sagen? Warum wird er Colonel genannt?«
»Na, er hat die ganze Welt umrundet«, stie? der Informant hervor. »Er hat zu irgendeiner Zeit in uber funfzig Hexagons gedient. Alles mogliche — Schmuggeln, Forschungsreisen, Kurier —, was Sie sich denken konnen.«
Ein Glucksritter, dachte sie erstaunt. Ein Glucksritter aus Dillia, ein Abenteurer, einer, der fur Geld jedes Risiko einging — sie kannte den Typ. Um so alt geworden zu sein, mu?te er wirklich verdammt gut sein, selbst wenn die Halfte der Geschichten, die man sich uber ihn erzahlte, vermutlich nicht der Wahrheit entsprach. Wenn er wirklich um die ganze Sechseck-Welt herumgekommen war, gehorte er zu den ganz wenigen Leuten, die das geschafft hatten. Das allein sagte uber ihn schon etwas aus — und war eine Leistung, die zur Legendenbildung fuhren mu?te, also wohl der Wahrheit entsprach.
»Und das mit dem Rang?« drangte sie.
»Ach, er ist in allen moglichen Armeen alles mogliche gewesen. Als er gegen alle Dahbi-Versuche, ihn aufzuhalten, das Pestserum von Czill nach Morguhn brachte, na, da wurde er dort zum Ehren-Oberst ernannt. Wei? nicht, warum, aber das ist ihm geblieben. Die meisten reden ihn so an.«
Sie nickte und blickte wieder auf den kraftvollen und legendaren Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, der gerade eine Geschichte von kampfenden Eisriesen vor langer Zeit in irgendeinem fernen Hex erzahlte.
»Wenn er so ein Mann ist, was macht er dann hier? Ist er nur auf der Jagd?« fragte sie den Jungling nach einer Weile.
Ein alterer Mann, der ihre Frage gehort hatte, schob sich heran.
»Verzeihung, Miss, aber das ist seine Manie. Stellen Sie sich vor, da? Sie hier die ganze Welt gesehen und alles mogliche gemacht haben, und Gedemondas liegt gleich nebenan — er ist hier geboren, seeaufwarts. Fur ihn ist das ein Ratsel. Er schwort ab und zu, da? er einen Gedemondaner einfangen will, um herauszubekommen, was mit ihnen ist, bevor er stirbt.«
Ihre Brauen wolbten sich hoher, und ein schwaches Lacheln spielte um ihren Mund.
»Ach, hat er das, wie?« murmelte sie vor sich hin. Sie blieb eine Weile stehen, bis die Geschichte abgeschlossen war, dann stellte sie ihm durch das Gedrange eine Frage. »Haben Sie je einen Gedemondaner gesehen?« rief sie.
Er lachelte und trank wieder einen Schluck, wahrend sein Blick anerkennend uber ihre Gestalt glitt.
»Ja, schones Kind, oft«, gab er zuruck. »Ein paarmal versuchten einige von den Wesen sogar, mich umzubringen, und losten Lawinen uber mir aus. Bei anderen Gelegenheiten hab’ ich sie aus der Ferne gesehen, auf der anderen Seite eines Tales, oder wie sie ihre fremdartigen Laute von den Schneehangen widerhallen lie?en.«
Sie zweifelte daran, da? die Gedemondaner je den Wunsch gehabt hatten, ihn umzubringen. Wenn das der Fall gewesen ware, hatte er sich langst nicht mehr am Leben befunden, wie sie wu?te.
Sie hatte Asam jetzt auf dem richtigen Gleis, und er schaute sich schlie?lich um und fragte:»Hat hier sonst noch einer ‘nen Gedemondaner gesehen? Wenn das so ist, will ich Bescheid wissen.«
Da war es.
»Ich«, rief sie, »ich habe viele gesehen. Ich bin in einer ihrer Stadte gewesen und habe mit ihnen gesprochen!«
Asam erstickte beinahe an seinem Bier.
Der Barmann schaute zu ihr hinuber, den Blicken der anderen Gaste folgend, die sie ebenfalls anstarrten und sich zumeist fragten, ob die Geistesverwirrung ansteckend sei.
»Ein kurzlicher Neuzugang«, flusterte der Barmann. »Erst seit ein paar Tagen hier. Ein bi?chen plemplem, wenn Sie mich fragen.«
Asam richtete die fremdartigen grunen Augen wieder auf sie.
