nicht nur Nathan Brazil zuruckkommt, sondern da? er diesmal wirklich etwas Tiefgreifendes tun wird.«

Sie nickte angstvoll.

»Und woher wissen Sie das alles?«

Sie uberlegte.

»Weil dieser Zentaurkorper nicht mein eigener ist. Weil er von Obie gemacht wurde«, sagte sie. »Weil ich Mavra Tschang bin.«

Serge Ortega fiel beinahe hin. Dann kicherte er, schlie?lich lachte er und konnte nicht mehr aufhoren. Endlich sagte er:»Wie ist so etwas moglich? Obie wurde zerstort. Mavra Tschang befand sich noch in ihm, also ist sie mit dem Computer zugrunde gegangen. Wir hatten Zeugen dafur.«

»Wir haben das vorgetauscht«, erwiderte Mavra. »Das mu?ten wir tun, sonst ware Obie, der nur noch sich selbst verantwortlich war — ein Miniatur-Schacht der Seelen —, geha?t, gefurchtet, vielleicht trotz seiner Krafte irgendwann wirklich zerstort worden. Und ich wollte nicht als Mi?geburt zur Menschheit zuruck, wie Sie wissen. Ich wollte bei Obie bleiben und mit ihm sterben. Das war nicht der Fall. Wir flogen zu einer fernen Galaxis und hatten viel Spa?.«

Er schwankte ein wenig hin und her, aber Mavra konnte nicht erkennen, was er dachte.

»Und wo ist Obie jetzt?«

Sie seufzte.

»Tot — oder so gut wie tot.«Sie berichtete kurz und wahrheitsgema?.

»Und Brazil? Wann kommt er hier an?«fragte der Schlangenmann.

»Das wei? ich nicht. Niemand au?er ihm wei? es — und ich bin nicht sicher, ob er nicht einfach auf den richtigen Augenblick wartet.«

»Und er hat Sie aufgefordert, mir das alles zu sagen?«fragte Ortega skeptisch.

Sie lachelte.

»Die Entscheidung hat er mir uberlassen. Er sagte, als Verbundeter waren Sie unentbehrlich, aber wenn Sie keiner werden wollten, sollte ich Sie daran erinnern, da? er Sie einmal geschlagen hat, als er nicht wu?te, wen er gegen sich hatte, und mit offenen Augen wurde ihm das notfalls wieder gelingen.«

Ortega lachte wieder.

»Ja, ja! Typisch Brazil! Ach, ist das gro?artig!«Dann schien alle Frohlichkeit von ihm abzufallen. Er wirkte plotzlich uralt, so alt, wie er wirklich war, dann wurde sein Blick weicher.

»Sie sind wirklich Mavra Tschang?«

Sie nickte.

»Na, hol mich der Henker. Gott ist sogar zu den Sundern gut«, murmelte er vor sich hin. Dann sah er sie an. »Wissen Sie, ich habe in meinem langen Leben viele Leute umgebracht, die alle entweder mich umbringen wollten oder den Tod doch sehr verdient hatten. Ich habe viele Leute hereingelegt, die es verdienten, und wissen Sie, wenn ich alles noch einmal vor mir hatte, wurde ich es genauso machen. Mein Gewissen wird nur von einer einzigen Person belastet, und ich bin das nie losgeworden, obwohl ich keine andere Wahl hatte, was noch argerlicher ist. Sie sagen praktisch, da? mir Absolution erteilt worden ist. Diese eine Person lebt und hat ein volles Leben gehabt, langer gelebt als jeder andere — Brazil und mich vielleicht ausgenommen. Sie sagen mir, da? ich das Richtige getan habe, da? mir jetzt verziehen worden ist.«

Sie sah ihn an, ein wenig verwirrt uber seine Reaktion. Das hatte sie von dem Mann ganz und gar nicht erwartet. Sie hatte beinahe schworen mogen, da? Tranen in seinen Augen standen.

»Ich habe Ihnen nicht verziehen, Ortega«, sagte sie ruhig. »Sie sind der einzige, den ich jederzeit mit Vergnugen umbringen konnte — wenn ich Sie nicht brauchte.«

Er lachte leise.

»Sie sind wirklich Mavra Tschang?«Er schien die Bestatigung zu brauchen, so, als konne er die Wahrheit nicht akzeptieren. »Hol mich der Henker!«Plotzlich wurde seine Miene hart. »Horen Sie, wenn Sie wirklich Mavra Tschang sind, schulden Sie mir etwas.«

Sie ri? entgeistert die Augen auf.

»Ich Ihnen

Er nickte.

