in die alles verschlingende Dunkelheit.

»Da war es nur noch eins«, sagte Serge Ortega hinter ihr.

Sie lachelte vor sich hin. Er war seiner Sache so sicher. Sie trat einen Schritt auf die Dunkelheit zu, dann blieb sie plotzlich stehen und traf instinktiv die Wahl, die Brazil ihr offengelassen hatte.

»Augenblick, Ortega«, sagte sie kuhl und drehte sich nach ihm um. »Ich werde Ihre Hilfe brauchen.«

»Wie?«sagte er entgeistert.

»Die beiden anderen — sie bedeuten Ihnen oder allen anderen nichts. Aufmachung. Ich nicht. Ich stehe herum und debattiere mit mir, seitdem ich angekommen bin, und ich wollte beinahe nichts sagen, aber ich glaube, das Risiko ist vertretbar.«

Er rollte seinen Schlangenkorper fest zusammen, verschrankte alle sechs Arme und schwankte mit dem Oberkorper vor und zuruck.

»Nur zu, ich hore«, sagte er neugierig.

»Der Schacht ist defekt. Er hat einen Kurzschlu? erlitten«, sagte sie. »Das ganze verdammte Universum wird nach kosmischen Ma?staben langsam, in Wahrheit aber ziemlich schnell ausgeloscht. Der Ri? wird nach einiger Zeit so gro? werden, da? er den Schacht stark beschadigt und er nicht mehr repariert werden kann. In Balde werden sie von Fluchtlingen, zumeist Olympierinnen, uberflutet werden, die sich aus dem zugrundegehenden Kom-Gebiet absetzen.«

»Weiter«, sagte er ausdruckslos. »Ich hore.«

»Sie sollen der Keim fur neue Rassen werden«, fuhr sie fort. »Sie sind diejenigen, welche die Seelen, oder was auch immer, liefern werden, sobald der Schacht repariert ist.«

»Aber wenn der Schacht repariert ist, wird alles sein wie vorher«, betonte er.

»Nein, zuerst mu? er abgeschaltet werden. Das ganze Experiment der Markovier ist vorbei, und es ist gescheitert. Es ist Zeit, auf den Wiedergabeknopf zu drucken und neu anzufangen. Sie mussen helfen. Den Leuten mu? ermoglicht werden, zu tun, was wir tun: durch den Schacht zu gehen, als etwas anderes herauszukommen. Sie kennen die Reaktion, die der Durchgang vieler Personen hervorrufen wird, besser als ich. Wir brauchen Ihre Hilfe.«

Ortega schwieg eine ganze Minute lang, dann sagte er:»Was Sie damit sagen, ist nichts anderes, als da?

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