Behauptungen sind von grandiosester Art. Er behauptet, Gott zu sein, oder halt sich dafur. Jemand, der das behauptet, wurde fast im Reflex behaupten, er sei der Schopfer eines Hexagons, und nicht ein blo?er Techniker, wenn er sich gezwungen sahe, etwas zu erfinden. Das hat er nicht getan, so da? ich mich der Ansicht anschlie?e, da? er tiefer stand. Das stort mich naturlich noch mehr. Wir haben hier in Ragamin sehr fortschrittliche Computer. Wenn kleinere Reparaturen erforderlich sind, wurde ich einem Techniker vertrauen. Sollte einer aber von Anfang an programmiert werden mussen und gabe es keine Kopie des Urprogramms, dann wurde ich auf einen Fachmann Wert legen. Brazil hat nichts programmiert, nicht einmal Hex 41 — wie konnen wir also darauf vertrauen, da? er wei?, was er macht, wenn es sich um den Schacht selbst handelt, etwas so Komplexes, da? kein Gehirn, das ich kenne, es sich vorstellen kann?«

Ortega schnitt jeden weiteren Kommentar ab.

»Guter Einwand. Ich sehe, da? eine ganze Anzahl von Ihnen sprechen mochte, aber wenn Sie erlauben, fahre ich fort, damit wir mit dieser Sitzung nicht die nachsten drei Wochen verbringen. Die Zeit drangt.«

Er machte eine Pause und wartete, bis die kleinen Lampchen erloschen, als man seine Entscheidung, zumindest vorubergehend, hinnahm. Befriedigt sprach er weiter.

»Unsere zweite Moglichkeit besteht darin, Verbindung mit Brazil aufzunehmen und zu versuchen, mit ihm zu einer Einigung zu gelangen. Wenn es ihm gelingt, den Schacht zu erreichen, und er wutend auf uns ist, konnten wir uns zu einer Prophezeiung verleiten lassen, die sich selbst erfullt. Mu? er kampfen, um hinzugelangen, dann wird er verdammt zornig auf uns alle und in der Lage sein, die Rechnung zu begleichen. Das mussen wir bedenken. Wenn er es schaffen kann, verwendet er vielleicht nur die Neulinge, falls er ohne Muhe hingelangt, oder er benutzt uns, wenn wir ihm die ganze Zeit uber Widerstand leisten, seinen Leuten Verluste zufugen und so weiter.«

»Konnten wir denn mit ihm uberhaupt zu einer Einigung kommen?« fragte jemand.

»Vermutlich«, antwortete Ortega. »Wir konnten uns sein Wort geben lassen — das bisher immer Gultigkeit hatte. Aber wir konnten nicht erzwingen, da? er es halt. Als er das letztemal hier war, versuchten das einige von uns, wissen Sie. Wir gelangten in den Schacht, aber fur uns war er damals so unverstandlich, wie er es heute ist. Schlimmer noch, er war in Markoviergestalt und vollkommen in der Lage, praktisch alles mit dem Riesencomputer zu machen, was er wollte, einfach durch eine Art geistigen Kontakts.«

»Wurden Sie ihm trauen?« warf jemand ein.

Ortega uberlegte.

»Ja. Aber ich wurde nicht unbedingt darauf vertrauen, da? er fahig ware, sein Versprechen zu halten, aus den Grunden, die wir eben aufgefuhrt haben. Mit dem Schacht einige Einzelpersonen zu behandeln, ist eine Sache; den ganzen Computer zu reparieren und dann mit ihm auf das komplette Universum einzuwirken, eine vollig andere. Er ist ein kecker kleiner Halunke — ich bin uberzeugt davon, er glaubt, da? er das kann. Aber ich bin nicht sicher, ob ich das auch glaube.«

Einen Augenblick lang flammten keine Lichter auf, als die anderen sich durch die Kopfe gehen lie?en, was Ortega gesagt hatte. Dann versuchten alle gleichzeitig zu sprechen, und er mu?te sie wieder unterbrechen.