»Wenn ich damals nicht getan hatte, was ich tat, lagen Sie da drau?en jetzt irgendwo herum, seit siebenhundert Jahren tot, tot und begraben. Tot, ohne je wieder von dieser scheu?lichen Welt fortgekommen zu sein, ohne die Sterne je wiedergesehen zu haben. Ich habe Sie gerettet, und dafur sind Sie mir etwas schuldig. Ich habe Sie gerettet, und das bedeutet mir alles.«Seine Augen gluhten. »Wie ich Sie beneide. Siebenhundert Jahre dort drau?en. Seit langer Zeit vor Ihrer Geburt bin ich aus diesem verdammten Loch nicht mehr herausgekommen. Wissen Sie, was das bedeutet? Ich bin auch Kapitan gewesen, wissen Sie.«

Sie wu?te, was es bedeutete, obwohl es an den Nerven zerrte, das auch bei Ortega noch vorzufinden. Sie versuchte, es sich vorzustellen.

Er nickte und lachelte schwach.

»Ich sehe, Sie verstehen mich. Ich bin ein Gefangener, schlimmer, als Sie das jemals gewesen sind. Alle diese Macht hier ist bedeutungslos. Ablenkung fur einen alten Mann in einer kunstlich beleuchteten Gefangniszelle, der seit fast tausend Jahren au?er in Buchern keinen Stern oder Grashalm mehr gesehen hat.«Er seufzte. »Wissen Sie, hier und dort tauchen alte Erinnerungen auf. Ich erinnere mich daran, als Nate das letztemal hier war. Er sagte, das einzige, was er wolle, sei der Tod — er habe das Leben satt. Er habe alles getan, sei alles gewesen, hatte zu lange gelebt. Ich hielt ihn fur verruckt. Der einzige Unterschied zwischen dem damaligen Brazil und mir heute ist der, da? er langer gebraucht hat dazu. Ihnen wird es nicht anders ergehen, auch wenn Sie vielleicht nicht so lange leben. Sie haben wohl schon die ersten Anfange der Langeweile verspurt, glaube ich. Sie haben es langer ausgehalten als ich, weil Sie unterwegs sein konnten, weil Sie die Sterne, die Baume, helle Wustenfarben und blauen Himmel sehen konnten. Selbst in Glathriel hatten Sie das. Stellen Sie sich vor, die letzten siebenhundert Jahre eingesperrt gewesen zu sein.«

Sie schuttelte staunend den Kopf.

»Wenn Sie so stark empfinden, warum gehen Sie mit mir nicht durch dieses Tor? Gehen Sie nach Ulik zuruck und sehen Sie die Wusten und die Sterne.«

Er lachte kurz auf.

»Wollen Sie wissen, warum ich das nicht mache? Glauben Sie, ich hatte nicht daruber nachgedacht, immer wieder, in jeder freien Stunde? Jedesmal, wenn ich spure, wie die Wande mich erdrucken, wenn ich meine verehrten Kollegen erfrischt und ausgeruht von Ausflugen nach Hause zuruckkommen sehe? Wollen Sie es wissen? Ich habe Angst. Ich, Serge Ortega. Ich stelle mich jedem, mit Schwertern oder Schu?waffen oder was es auch sei — selbst mit dem Verstand. Ich sturme sogar die Holle — aber auf Einladung gehe ich da nicht hin.«

Sie horte ihm zu und entdeckte erstaunt, da? fast der ganze Ha? und Arger uber ihn verschwunden waren, verdrangt von leichtem, wenn auch ganz echtem Mitleid fur einen Mann, der sein eigenes Gefangnis errichtet hatte und daran leiden mu?te.

»Wegen der Holle brauchen Sie sich keine Gedanken zu machen, Ortega«, sagte sie leise. »Das ist die Holle. Sie haben sie geschaffen. Sie haben sie aus Ihren eigenen Angsten und Ihrem Schuldbewu?tsein aufgebaut. Sie leben standig in ihr, fur immer, um so mehr Holle, weil Sie wissen, da? Sie gehen konnen. Sie tun mir leid, Ortega, wirklich.«Sie wandte sich der Dunkelheit zu. »Ich glaube, jetzt bin ich bereit, den Gang zu tun, den ich ohne Ihre Eingriffe schon vor siebenhundert Jahren hatte tun sollen. Der Kreis hat sich geschlossen, Ortega. Werden Sie uns helfen? Sie sind diesen Leuten nichts schuldig. Jetzt nicht mehr. Bitte, helfen Sie — und sei es nur um meinetwillen.«

Er lachelte.

»Ich werde tun, was ich kann. Aber was fur mich interessant ist, wird fur den Rest der Rassen hier die Holle sein. Das ist Ihnen klar. Es konnte sein, da? ich nicht in der Lage bin, den Dingen Einhalt zu gebieten.«

»Dann tun Sie, was Sie konnen«, erwiderte sie. »Wenn Sie es nicht tun, dann haben wir beide eine Verabredung, hier in Zone, das schwore ich Ihnen.«

»Ich hoffe jedenfalls, da? der Tag nicht kommt, an dem ich zwischen Ihnen und mir wahlen mu?«, murmelte er. »Ich — ich wei? nicht, was ich nehmen wurde.«

»Ich komme wieder, Ortega, so oder so, verlassen Sie sich drauf!«fauchte sie und lief in die Dunkelheit des Schacht-Tores hinein.

Serge Ortega sa? da und schwankte auf seinen Schlangenwindungen vor und zuruck, lange Zeit in die

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