»Wie hei?en Sie denn, mein Schatz?«
»Mavra«, sagte sie. »Mavra Tschang.«
Zu ihrer Uberraschung nickte er nur.
»Ortegas Mavra?«
»Nicht direkt«, zischte sie, ein wenig verargert, so gesehen zu werden. »Wir sind uns nicht sehr grun, wissen Sie.«
Asam lachte herzhaft.
»Na, Madel, sieht so aus, als hatten wir beide allerhand miteinander zu bereden.« Er leerte seinen Krug. »Tut mir leid, Leute, zuerst das Geschaft«, erklarte er laut und ging nach drau?en.
Das Gebaude war, wie die meisten, auf einer Seite zur Stra?e hin offen, aber es fiel den beiden trotzdem schwer, ins Freie zu gelangen. Trotzdem folgten die Jungen in einer Art langsamer Massenflucht, dachte Mavra, wahrend sie lautlos in sich hineinlachte.
Asam wohnte in einer Jagerhutte, wie sie fur durchreisende Berufstatige gebaut worden war, und er fuhrte sie zu diesem Holzhaus, eines mit Wanden und einer Tur, die man schlie?en konnte.
Als sie endlich allein waren, seufzte er, machte es sich bequem und zog eine Pfeife heraus.
»Es macht Ihnen doch nichts aus, wenn ich rauche, oder?« fragte er mit ruhiger, sachlicher Stimme, die von der Aussprache in der Bar etwas beibehielt, aber nur einen kleinen Teil.
»Nur zu«, sagte sie. »Sie sind der erste Raucher, den ich auf dieser Welt sehe.«
»Man braucht nur die richtigen Beziehungen«, gab er zuruck. »Das Zeug ist verdammt teuer, und die einzigen Sorten, die was taugen, werden in nur zwei weit entfernten Hexagons angebaut. Wir Dillianer sind ganz wild danach — ich wei? nicht, vielleicht liegt es an der Biochemie. Aber nur ein paar von uns konnen es sich leisten.«
»Vorsicht«, sagte sie heiter. »Ihre Bildung schaut vor.«
Er lachte.
»Na ja, dagegen mu? man was tun, nich’? Aus der Rolle darf man nich’ fall’n.«
Sie erwiderte das Lachen. Der Colonel begann ihr zu gefallen. Er war von ihrer Art.
»Also«, sagte er nach einer Pause, »erzahlen Sie von Gedemondas.«
»Ich war dort«, erklarte sie. »Vor langer, sehr langer Zeit, gewi?. Ich mag sehr jung aussehen, aber ich bin muntere tausend Jahre alt. Wenn Sie Ortega so gut kennen, da? Ihnen mein Name etwas sagt, kennen Sie auch die Grundzuge der Geschichte.«
Er nickte.
»Von den Geschichtsbandern. Ich arbeite ab und zu fur ihn, und wir haben einander gut kennengelernt.«
Sie wurde plotzlich argwohnisch.
»Aber jetzt arbeiten Sie nicht fur ihn, oder?«
Er lachte wieder.
»Nein, nein. Aber ich will ehrlich sein. Er hat sich mit mir allerdings in Verbindung gesetzt. Mit mir und vielen anderen, vermute ich. Ich sollte nach Ihnen und den anderen Ausschau halten und ihm Bescheid geben.«
»Und haben Sie das getan?«
Er schuttelte den Kopf.
»Nein. Ich werde es auch nicht tun. Seien wir offen, es bringt nichts. Und ich mache heutzutage so ziemlich das, was ich will. Au?erdem wu?te ich bis vor wenigen Minuten nicht, da? Sie in Dillia sind, geschweige denn als Dillianerin. Aber er wird es erfahren, sobald sich das seeab verbreitet. Es war eine Art Gro?fahndung, wissen Sie. Bevor ich mich in irgendeiner Beziehung entscheide, mochte ich erst einmal wissen, was uberhaupt gespielt wird. Und vor allem will ich uber Gedemondas Bescheid wissen.«
Man erzahlte nicht umsonst von seiner Manie, begriff sie. Aber das war nur gut.
»Wissen Sie, wer Nathan Brazil ist?« fragte sie als erstes.
Er lachte leise.
»Das ist eine Art Witz auf der Sechseck-Welt, wissen Sie. Ein ubernaturliches Wesen, ein Mythos, eine Legende, wie man es nennen will.«
Sie schuttelte den Kopf.