sehr wie ich, und der Feind meines Feindes kann mein Verbundeter sein, wenn auch nicht mein Freund.«

»Du erwartest von uns, dass wir dir vertrauen?«, fragte der Waffenmeister.

»Naturlich nicht. Aber solange wir an einer gemeinsamen Sache arbeiten, liegt es in meinem eigenen Interesse, euch nutzlich zu sein.«

»Und er ist mit mir da«, warf Harry sehr bestimmt ein. Er stand wieder neben Roger, als ob er dorthin gehorte. »Roger und ich kennen uns seit ewigen Zeiten: alte Freunde, alte Verbundete.«

»Gro?er Gott!«, sagte der Waffenmeister. Er klang ehrlich schockiert. »Was hast du getan, Harry, in welche Tiefen bist du gesunken, dass du auch nur in Betracht ziehen konntest, dich mit einem Geschopf der Holle anzufreunden?«

»Wenn deine Familie dir den Rucken kehrt, dann musst du dir die Freunde suchen, wo du kannst«, erwiderte Harry. »Nicht wahr, Eddie? Nun, wie sieht's aus, kein Willkommen daheim fur mich, Onkel Jack? Nach all den langen Jahren, die ich von zu Hause fort war und in denen ich der Familie treu und gut in fremden Breiten gedient habe, ohne je auch nur ein Dankeschon dafur zu horen?«

»Du hattest jederzeit heimkommen konnen«, erwiderte der Waffenmeister. »Die Matriarchin ware vielleicht nicht allzu glucklich daruber gewesen, aber dein Vater und ich hatten dir zur Seite gestanden. Das haben wir dir gesagt; das haben wir dir beide oft genug gesagt. Aber du hattest ja immer irgendeine Ausrede!«

»Jetzt bin ich da, Onkel Jack. Wegen meines Vaters.«

»Du hast es also gehort«, stellte ich fest.

»Naturlich habe ich es gehort. Die ganze Welt wei?, dass du meinen Vater ermordet hast, lieber Cousin Eddie. Und nun bin ich hier, stellvertretend fur alle alten Freunde, Verbundeten, Geliebten und Feinde des Grauen Fuchses, die alle au?erst verargert daruber sind, dass der legendare James Drood tot ist. Wir wollen wissen warum. Wir verlangen Antworten.«

»Es war ein Zweikampf«, sagte ich schlicht. »Rustung gegen Rustung. Er kampfte gut und starb ehrenvoll.«

Ich warf nicht einmal einen Blick in Mollys Richtung. Ihre Rolle bei James' Tod ging niemanden au?er sie selbst etwas an.

Harry sah mich mit leicht schrag gestelltem Kopf an. »Das ist alles? Das ist alles, was du zu sagen hast?«

»Das ist alles, was es zu sagen gibt«, entgegnete ich. »Ich fuhrte Krieg gegen meine Familie, und er kam einfach in den Weg.«

»Dann - dann hast du nicht einfach meinen Vater ermordet und allen die Torques weggenommen … damit du die Macht uber die Familie ubernehmen und sie unbehindert fuhren konntest?«

»Nein«, antwortete ich ruhig. »So war es nicht.«

»So war es wirklich nicht«, bestatigte der Waffenmeister. »Er sagt die Wahrheit, Harry. Meinst du, ich hatte meinen Bruder inzwischen nicht geracht, wenn ich dachte, er musste geracht werden?«

»Nun«, sagte Harry, »das ist ja au?erst interessant. Ich sehe schon, dass ich weitere Nachforschungen anstellen muss. Wie dem auch sei, jedenfalls bin ich endlich mit meinem guten Freund Roger heimgekommen, um der Familie in der Stunde der Not zu dienen. Sagt mir, wie dankbar ihr alle seid!«

»Fur einen erfahrenen Frontagenten mehr haben wir immer Verwendung«, sagte ich. »Aber die Hollenbrut …«

»Bitte, nennt mich Roger!«

»Trau ihm nicht, Eddie!«, warnte Molly, die wieder an meiner Seite war. »Du kannst dich auf nichts verlassen, was er sagt. Die Holle lugt immer, au?er wenn eine Wahrheit einem mehr wehtun kann.«

»Ich sage es noch einmal, fur die Begriffsstutzigen in der letzten Reihe«, sagte Harry. »Roger ist auf meiner Seite. Ich verburge mich fur ihn und garantiere fur sein Verhalten, solange er hier im Herrenhaus ist. Und er hat auch das Recht, hier zu sein. Er gehort zur Familie, genau wie ich.«

»Was?«, rief der Waffenmeister. »Hast du den Verstand verloren, Harry? Wie kann ein Geschopf der Holle zur Familie gehoren?«

»Indem wir denselben Vater haben«, erklarte Harry.

Roger lachelte breit. »Mutter war ein Sukkubus, mein Vater der illustre James Drood. Wie war's mit einer dicken familiaren Umarmung?«

Der Waffenmeister schuttelte langsam den Kopf, schwerfallig, als ob man ihn heftig geohrfeigt hatte. Auf einmal sah er alter aus und gebrechlicher. Ich muss sagen, dass es auch mir den Atem verschlug. Ich schaute Molly an, aber sie zuckte blo? die Schulter, um zu zeigen, dass es auch fur sie eine Neuigkeit war.