»Die dritte Alternative, mit der Brazil rechnet, ist die, da? wir uns ihm widersetzen — ihn um jeden Preis daran hindern, da? er den Schacht erreicht. Seine Helfer sind schon hier, organisieren die Neuankommlinge und nutzen die nationalen Eigeninteressen einer Anzahl verwundbarer Sechsecke, die ihn von sich aus unterstutzen konnten. Seine Armee wird jetzt eingeschleust und steht im Begriff, sich um diese Organisatoren zu scharen. Wenn wir versuchen, ihn aufzuhalten, mussen wir uns mit verschiedenen nachteiligen Tatsachen befassen. Erstens konnen wir ihn gefangennehmen, einsperren, ihm alles mogliche Uble zufugen, aber toten konnen wir ihn nicht. Der Schacht la?t das nicht zu, gleichgultig, wie sehr wir uns anstrengen. Es geschieht immer etwas, das ihm einen Ausweg la?t. Deshalb sprechen wir von praktisch unbegrenzter Gefangenschaft. Zweitens haben wir es in einem solchen Fall mit einem schier unvorstellbaren Kampf zu tun. Wir sind uns noch nicht sicher, wo er ist, und bis jetzt ist er noch nirgends aufgetaucht. Letzteres ist vermutlich nur gut, weil wir wissen, da? er ein Typ 41 ist, wir kennen seine generelle au?ere Beschreibung, und fruher oder spater wurden wir es wissen. Er wurde entdeckt werden, und wenn er sich dort befindet, wo er verwundbar ist, sagen wir, auf dem Meer, konnte man ihn sofort festnehmen. Wir mussen davon ausgehen, da? er irgendwo in oder bei Glathriel oder Ambreza ist, obwohl wir ihn dort bisher vergeblich gesucht haben. Er ist nicht so dumm, nicht fur ein fast narrensicheres Versteck gesorgt zu haben. Wir mussen also warten, bis er sich zeigt. Er wird darauf warten, da? seine Armee oder Armeen ihn zum Handeln veranlassen, da? sie ihm die Kraft verleihen, nach Norden zu marschieren. Das hei?t, es mu? eine multinationale, vielrassige Gruppe von Armeen aufgestellt werden, verteilt an strategischen Orten, bereit, sich bei jeder Wendung gegen sie zu stellen. Da er sich den Weg aussucht, sind wir in der Logistik noch mehr im Nachteil als er, aber uns kommt die reine Zahl ebenso zugute wie das Gelande.« Er schwieg einen Augenblick und fugte hinzu:»Und drittens verurteilen wir uns, wenn wir das tun, naturlich dazu, zuletzt die einzigen Lebensformen in der ganzen Schopfung zu sein.«

Wieder war die Tafel dunkel, der Lautsprecher lange Zeit still, bis plotzlich erneut alle gleichzeitig zu sprechen begannen. Sie redeten stundenlang, sie argumentierten, sie stritten, sie versuchten andere Wege zu finden. Ortega lie? sie reden, zeichnete alles auf und machte sich au?erdem Notizen auf einer Karte der Sechseck-Welt, wenn die Sprecher ihren eigenen Neigungen nach erkannt werden konnten. Es war eine interessante Bilanz. Von der ungefahr siebenhundert vertretenen Hexagons war ungefahr ein Drittel entweder praktisch nutzlos — diejenigen, deren Bewohner ihre Heimatlander nicht verlassen konnten, wie die Pflanzenwesen, die wenig oder keine Beweglichkeit besa?en, und was dergleichen mehr war — oder unentschieden. Ein paarmal entdeckte er Andeutungen, da? einige der Sechsecke sich, wenn der Zufall es so ergeben sollte, Brazils Streitkraften anschlie?en mochten, und es war offenkundig, in welchen Hexagons Brazils Helfer am Werk gewesen waren. Beispielsweise hatte Marquoz die Hakazit in der Tasche. Die Dillianer, an sich keine sehr kampfeslustigen Leute, nahmen keine gemeinsame Haltung ein — bei ihnen gab es ohnehin nicht viel an Regierung — und lie?en jeden fur sich entscheiden.

