Der Einsatzraum befand sich weit druben im Sudflugel, und der Weg dorthin fuhrte uns durch zunehmend leere Gange und Korridore, die trotz des heulenden Alarms schon bald wie ausgestorben dalagen. Au?er Atem erreichten wir schlie?lich unser Ziel. Der Einsatzraum ist eine Hightechzentrale, die dazu bestimmt ist, samtliche Verteidigungsanlagen des Herrenhauses zu uberwachen, von Sensoren uber Schilde bis hin zu unseren verschiedenen Waffensystemen. Es dauerte ein paar Minuten, bis wir drei die strengen Sicherheitsprotokolle durchlaufen hatten, dann eilten Molly, der Waffenmeister und ich in den Raum, und hinter uns schloss sich zischend die gro?e Stahltur und sperrte das Getose der Alarme aus. Die plotzliche Stille, die nur durch die ruhigen und professionellen Stimmen der Anwesenden unterbrochen wurde, war eine regelrechte Wohltat, und ich atmete lang und tief durch, um mich zu beruhigen.
Ich war vorher noch nie hier gewesen; der Einsatzraum hatte sich noch in Konstruktion befunden, als ich von zu Hause fortgegangen war. Im Gegensatz zum Lageraum ist der Einsatzraum eine viel bescheidenere Angelegenheit: nur ein Raum uberschaubarer Gro?e, der mit Computern und anderem verwirrenden Hightechkram vollgestopft ist, bedient von etwa einem Dutzend Technikern unter der Fuhrung des Einsatzleiters. Hier gab es weder Eile noch Hektik noch das Gefuhl der Dringlichkeit; Manner und Frauen sa?en ruhig an ihren Bildschirmarbeitsplatzen und verrichteten effizient und professionell ihre Arbeit. Diese Leute hatten nicht vergessen, was es hie?, ein Drood zu sein. Sie bewahrten in einer Notsituation kuhlen Kopf, weil es das war, was man ihnen eingedrillt hatte, denn die Entscheidungen, die in diesem Raum getroffen wurden, konnten Auswirkungen auf die Sicherheit der ganzen Familie haben.
Holografische Anzeigen schalteten sich in der Luft schwebend ein und aus und zeigten schnell wechselnde Bilder des Herrenhauses von innen und von au?en, au?erdem umfassende Ansichten der Parkanlagen und aller moglichen Zugange zum Gebaude. Ich ging rasch von Bildschirm zu Bildschirm, aber der Teufel sollte mich holen, wenn ich irgendein Zeichen fur eine eindringende Streitmacht entdecken konnte. Der Himmel war leer, die Anlagen friedlich und verlassen und alle Schilde unversehrt und am richtigen Platz. Etwas musste die Alarme ausgelost haben, aber was? Ich begab mich in die Mitte des Einsatzraums, und wie selbstverstandlich schlossen Molly und der Waffenmeister sich mir zu beiden Seiten an. Ich war froh, sie bei mir zu haben, denn allmahlich wurde ich ziemlich unsicher. Aufmerksam lauschte ich dem Murmeln der Stimmen der Techniker um mich herum, die leise, professionell und au?erst wirr miteinander sprachen.
»Ich habe ansteigende Energiepegel. Alle Anzeigetafeln sind grun, alle Waffensysteme online.«
»Kann jemand was sehen? Meine Sensoren sind jungfraulich, quer uber die ganze Tafel.«
»Wartet mal; ich krieg was rein! Eine eindeutig infernale Prasenz.«
»Infernal? Bist du sicher?«
»Hey, das ist schlie?lich nichts, was man leicht verwechseln kann. Da ist was aus der Holle, genau hier im Garten hinterm Haus!«
»Macht euch bereit, die Rasensprenger auf Weihwasser umzustellen! Und jemand soll all unsern Klerikern Bescheid geben!«
»Code Rot. Ich wiederhole, wir haben Code Rot! Alle nicht notwendigen System werden fur die Dauer des Alarms abgeschaltet.«
»Warum wurden wir nicht gewarnt? Was ist mit den ganzen wunderbaren und ausgesprochen kostspieligen neuen Sensoren passiert, mit deren Installation ich die gesamte letzte Woche zugebracht habe?«
»Stumm wie ein Grab, der ganze Haufen. Was auch da drau?en ist, die Sensoren konnen es nicht sehen. Nicht mal die Greifen haben es kommen sehen.«
»Wer hat meine Jaffa Cakes? Ihr wisst doch, dass ich ohne Jaffa Cakes nicht funktionstuchtig bin!«
»Alle Waffensysteme online und verfugbar. Verschafft mir nur noch ein Ziel, und ich werde blutige Batzen aus ihm heraussprengen!«
»Da druben!«, sagte der Waffenmeister mir leise ins Ohr. »Siehst du den gro?en, angespannten Typen in dem Anzug mit dem festgeknopften Kragen? Das ist Howard, der neue Einsatzleiter. Ich hatte ihn fruher unten in der Waffenkammer bei mir, aber er hatte nicht die notige Geduld. Allerdings war er ein gutes Stuck gescheiter als der durchschnittliche Drood, deshalb haben wir ihn hierher gesteckt, und binnen eines Jahres hat er die Leitung des Ladens ubernommen. Ah, schau; er hat endlich geruht, uns zu bemerken und kommt ruber. Das verspricht spa?ig zu werden!«
»War hier fruher nicht die alte Wascherei?«, fragte ich.