»Das ist richtig«, sagte Harry munter. »Roger ist mein Stiefbruder. Und dein Neffe, Onkel Jack.«

»Der alte Graue Fuchs war sexuell wirklich sehr aktiv«, sagte Molly. »Aber selbst dann - ein Sukkubus? Das ist einfach … geschmacklos.«

»Lustdamonen sind Aristokraten in der Holle«, erlauterte Roger. »Und gesammelte Seelen sind die Wahrung.«

»Halt die Klappe!«, sagte der Waffenmeister. »Halt einfach die Klappe!«

»Jawohl, Onkel«, sagte Roger.

»Es ist spa?ig, wie Roger und ich uns kennengelernt haben«, erzahlte Harry. »Das kam nur, weil wir alle verwandt sind. Vater und ich arbeiteten gemeinsam an einer Mission, wie wir es haufig taten, wenn wir gleichzeitig im selben Teil der Welt landeten. Vater und ich waren in Paris und dort dem Fantom, dem legendaren Dieb und Attentater, auf der Spur. Er fuhrte mich in einen gewissen kleinen, abgelegenen Nachtclub am Westufer, wo man Informationen aller Art erhalten konnte, wenn man sich ein wenig Muhe gab. Ein schmieriges Lokal, das sich das Plus Ca Change nannte … Und dort bin ich Roger begegnet. Wir kamen ins Plaudern, wahrend Vater die benotigten Informationen aus einem Haufen Rocker-Werwolfen herausprugelte. Wir beide kamen fabelhaft miteinander aus - das Fantom haben Vater und ich zwar nie eingeholt, aber Roger und ich blieben miteinander in Verbindung.«

»Dann willkommen zu Hause, Harry«, sagte ich. »Und du auch, Roger. Kommt mit uns ins Herrenhaus, wir werden euch schon unterbringen. Aber wenn einer von euch auch nur einmal au?er Kontrolle gerat, dann werde ich ihn niederschlagen und auf seinem Kopf eine Riverdance-Vorfuhrung geben!«

»Das ist blo? raue Liebe«, erklarte Harry Roger, »du wirst dich daran gewohnen. Das ist eben die Drood-Art. Was macht unser lieber alter Seneschall, Eddie?«

»Schmei?t den Laden immer noch mit eiserner Faust in eisernem Handschuh«, antwortete ich, ohne mich kodern zu lassen. »Kommt mit - und nimm deinen Schwan mit, Harry. Spare in der Zeit, dann hast du in der Not.«

»Schon zu Hause zu sein, Eddie«, sagte Harry. »Kann nicht behaupten, dass ich mich jemals so willkommen gefuhlt habe. Ich vermute, wenigstens das haben du und ich gemeinsam: Die Lieblingssohne unserer Familie waren wir nie.«

Plotzlich ertonten schnaubende, hustende Gerausche, und wir blickten uns beide um. Die Greifen hatten uns endlich aufgespurt und kamen herubergeschlendert, um die Neuankommlinge mit einem ordentlichen Schnuffeln zu uberprufen. Harry lie? es resigniert uber sich ergehen, und dann wandten die Greifen sich Roger zu. Sein Geruch gefiel ihnen uberhaupt nicht; mit tiefen, grollenden Stimmen knurrten sie ihn an. Einer schnappte sogar nach ihm und Roger trat ihm so in die Rippen, dass er drei, vier Meter durch die Luft segelte. Mit schnellen Bewegungen stellte ich mich zwischen Roger und die Greifen.

»Tu das nicht!«, sagte ich.

»Sonst?«, sagte er.

Es war eine unverblumte Herausforderung - und eine, der ich begegnen musste, wenn ich irgendeine Autoritat im Herrenhaus fur mich beanspruchen wollte. Ich sprach innerlich die Worte und rustete binnen eines Moments hoch, und die silberne fremde Materie floss uber mich wie eine zweite Haut. Ich ballte eine silberne Hand zur Faust und hielt sie Roger vors Gesicht. Unter seinen Augen lie? ich dicke, silberne Dornen aus den Knocheln wachsen. Unmenschlich schnell schoss Roger nach vorn, die Finger wie Klauen, das unglaublich breite Lacheln voller Zahne wie die eines Haifischs. Ich wich nicht von der Stelle und versetzte ihm einen Faustschlag ins Gesicht, hinter dem meine ganze gepanzerte Kraft lag. Wie vom Blitz getroffen blieb er stehen, und die schiere Wucht des Aufpralls lie? seinen Kopf so hart nach hinten fliegen, dass es einem normalen Menschen das Genick gebrochen hatte. Roger taumelte zuruck, dann fing er sich rasch wieder. Langsam schuttelte er den Kopf und fuhr sich mit einer Hand ans Gesicht: Seine Nase war gebrochen, wenngleich kein Blut floss.

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