»Es ist keine Legende mehr«, erklarte sie. »Er kommt wieder auf die Sechseck-Welt. Er mu? in den Schacht der Seelen.« Sie schilderte kurz und in Umrissen, was sich bisher zugetragen hatte, berichtete von dem Ri? im Raum, dem Schaden an der Sechseck-Welt und damit an der gesamten Wirklichkeit, erzahlte, da? Brazil zum Schacht wollte, um ihn praktisch abzuschalten, instand zu setzen und wieder in Betrieb zu nehmen.

Er war ihr voraus.

»Ich sehe einen gro?en Kampf«, sagte er, als sie verstummte. »Wenn er abschaltet, hort alles auf zu bestehen, und das Gedachtnis, oder was das sein mag, wird geloscht. Sehen Sie mich nicht so erstaunt an; weil Dillia ein halbtechnologisches Hex ist, hei?t das noch lange nicht, da? wir die Maschinen von anderen nicht kennen oder nicht damit umgehen konnen. Nur hier geht das eben nicht. Ein bi?chen Zusammenarbeit. Davon gibt es mehr, als Sie ahnen. Es gab einmal eine Pest, und die Leute wurden der Seuche nicht Herr — keine Technologie. Aber weit entfernte Hexagons mit Labors und Computern machten sich an die Arbeit, stellten ein Serum her und produzierten so viel davon, da? ich es uber viertausend Kilometer weit zu den Leuten bringen konnte, die es brauchten, aber es nicht herzustellen vermochten. Wir retteten vielen das Leben, und ich bekam meinen Titel.«

»Warum gerade den?« fragte sie. »Von allen, die Sie erworben haben?«

Er lachelte schwach und blickte versonnen.

»Der einzige, den ich je dafur bekommen habe, Leben zu retten«, erwiderte er leise. Dann erwachte er aus seiner Versunkenheit und kam wieder zum Thema. »Sie und ich kennen die Regeln«, betonte er. »Wenn er das Universum neu aufbaut, dann braucht er lebende Modelle. Uns. Hort sich nicht so an, als hatte ich Aussichten bei Ihnen — oder sonst irgend jemand auf dieser Welt.«

»Er wird die Sechseck-Welt nicht zerstoren«, versicherte sie ihm. »In Kurze wird unsere Armee durch den Schacht hereinfluten. Vermutlich ist das schon im Gange. Ungeheuer viele. Sie werden seine Streitmacht sein und auch die Prototypen fur sein neues Universum. Nicht Sie.«

»Und Sie?« gab er zuruck. »Wo werden Sie sein, wenn er das macht?«

Sie lachelte grimmig.

»Wenn ich das wu?te. Eines nach dem anderen. Ich bin nicht sicher, ob ich das noch erlebe — und wenn, dann befasse ich mich mit den Dingen, sobald sie auftreten. Nehmen wir Gedemondas. Ich mu? hin. Ich mu? mit den Bewohnern reden, ihnen die Situation erklaren und feststellen, in welche Richtung sie neigen.«

Er nickte.

»Das ist eine Antwort, die ich akzeptieren kann. Und die Aussichten?«

Sie begriff, da? er sich selbst meinte.

»Und danach? Nun, es ware gut, auf Brazils Seite zu sein, wenn er den Schacht erreicht, nicht? Ich mochte jedenfalls lieber auf seiner Seite sein, wenn er hineinkommt, als einer seiner Feinde.«

Er uberlegte.

»Alles der Reihe nach. Gedemondas genugt furs erste. Sie glauben, man wird mit Ihnen reden?«

»Ich denke schon«, erwiderte sie. »Jedenfalls hat man es damals getan. Und ich bin die einzige, die dabei war, bei der sie zugelassen haben, da? sie sich genau an das Geschehene, da? sie sich uberhaupt an sie erinnert.«

»Hm. Wurde nicht viel nutzen, wenn wir da hineingingen und ich wieder herauskame, ohne mich an irgend etwas zu erinnern, wie?«

Sie zog die Schultern hoch.

»Keine Garantien. Es wundert mich, da? sie mir jetzt glauben. Niemand sonst hat es getan.«

»Aber Ortega«, widersprach er. »Er konnte es sich nicht leisten, dem Ganzen grundlich nachzugehen. In den Behauptungen der anderen gab es gerade genug kleine Widerspruche, um Zweifel zu erregen, und davon bemerkte er bei Ihnen nichts. Er kam zu dem Schlu?, da? Sie die Wahrheit sagten. Einmal bot er mir sogar Ihre Geschichte als Koder fur einen Auftrag an. Er wu?te, da? ich nicht widerstehen konnte.«

»Ich mu? dorthin«, sagte sie entschieden. »Ich mu? bald hin. Ich habe noch anderes zu tun. Aber ich kenne das Hex nicht, die Pfade nicht, habe keinen Fuhrer oder Kredit fur Vorrate und dergleichen. Ich brauche dringend Ihre Hilfe. Und ich bin Ihre beste Aussicht, die Gedemondaner kennenzulernen.«

Zu dem letzten Satz nickte er.