»Diese Arbeit haben wir au?er Haus gegeben, um Platz fur die neue, hochmoderne Einsatzzentrale zu schaffen«, klarte der Waffenmeister mich auf. »In der alten mussten standig Gerate ersetzt werden, au?erdem wurde sie sowieso nur noch von Spucke und Siegellack zusammengehalten. Wir haben die letzten zehn Jahre damit zugebracht, die ausgeklugeltsten Waffensysteme zu installieren, die diese Familie je gesehen hat. Zusammen mit den Computern, um sie zu bedienen, konnten wir eine ganze Armee von hier aus abwehren.«
»Wenn wir sie sehen konnten«, murmelte ich.
Der Waffenmeister blickte finster. »Ich verstehe es nicht! Die Anlagen sind vollgestopft mit allen moglichen Uberwachungssystemen. Ein Maulwurf konnte keinen Furz lassen, ohne dass wir alles daruber erfahren. Ah, Howard! Schon dich zu sehen!«
»Schon?«, blaffte er und machte jahlings vor uns Halt. »Was zum Teufel soll denn daran schon sein? Fur das hier mache ich dich verantwortlich, Edwin!«
»Irgendwie hatte ich mir so was schon gedacht«, entgegnete ich. »Hallo, Howard.«
Er schnaubte verachtlich. Er war gro? und ungeschlacht mit rotem Gesicht und vorzeitig zuruckweichendem Haaransatz. Seine Hande hingen an den Seiten herab und waren zu frustrierten Fausten geballt.
»Die Sicherheitsanlagen des Herrenhauses sind vollig durcheinander, seit ihr, du und deine Freundin, geradewegs durch alle unsere besten Verteidigungen marschiert seid«, sagte er verbittert. »Sie sind ausgesprochen sensibel und du hast sie aus der Fassung gebracht. Wir haben Wochen gebraucht, um sie wieder so weit zu beruhigen, dass sie wieder ordentlich funktionierten, und jetzt das! Sind das da drau?en noch welche von deinen Freunden?«
»Das bezweifle ich stark«, meinte ich. »Und Howard, beschranke dich auf ein Brullen, wenn du mit mir redest, sei so nett! Andernfalls werde ich dich von Molly in etwas Kleines und Nasses und Matschiges verwandeln lassen, auf das ich anschlie?end treten werde.«
»Was bin ich«, fragte Molly, »dein Kampfhund etwa?«
»Du wei?t, dass du das liebst.«
»Grrr!«, machte Molly.
Ich schaute Howard wieder an. »Lasst uns alle ganz ruhig und professionell bleiben, wahrend wir herausfinden, was zum Teufel eigentlich hier los ist.«
Wieder schnaubte Howard. »Okay. Nun gut. Wir tun unser Moglichstes mit der Ausrustung, die uns zur Verfugung steht. Versuch du mal, ein Verteidigungssystem des einundzwanzigsten Jahrhunderts mit einem Budget aus dem neunzehnten Jahrhundert laufen zu lassen! Ich hab's der Matriarchin ins Gesicht gesagt: Man kriegt das, wofur man bezahlt.«
Ich fing an, ihn ein bisschen besser leiden zu konnen. »Ich wette, das kam gut bei ihr an!«
Zum ersten Mal lachelte er ein wenig. »Ich wurde so schnell aus dem Lageraum eskortiert, dass meine Fu?e den Boden nicht einmal beruhrten. Na schon, alle mal hergehort, lasst uns die Sensoren noch mal probieren! Gebt mehr Energie drauf und schlie?t alle Extras an; mal sehen, ob wir fur unsere illustren Gaste ein oder zwei brauchbare Bilder herbeizaubern konnen! Solange du nur verstehst, dass das alles deine Schuld ist, Edwin - was auch geschieht.«
»Geht mir immer so«, antwortete ich.
Der Einsatzleiter bewegte sich schnell zwischen seinen Leuten hin und her, sprach hier eine Ermunterung aus, ging dort jemandem um den Bart und holte mit ruhiger Effizienz das Beste aus jedem heraus. Plotzlich kam Leben in die Verteidigungssysteme des Herrenhauses und sie suchten nach einem Ziel: Es stand genug Feuerkraft zur Verfugung, um ein Loch durch den Mond zu sprengen oder ihn aus dem Orbit zu schie?en. Ich beobachtete fasziniert, wie die holografischen Anzeigen Hunderte von Gewehren zeigten, die sich aus den weitlaufigen Rasenflachen hoben und mit langen Laufen hin und her schwenkten, wahrend die Zielerfassungscomputer sich bemuhten, ihnen ein Ziel zu liefern. Schallwaffen, Teilchenstrahlen, Nervengase, stroboskopische Lichter und halluzinogene Nebel. Nein, wir geben keinen Pfifferling auf die Genfer Konventionen. Hatte ich von all dem gewusst, hatte ich niemals gewagt hier einzubrechen. Naturlich hatte ich damals das Confusulum zu meiner