uns verlangen.«
Sie au?erten sich nicht dazu und hielten ehrfurchtig die Kopfe eingezogen. Es war zum Teil wirklich Ehrfurcht, zum Teil Respekt — und zum Teil lag es auch daran, da? sogar sie, die Zwolf, die ihr Land als absolute Theokratie beherrschten, vor Gunit Sangh ungeheure Angst hatten.
Jedermann in Dahbi konnte in die Priesterschaft eintreten; jene mit viel Verstand und Mut konnten auch in der Hierarchie hoch hinauf gelangen. Aber um die Spitze zu erreichen, den Gipfel, dazu brauchte man mehr. In einem von Ahnenkult beherrschten Land gebot hohes Alter hochsten Respekt. Und in einem Land, wo nur der Klugste, der Bedenkenloseste, der ganzlich Amoralische den Gipfel der Leiter erklimmen konnte, war der Alteste in dieser Hirarchie nicht nur der Fuhrer, sondern auch der gemeinste Halunke, den die Rasse bislang hervorgebracht hatte.
»Hort meine Befehle«, ertonte Gunit Sanghs Stimme. »Als erstes werden wir eine Streitmacht unter dem Kommando des Oberbefehlshabers aufstellen, den der Zone-Rat ernennt. Wir werden von jeder Prafektur in gleichem Ausma? beisteuern, was verlangt wird. Sucht eure Leute gut aus. Ich wunsche die am leichtesten Entbehrlichen, versteht sich, aber auch Leute, die Befehle befolgen, die kampfen und — toten konnen.«
Die zwolf nickten gleichzeitig.
»Das genugt jedoch noch nicht«, fuhr Sangh fort. »Was, wenn die Schlacht weitab von Dahbi stattfindet? Das wurde uns zu hilflosen Strohmannern machen. Man wu?te, da? wir gegen dieses Wesen Brazil kampfen, ohne da? wir etwas dazu tun konnten, den Ausgang zu beeinflussen. Das ist unertraglich. Zilchet, hast du einen Bericht uber die Neuzugange in unserem Land?«
Einer der zwolf regte sich, und das bosartige Insektenhaupt stieg hoch.
»Das ist der Fall, Eure Heiligkeit. Wir haben bisher etwa dreihundert von ihnen aufgenommen. Ich sage ›etwa‹ nur aus dem Grund, weil fast jede Stunde ein neuer aufzutauchen scheint.«
»Und du hast die Neuankommlinge verhort?«
»Das habe ich, Eure Heiligkeit. Unsere Psychologen stellen eine wahrhaft fremde Mentalitat fest — was naturlich zu erwarten war, aber nicht ganz in diesem Ausma?. Sie scheinen allesamt Frauen von der Kategorie 41 zu sein — von derselben wie Brazil. Sie gehoren irgendeinem religiosen Kult an, der Brazil als Gott betrachtet — nicht als
»Sie wollen sich von Dahbi entfernen?«
Ein kurzes Nicken.
»Gewi?, Eure Heiligkeit. Sie lernen rasch, mit ihren neuen Korpern umzugehen, und ubernehmen mit erstaunlicher Schnelligkeit neue Formen und Fahigkeiten.«
»Das war zu erwarten«, stellte Gunit Sangh fest. »Wer dieses Unternehmen geplant hat, kannte die Sechseck-Welt schon vorher. Die Leute sind grundlich unterwiesen worden. Sie
Bei diesem Gedanken schienen sie ein wenig zu schimmern. Er war fur sie so beunruhigend wie fur Gunit Sangh.
»Ihr habt sie in Gewahrsam?«
Zilchet antwortete ein wenig verletzt:»Selbstverstandlich, Eure Heiligkeit. Jeder, der auftaucht, wird so schnell wie moglich zu einer zentralen Aufnahmestelle gebracht, sorgfaltig verhort und dann in Gewahrsam genommen, bis Eure Heiligkeit eine Entscheidung trifft.«
»Meine Entscheidung ist, sie gehen zu lassen«, erklarte der Anfuhrer.
Das erstaunte sie. Ihre geisterhaft wei?en Gestalten gerieten in heftige Wallungen.
»Sagt: Sind sie von derselben Rasse? Von derselben Welt?«
Zilchet hatte sich von dem Schlag kaum erholt.
