Gro?vaters Tagebuch gelesen, aber ich hatte mir nie vorgestellt …«

»Ich habe davon gehort«, sagte ich. »Aber ich hatte nie erwartet, ihn zu sehen. Es wird erzahlt, dass man ihm bis zum Ende des Universums folgen kann und dort vielleicht seinen Herzenswunsch erfullt bekommt.«

»Oh Eddie«, sagte Molly. »Konnten wir nicht …«

»Ja«, sagte ich. »Konnten wir. Aber wir mussen woanders hin. Wir haben Pflichten. Und Verantwortung.«

»Ja«, sagte Molly und lie? den Sternenbogen nicht aus den Augen. »Wenn wir nur konnten …«

»Wenn wir nur konnten«, erwiderte ich. »Das sind immer die schlimmsten Worte. Tony, bring uns hier heraus.«

Er beschleunigte und langsam lie?en wir den Sternenbogen hinter uns. Manchmal denke ich, dass das Traurigste war, was ich je hatte tun mussen.

Endlich erschien wieder Merlins Spiegel vor uns und wir rohrten hindurch. Mit einem Mal waren wir wieder in der Realitat angelangt, die wir kannten und zuruck in der Zukunft, die ich schon gesehen hatte. Der Zeitzug schien fur einen Moment wie ein Stein zu fallen, dann erschien eine gro?e eisige Ebene unter uns und plotzlich fra? sich Ivor durch dicken Schnee. Molly, Tony und ich wurden hin und her geworfen, als Ivors Geschwindigkeit mit fiesen Schocks und Sprungen langsamer wurde. Tony rang mit beiden Handen die Kontrollen nieder, er schrie und fluchte und endlich kam der Zeitzug zum Stillstand.

Es war plotzlich sehr kalt, unser Atem dampfte dick in der Luft. Mein nacktes Gesicht und die Hande brannten in der plotzlichen Kalte, und ich lugte aus dem Fuhrerhaus hinaus, um mich zu orientieren. Diesmal waren wir wirklich auf der fremdartigen Welt mit dem rosafarbenen Himmel und den drei grell scheinenden Sonnen. Die Schneewuste erstreckte sich so weit das Auge reichte. Dunne Nebelschwaden wurden von der eisigen Luft hin und her geweht.

»Du bringst mich wirklich an die schonsten Orte, Eddie«, sagte Molly, schlug ihre eiskalten Hande aneinander und blies hinein.

»Hey, das ist immerhin eine vollig neue Alienwelt!«, antwortete ich.

»Hattest du nicht eine warmere aussuchen konnen?«

»Jedenfalls sind wir hier richtig«, sagte ich.

»Warum bist du so sicher?«

»Weil ich die Leichen wiedererkenne.«

Sie waren genau so, wie ich sie in Erinnerung hatte, ein Dutzend tote Manner und Frauen, die uber den blutigen Schnee verteilt waren. »Das ist das Werk von Giles Todesjager«, sagte ich. »Er ist wirklich ein Mordskampfer.«

»Konnte auch ein Mordsmassenmorder sein, nach allem, was du wei?t«, sagte Molly. »Wo ist er uberhaupt?«

Ich sah mich um, aber von dem Krieger der Zukunft war nichts zu sehen. Ich begann gerade, mich zu fragen, wie akkurat Ivor und Merlins Spiegel wohl wirklich waren. Wir waren einen langen Weg gekommen und nur ein paar Tage Differenz, nach wei? der Geier wie vielen Jahrhunderten, war zu erwarten. Aber einem Mann auf der Flucht konnte in ein paar Tagen viel passieren, und das meiste davon war schlecht. Aber … Ivor und der Spiegel waren alles, was ich hatte, und so war ich nicht gerade in der Position, mich zu beschweren. Molly und ich kletterten aus dem Fuhrerhaus heraus und wanderten auf die Ebene hinaus. Mit jedem Schritt versanken wir tief im dicken Schnee. Es war bitterkalt, beinahe nicht auszuhalten, so weit weg von Ivors Fuhrerhaus. Aber die pure Anstrengung, die es bedeutete, mir einen Weg durch den Schnee zu bahnen, lie? mich schwitzen. Jeder Atemzug schmerzte in meinen Lungen, und meine Stirn tat weh, als hatte jemand draufgeschlagen.

Aber es war immer noch eine fremde Welt, uber der drei helle Sonnen von einem leuchtend pinkfarbenen Himmel schienen. Ich setzte Molly das auseinander, aber sie grunzte nur unbeeindruckt und schlang die Arme so eng um sich, als wolle sie die Warme daran hindern, sie zu verlassen. Ich winkte frohlich zu Tony zuruck und er winkte zuruck, aber er machte keine Anstalten, seine geliebte Maschine zu verlassen.

