»Nicht ich. Aber ich glaube, Ihr ganzes Leben ist eine Suche nach etwas gewesen, das Sie nie erkannt haben — und wenn Sie es erkennen, konnten Sie es finden. Bis dahin wollen wir das Thema wechseln. Schon eine Nachricht von Dahir?«
Sie nickte.
»Ja. Sie ziehen sich zuruck. Freier Durchzug. Sieht aber nach Anweisungen von oben aus. Sie wollen das nicht, soviel ist klar, so da? es Schwierigkeiten geben konnte, und das macht mich nervos. In Dahir gibt es Zauberei, wissen Sie?«
Er nickte.
»Ist mir durchaus klar. Es ist moglich, da? sie nicht kampfen, aber wenn Gunit Sangh etwas versucht, dann dort.«
»Wir bewachen Sie standig und scharf«, versicherte sie ihm. »Und so sehr verwundbar sind wir gar nicht. Gewi?, wir verfugen nicht selbst uber Zauberei — selbst wenn wir Leute mit der notigen Ausbildung hatten, wurde ihr Zauber nur in ihren Heimathexagons wirken —, aber wir haben Gegenmittel. Ich glaube nicht, da? man an Sie herankommt.«
»Trotzdem«, gab er langsam zuruck. »Trotzdem… ich habe gar kein gutes Gefuhl dabei.« Er zog die Schultern hoch. »Aber was kann man verlangen, wenn man von Beruf Zielscheibe ist?«
Zone
»Da ist es!« Serge Ortega schlug mit einer Hand auf ein Stuck Papier und zog die Brauen zusammen. Trotzdem klang seine Stimme befriedigt.
Der Dahbi hob den Kopf und warf einen Blick auf das Papier. Auf der Liste der erzielten Erkenntnisse war ein einziger Eintrag unterstrichen.
»Dampfer ›Konigin von Chandur‹ rief die in Achrin registrierte ›Windbreaker‹ an. Gemischte Besatzung, an Deck Achrin sichtbar, aber ungewohnlich hohe Zahl von glatthautigen, affenartigen Wesen unter der Besatzung, die den Beschreibungen von Brazil entsprechen.«
»Und?« sagte der Dahbi. »Trotz der Beschreibungen scheint das etwas ganz Normales gewesen zu sein.«
»Menschen vom Typ 41«, stellte Ortega fest. »Das sind Landwirtschaftssklaven der Ambreza. Unterwurfig. Kindlich. Keine eigene Regierung. Werden praktisch nur ge- und verkauft. Was, zum Teufel, machen so viele von ihnen auf einem einzigen Schiff? Und noch wichtiger:
Der Dahbi uberlegte.
»Das klingt allerdings verdachtig. Sie haben sich naturlich bei den Achrin und Ambreza erkundigt?«
»Versteht sich«, gab Ortega gereizt zuruck. »Die Ambreza hatten Unterlagen uber den Verkauf einer Gruppe von drei?ig Personen an eine Reederei fur die Verwendung auf einem Segelschiff. Man erklarte, sie konnten mit den Segeln vielleicht besser umgehen und weniger Schwierigkeiten machen als bezahlte Matrosen.«
»Hort sich logisch an«, meinte der Dahbi.
»Es ist der zeitliche Zusammenhang«, sagte Ortega. »Das und die Tatsache, da? der Schiffseigner nicht auszumachen ist, ja, da? nicht einmal geklart werden kann, in welchem Hex er sich befindet. Achrin ist ein Wasser-Hex, so da? es dort praktisch kein nennenswertes Schiffsregister gibt. Interessant ist auch, da? das Schiff in Mowrey gesichtet wurde. Nehmen wir einmal an — unterstellen wir das nur einmal! —, da? es ihnen auf irgendeine Weise gelungen ist, einen Doppelganger von Brazil zu beschaffen.«
»Doppelganger? Das habe ich nicht ganz begriffen.«
»Ein Duplikat, ein Double. Ich wei? nicht wie, aber das haben sie auch schon gemacht, als er hereingeschmuggelt worden ist, wenn Sie sich erinnern. Das Double als Zielscheibe aufbauen, damit wir hinter ihm herhetzen und seinetwegen gro?e Schlachten schlagen. Wahrend inzwischen der
»Hmmm… Ich wei? nicht…«
»Sie haben uns die ganze Zeit hereingelegt und an der Nase herumgefuhrt«, erinnerte er den Dahbi. »Sie haben uns im Kampf geschlagen, sie haben uns durch die Gegend gejagt, und jetzt gehen sie ganz anders vor, als wir erwartet haben, und konnen uns jederzeit mit neuen Hinfallen tauschen. Wozu dient diese Awbri-Armee? Sie steht einfach und vereinigt sich nicht mit anderen Truppen. Nein, nein, ich glaube, wir mussen dieses Schiff einholen und die Besatzung befragen. Finden Sie nicht auch?«
Die Stimme des wei?en Wesens klang nun ein wenig hilflos.