»Ja, Eure Heiligkeit. Dieselben. Erstaunliche Gleichartigkeit, in der Tat, wenn ich das hinzufugen darf.«
»Scheinen sie einander personlich zu kennen — wie von fruher?«
»Nein, das ist nicht zu erkennen. Ich wenigstens habe keinen Hinweis darauf gefunden. Nicht, da? das nicht vorkommen konnte, aber wenn Ihr von einer Bevolkerung mit einer Milliarde oder mehr sprecht, wie wir annehmen, ware das reiner Zufall.«
Gunit Sangh schien befriedigt zu sein.
»Und sind eure Erkenntnisse so vollstandig, da? ihr zulassen konntet, sagen wir, dreihundert Neuzugange gehen zu lassen, wohin sie wollen — worauf dort vierhundert Neuzugange ankommen? Die ganze Zeit in enger Verbindung?«
»Vier —« Zilchet schien verwirrt zu sein und ein wenig zu zogern. Plotzlich ging ihm ein Licht auf. »Ah, ich
»Dann machen wir es so«, befahl der Fuhrer. »Wir brauchen einige von unseren Leuten auf ihrer Seite. Wir werden naturlich auch nicht die einzigen sein. Die gro?te Schwache seiner Seite ist die, da? sie nicht die wahre Natur jedes einzelnen in ihren Armeen oder ihre Verla?lichkeit kennen kann. Das mu? den Leuten bekannt sein. Aber die meisten werden dabeisein als Spione und nicht mehr. Die unseren werden eine andere Aufgabe haben.«
»Und die ware?« Zilchet war so gepackt, da? er gegen die Regel verstie?, den Fuhrer nicht zu drangen.
Gunit Sangh warf ihm zur Mahnung einen eisigen Blick zu, lie? es aber dabei bewenden. Die Sache war viel zu wichtig, als da? der Elende jetzt dafur hingerichtet werden durfte. Aber Gunit Sangh gedachte sich den Lapsus zu merken.
»Von all den verschiedenen Neuzugangen sind nur wenige nicht von diesem Soldatentyp. Das sind naturlich seine Kommandeure. Eine ganze Reihe. Informationen vom Oberkommando, das Ortega einrichtet, verraten mir jedoch, da? mindestens eine Person darunter fur Brazil mehr als ein nutzliches Werkzeug bedeutet. Das ist die Frau Mavra Tschang, derzeit eine Dillianerin. Er betrachtet sie als eine Art Blutsverwandte, mit jener seltsamen Anhanglichkeit, die mindere Rassen fur dergleichen aufbringen. Ich wunsche, da? unsere Leute sich dort als gute Soldaten auszeichnen, da? sie in Brazils Streitkraften kampfen, Befehle befolgen, alles tun, was man von ihnen erwartet. Aber wenn es so auszusehen beginnt, als wurde Brazil sein Ziel erreichen, wenn der Eindruck entsteht, als bliebe seine Seite siegreich, habe ich fur sie eine besondere Aufgabe.«
»Heiligkeit?«
»Niemand kann Brazil direkt beeinflussen, sobald er im Inneren des Schachtes ist. Aber wenn wir diese Mavra Tschang insgeheim
»Aber was, wenn er, einmal dort, sich einfach entschlie?t, sie zu finden und zu befreien?« fragte Zilchet zweifelnd.
»Ich bezweifle ernsthaft, ob irgendein Gehirn, selbst ein markovisches, auf der Sechseck-Welt eine Einzelperson finden konnte, ohne Ort, Bewacher oder Verfassung zu kennen. Ich glaube, Brazil konnte muhelos eine Rasse erschaffen, aber nicht ein Gehirn verandern, bis er alle Einzelheiten kennt. Auf jeden Fall stehen die Aussichten fur uns auf diesem Gebiet gunstig. Wir haben wahrhaftig nichts zu verlieren.«
Zilchet machte sich immer noch Gedanken, und das war an seinen Wallungen zu erkennen.
Gunit Sangh funkelte ihn grimmig an.
»Also? Was ist?«
»Ich habe mir nur uberlegt, wie viele andere Rassen auf genau denselben Gedanken gekommen sein mogen«, erwiderte Zilchet.