Ich trottete durch den Schnee auf die Leichen zu. Sie waren uberall, Hunderte von ihnen, die mit verrenkten Gliedern in seltsamen Posen im blutdurchtrankten Schnee lagen. Einigen fehlten die Glieder, anderen die Kopfe. Einige waren ausgeweidet und zerhackt. Aber so aus der Nahe stellte sich heraus, dass meine Identifikation falsch war. Das waren keine Manner in futuristischer Rustung, ihre Rustung war Teil von ihnen. Diese Leute waren eine Art Cyborgs, Kompositionen aus Mensch und Maschine. Stahlkabel und kantige, technische Teile, die von totem wei?em Fleisch zusammengehalten wurden. Kameras in Augenhohlen, Gewehre, die direkt in die Hand implantiert waren. Keine zwei Leichen waren gleich, aber sie alle waren offensichtlich Teil des gleichen Prozesses gewesen. Sie sahen so hasslich aus wie die Sunde. Wer auch immer sie zusammengebaut hatte, hatte die Funktion uber die Asthetik gestellt. Die Gesichter waren allerdings durchaus menschlich und das Blut nur allzu vertraut.

»Widerliche Verletzungen«, sagte Molly und hielt neben mir an. Sie beugte sich uber einen der Toten, um ihn naher in Augenschein zu nehmen. Sie gab sich Muhe, ihn nicht zu beruhren. »Aber keine Schusswunden. Diese armen Bastarde sind zu Tode gehackt worden. Wenn ich es nicht besser wusste, wurde ich sagen, dass Mr. Stich uns hier eins ausgewischt hat.«

»Giles schien das Schwert zu bevorzugen, glaub's oder nicht«, sagte ich. »Er hat ein verdammt gro?es mit sich herumgetragen, als ich ihn das letzte Mal gesehen habe.«

»Man benutzt Schwerter in der Zukunft?«, fragte Molly unglaubig. »Warum hat man dann die Technologie fur solche Cyborgs entwickelt?«

Ich zuckte mit den Achseln. »Wer wei? schon, was hierzulande normal ist.«

Ich sah eine weggeworfene Waffe im Schnee liegen und beugte mich herab, um sie aufzuheben. Die Pistole wog fur ihre sperrige Gro?e unheimlich leicht in meiner Hand. Sie bestand hauptsachlich aus einem stumpfen grunen Metall, uber und uber besetzt mit glanzenden Kristallen und blinkenden farbig leuchtenden Anzeigen. Aber sie hatte einen Lauf und einen Ausloser und so zielte ich uber die Ebene hinweg und feuerte. Ein greller Energieblitz schoss aus der Waffe und schlug ungefahr hundert Meter weiter einen massiven Krater aus dem Schnee. Der Boden bebte fur einen Moment unter unseren Fu?en und Molly griff nach meinem Arm. All der Schnee, der vaporisiert worden war, lie? dicke spiralformige Nebelschwaden uber dem Krater zuruck.

Ich klemmte die Strahlenpistole unter den Arm und grinste. »Oh, Onkel Jack wird das Ding lieben.«

»Wenn du dich zuruckhalten kannst, uns alle in die Luft zu jagen«, meinte Molly trocken. »Tu's weg, Eddie, du kannst spater damit spielen.«

Ich sah nach einer Sicherung, aber die Waffe schien keine zu haben, also steckte ich sie einfach vorsichtig in meine Jackentasche. Molly kniete sich neben einen der toten Cyborgs.

»Meinst du, wir sollten einen von denen mitnehmen? Der Waffenmeister kann vielleicht alles Mogliche mit dieser Technologie anfangen.«

Ich dachte kurz daruber nach, aber schuttelte dann energisch den Kopf. »Das fuhlt sich zu sehr nach Leichenraub an, denke ich.«

»Warmduscher«, sagte Molly. Sie richtete sich wieder auf, doch der Cyborg packte sie plotzlich mit einer toten Hand am Arm.

Molly schrie auf, au?er sich. Sie zerrte erbittert an ihrem Arm, doch der Cyborg hatte sie fest im Griff. Ich trat schnell vor und trat fest auf die Brust des Dings. Die Rustung tat mir durch meinen Schuh hinweg weh, aber der Aufprall riss Mollys Arm aus dem Griff des Cyborgs. Jetzt schnappte es nach meinem Bein, aber ich war schon zuruckgetreten. Molly strampelte so schnell fort von diesem Ding, wie der Schnee es zulie? und fluchte laut. Der Cyborg setzte sich im blutigen Schnee auf und sah uns beide mit einer toten, ausdruckslosen Miene an. Silberne Muster aus Stromkreislaufen bedeckten seine Braue und fuhrten eine Seite des Gesichts herab. Er hob einen Arm, zeigte auf uns und ein dunnes schwarzes Gehause erhob sich geschmeidig aus seinem Handrucken. Ich warf mich selbst in den harschigen Schnee und ein Energieblitz zuckte dort, wo ich gestanden hatte, durch die Luft. Nah genug, dass sich alle Haare auf meinem Korper aufstellten.

Ich rollte mich auf die Seite und kam muhsam auf die Beine. Der Cyborg stand mit ruckartigen, zuckenden Bewegungen aus dem Schnee auf und drehte seinen Kopf hin und her. Er suchte ein neues Ziel. Und trotz allem hatte ich nie das Gefuhl, das Ding wurde leben. Der Mensch war ganz klar tot, seine Augen waren starr und blinzelten nicht, es war nur die Maschine in ihm, die ihn auf den Beinen hielt - vielleicht ausgelost durch Mollys Nahe.

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