Aber eine starke Mehrheit, so schien es, scherte sich keinen Deut um den Rest des Universums, dachte nur an die eigene Haut und war entschieden fur den Kampf. Er wu?te, da? das zu erwarten gewesen war. Wenn eine Nation vor der Wahl zwischen abstraktem Prinzip oder absolutem Eigeninteresse stand, trug letzteres jedesmal den Sieg davon.

Man wurde kampfen — oder jedenfalls gab es genug Stimmen dafur. Er konnte es nicht verhindern, und erst als die Rede auf Pogrome gegen die Neuzugange kam, griff er wieder ein und warnte mit Nachdruck.

»Ich wurde keine Massaker an diesen Neuzugangen empfehlen«, sagte er heftig. »Bedenken Sie: Sie mussen die durchaus reale Moglichkeit einbeziehen, da? Brazil trotz unserer Bemuhungen den Schacht erreicht. Jede Rasse, die an diesem Punkt ihren Uberschu? ausgerottet hat, wird notwendigerweise der volligen Ausloschung ausgesetzt sein. Sie konnen es sich nicht leisten, sie zu toten! Denken Sie an das Leben Ihrer Volker, an Ihr eigenes Leben! Sie konnen tun, was Sie wollen, nachdem wir Brazil in unsere Gewalt gebracht haben, doch erst dann!«

»Aber alle Neuzugange sind auf seiner Seite«, klagte jemand, der fur die Meinung vieler sprach. »Sie sagen damit, da? wir eine verraterische Armee aufnehmen mussen, eine, die uns toten wird.«

»So weit hat er uns gebracht«, raumte Ortega ein. »Aber vergessen Sie nicht, Sie brauchen ihnen nicht viel Freiheiten zu lassen, wenn uberhaupt welche. Bringen Sie sie unter Kontrolle, so gut Sie konnen. Ich vermute, da? die meisten, sobald sie dazu in der Lage sind, zu einem vereinbarten Treffpunkt eilen werden — wenn Sie das zulassen. Verhindern Sie es. Reduzieren Sie seine Armee und halten Sie sie innerhalb Ihrer eigenen Grenzen in Schach. Es hangt von Ihnen ab, klug und verstohlen vorzugehen.«

Er wu?te, da? nicht alle seinen Rat befolgen wurden, aber doch die meisten. Eigeninteresse, auch hier. Sie mu?ten sich gegen alle Moglichkeiten absichern. Viele Unschuldige wurden hingemetzelt werden, daran gab es fur ihn keinen Zweifel, aber die meisten wurden zogern und uberlegen. Er hoffte es.

Schlie?lich kam es zur Abstimmung. Von den 713 vertretenen Hexagons stimmten 431 dafur, Brazil aufzuhalten, 184 dafur, eine Einigung mit ihm zu versuchen, und 98 enthielten sich der Stimme oder sprachen sich praktisch dafur aus, nichts zu tun. Das Endergebnis entsprach in bemerkenswerter Weise der Schatzung, die Ortega wahrend der Debatte anhand seiner Karte aufgestellt hatte.

»Der Vorschlag ist also angenommen. Das hei?t Krieg«, gab er schlie?lich bekannt. »Also gut. Da wir nicht die Macht haben, die Andersgesinnten dazu zu zwingen, da? sie die Haltung der Mehrheit unterstutzen, mu? ich in diesem Augenblick mehrere Ma?nahmen ergreifen. Erstens mu? ich jeden, der seine Wahlentscheidung andern

Добавить отзыв
ВСЕ ОТЗЫВЫ О КНИГЕ В ИЗБРАННОЕ

0

Вы можете отметить интересные вам фрагменты текста, которые будут доступны по уникальной ссылке в адресной строке браузера.

Отметить Добавить цитату