»Ich zweifle im Ernst daran, da? wir jetzt tun konnen, was Sie vorschlagen«, erwiderte es langsam. »Das ist ein riesiges Meer, und wie Sie sicher wissen, sind die meisten Gattungen in diesen Hexagons, au?er an den Kusten, Tiefsee-Geschopfe. Wenn zutrifft, was Sie sagen, werden sie ihre Spuren sicherlich auch verwischt haben, indem sie das Schiff im Aussehen verandert oder es ausgewechselt haben. Das Beste, was wir nach meiner Meinung tun konnen, ist wohl dies, da? wir den Botschafter von Laibiria hier bitten, keine Schiffe durch sein Hex fahren zu lassen — soviel konnen die Leute durchsetzen —, um sie zu zwingen, vor ihrem Ziel anzulegen.«
Ortega zog eine Karte heraus und betrachtete sie grundlich.
»Vielleicht wird das jetzt alles deutlich. Da sie wu?ten, es wurde uns klar sein, da? sie zu einer Avenue mussen, war ihnen auch bekannt, da? ihnen, sobald sie einmal eine bestimmte Richtung einschlugen, nur eine kleine Zahl von Avenuen offenstand. Sie fuhren also die Haupttruppen nach Norden, Richtung Yaxa-Harbigor, einen Brazil-Doppelganger deutlich zu Schau stellend. Das bindet unser Hauptheer gegen das ihre. Mehr noch, es besteht die Versuchung, General Khutirs Streitkrafte, die an der Ellerbanta-Verion-Avenue Aufstellung genommen haben, aus dem Westen herzuholen, um das Hauptheer zu einem Entscheidungskampf zu stellen, bei dem Sanghs und Khutirs Truppen die gesamte Hauptarmee des Gegners, Brazil scheinbar eingeschlossen, zwischen sich haben. Was wird damit erreicht? Die Ellerbanta-Verion-Avenue bleibt praktisch unverteidigt, Brazil, der mit dem Schiff ankommt, steigt aus, marschiert achthundert Kilometer hinauf und ist an Ort und Stelle.« Seine Stimme nahm einen erregteren Klang an. »Ja! Naturlich! Und das erklart, warum das Awbri-Heer unter dieser Yua sich nicht von der Stelle ruhrt. Wenn Khutir begreift und bleibt, wo er ist, kann ihre Armee den eigentlichen Kampf ubernehmen und ihn angreifen, wahrend Brazil hindurchschlupft. Oder sie kann Brazil unterstutzen und beschutzen, wenn die Katze zu fruh aus dem Sack gelassen wird. Und falls ihr Plan funktioniert, konnte sie statt dessen als Reserve hinter der Hauptstreitmacht dienen. Perfekt! Geradezu genial! Beinahe einzigartig!«
»Sie scheinen das zu bewundern«, stellte der Dahbi verwundert fest.
Er nickte.
»Allerdings. Eine krasse Irrefuhrung. Ein Taschenspielertrick mit stehenden Heeren. Man wei? das besonders zu schatzen, wenn man sich das ansieht und sich sagt, nun, wir kampfen Armee gegen Armee, wahrend das in Wirklichkeit gar nicht zutrifft. Das ist kein Krieg. Es geht allein darum, einen Mann zu einer bestimmten Zeit an einen bestimmten Ort zu bringen. Um nichts anderes! Wirklich erstklassig!«
»Das geht aber alles davon aus, da? es tatsachlich ein Duplikat von Brazil gibt und der eigentliche Brazil sich auf dem Schiff befindet«, wandte der Dahbi ein. »Und das wird sich erst erweisen.«
»Da ist er«, erklarte Ortega entschieden. »Wenn nicht auf diesem Schiff, dann eben auf einem ahnlichen. Wir fordern alle Hexagons in der Gegend auf, besonders aufzupassen. Brazils Masken sind in offenem Gelande und in fremder Umgebung beschrankt. Es mag sein, da? er vorher durchgeschlupft ist, ohne bemerkt zu werden, aber nicht mehr, wenn alle nach ihm Ausschau halten.«
»Und Khutirs Truppen?«
»Sollen bleiben, wo sie sind, wenn sie wissen, was gut fur sie ist«, erwiderte Ortega. »Und unterrichtet Gunit Sangh uber die neue Lage.«
»Das wird geschehen«, versicherte der Dahbi. »Aber ich bin mir ganz und gar nicht sicher, wie Seine Heiligkeit das aufnehmen wird.«