»Also gut, ich besorge, was Sie brauchen. Sie konnen uns begleiten.«

Sie seufzte. Auftrag halb ausgefuhrt.

»Wie viele sind Sie?«

»Funf, wenn man Sie mitzahlt. Alles Dillianer.« Er feixte ubertrieben. »Bis auf Sie alles Manner. Stort Sie das?«

»Ich komme schon zurecht«, antwortete sie tonlos.

Er grinste und nickte anerkennend.

»Davon bin ich sogar uberzeugt.«

Ulik-Botschaft, Zone Sud

»Der Gro?e Rat Suden ist versammelt«, erklarte Ortega von seinem Buro aus feierlich, aber das war nur ein Ritual. Es bedeutete, da? samtliche Botschaften in Zone jetzt zu einem komplizierten Kommunikationsnetz zusammengeschlossen waren. Die Wesen, die Wasser atmeten, diejenigen, die das eine oder andere Luftgemisch atmeten, und einige, die eigentlich gar nicht atmeten, konnten jetzt alle miteinander sprechen. Nicht alle Hexagons der sudlichen Halbkugel waren vertreten, und manche, wie Gedemondas, schickten niemals Leute. Ihre Buros standen leer. Eine ziemlich gro?e Anzahl von Raten, wie Ortega, waren Neuzugange — Leute, die ursprunglich von anderen Orten und Rassen im riesigen Universum stammten und durch Zufall in markovische Tore geraten waren. Sie waren gute Ratsmitglieder; solche Leute waren in der Regel geschickter darin, Neulinge durchzuschleusen, da sie das personlich erlebt hatten.

»Diese Sitzung ist auf mein Ersuchen anberaumt worden, weil ich es fur unabdingbar halte, da? wir alle begreifen, was vorgeht, und uns auf eine gemeinsame Politik dagegen einigen«, fuhr Ortega fort. Er schilderte kurz die Lage, so, wie er sie sah, ohne etwas zu verschweigen.

Schlie?lich kam er zur Sache selbst.

»Wir haben mehrere Moglichkeiten«, erklarte er. »Die erste ist die, gar nichts zu tun. Das wird zu einer zeitweiligen Verdoppelung der Bevolkerung auf der Sechseck-Welt fuhren, zu einer starken Belastung — aber nur fur kurze Zeit. Unbehindert wurde Brazil zum Schacht gehen, tun, was er zu tun hat, und die Bevolkerung um denselben Faktor verringern, um den er sie erhoht hat. Das wurde zu Unannehmlichkeiten fuhren, gewi?, aber nicht zu Dingen, mit denen wir nicht fertig werden konnten.«

»Wenn er die Neulinge nur dazu verwendet, um diese Neubesiedelung zu bewaltigen«, stellte jemand fest. »Wenn er uns alle benutzt, ist dies das Ende. Oder ubrigens auch, wenn er nicht lange uberlegt, ob es Neulinge oder Einheimische sind.«

Ortega nickte gewohnheitsma?ig, obwohl es keine Fernsehbilder gab.

»Das ist naturlich der springende Punkt. Ich kenne Brazil. Ich wei?, da? man auf sein Wort bauen kann. Aber wenn wir ganz offen sein wollen, wird er ganz allein etwas tun, das die Markovier als Rasse getan haben — und so ist das System nicht eingerichtet worden. Wir wissen nicht, ob er die notige Beherrschung oder Zuversicht besitzt. Er wird das zum allererstenmal tun und kann es eigentlich selbst nicht wissen. Er ist ganz gewi? ein Markovier — ich habe ihn in seiner naturlichen Erscheinung gesehen. Aber wenn wir auf seine Behauptungen vertrauen — und obwohl ich sein Ehrenwort im allgemeinen akzeptiere, wurde ich keiner seiner Geschichten ohne Beweise glauben —, war er nach seinen eigenen Angaben ein Techniker in Hex 41. Ein Techniker, aber nicht der Schopfer. Die Tatsache, da? er auch behauptet, Gott zu sein, der Erste Beweger, der hochste Schopfer des Universums, sollte Ihnen zeigen, was man eigentlich glauben kann.«

»Ich neige dazu, es zu glauben«, erklarte eine andere fremde Stimme. Die Schaltungen waren so eingerichtet, da? derjenige, der als erster auf die Sprechtaste druckte, die anderen allesamt blockierte, so da? immer nur einer sprechen konnte. Im anderen Fall hatte es ein zweites Babel gegeben.

»Da? er Gott ist?« fragte Ortega fassungslos.

»Nein, naturlich nicht«, erwiderte der Botschafter. »Das ist eben der Punkt, verstehen Sie? Seine

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