»Wahrend der Arbeit bitte nicht mit dem Fahrer sprechen«, sagte ich zu Giles. »Das macht ihn nur nervos.«

Wieder traf ein ganzes Bundel von Energiestrahlen den Schutzschild auf einmal und Molly schrie vor Schmerzen auf, die Augen zusammengekniffen vor Anstrengung, den Schild aufrechtzuerhalten. Ein Blutstropfen erschien unter ihrem linken Augenlid. Tony schlug die Klappe der Brennkammer zu und offnete die Drosselung bis zum Anschlag. Dabei murmelte er eine Mischung aus Gebeten, Obszonitaten und Ermutigungen an Ivor in sich hinein. Ivor tat einen Satz nach vorn, der uns alle taumeln lie?, und machte sich dann auf den Weg zu Merlins Spiegel, der wieder vor uns in der Luft schwebte. Einer der Gleiter schoss darauf. Der Strahl wurde prompt zuruckgeworfen und holte ihn selbst vom Himmel. Wahrscheinlich konnte alles, das Merlin Satansbrut gebaut hatte, sich selbst verteidigen.

Die anderen Gleiter feuerten jetzt intensiver auf Ivor, als er begann, sich zu bewegen und unsicher durch den dicken Schnee zu fahren begann. Aber keiner traf, obwohl Mollys Gesicht jetzt schwei?bedeckt war und noch mehr Blut aus ihren zusammengepressten Augen rann. Ivor wurde langsam schneller und die verschneite Ebene verschwand hinter uns, als Merlins Spiegel nach vorn zu hupfen und uns zu verschlingen schien. Mit einem Mal lie?en wir die Alienwelt hinter uns und fuhren durch die andere Seite von Raum und Zeit zuruck in Richtung Heimat.

Molly entspannte sich mit einem gro?en, schaudernden Seufzer und lehnte sich erschopft an die innere Wand des Fuhrerhauses. Ihre Augen waren immer noch geschlossen, aber scheinbar blutete sie nicht mehr. Ich setzte mich neben sie und wischte ihr mit meinem Taschentuch zartlich den Schwei? und das Blut vom Gesicht. Sie lachelte leicht, nur um mich wissen zu lassen, dass sie uber meine Anwesenheit glucklich war.

Ivor hatte sichtlich Muhe. Seine Geschwindigkeit schien zu schwanken und aus seinem Inneren kamen besorgniserregende Gerausche. Tony werkelte endlos uber den verschiedenen Anzeigen, korrigierte immer wieder die Stellung seiner Hebel und redete pausenlos leise und motivierend auf seine Lok ein. Giles stand geduldig in einer Ecke, die Arme vor der Brust verschrankt und sah interessiert auf den Ozean aus Sternen, der uns umgab. Nach einer Weile war Molly wieder in der Lage, die Augen zu offnen und als ich mir sicher war, dass sie keinen Schaden davongetragen hatte, stand ich auf und ging hinuber, um mit Giles zu sprechen. Ich dachte, ich sollte ihn vielleicht willkommen hei?en - aber das war nicht einfach. Auch wenn unsere Translatoren immer noch gut funktionierten, lagen doch ganze Zeitalter zwischen uns und es war manchmal schwer, Worte oder Begrifflichkeiten zu finden, die wir gemeinsam hatten. Wir waren uns nicht einmal sicher, wie viele Jahrhunderte uns trennten.

»Ich bringe dich auf die Erde zuruck. An den Beginn des 21. Jahrhunderts nach Christus.«

Giles zuckte nur mit den Achseln. »Tut mir leid, das sagt mir nichts. Ich komme aus dem Herzen des Reiches. Die Innerste Welt, im 31. Jahrhundert des Neuen Zeitalters. Und davor habe ich auf einer kleinen Koloniewelt in den au?eren Bereichen der Galaxis gelebt.«

»Und du hast fur den Kaiser gearbeitet?«, fragte ich vorsichtig.

»Na ja, offiziell tue ich das immer noch. Ich bin der Oberste Krieger und durch offentliche Verkundung der Fuhrer der kaiserlichen Heerscharen in der Schlacht. Der Kaiser wird mich wieder aufnehmen, wenn wir diese kleine Meinungsverschiedenheit ausgeraumt haben.«

»Wird er dich nicht vermissen?«

»Ethur? Er wird einige Zeit froh sein, mich nicht zu sehen. Wenn er erst eine Chance gehabt hat, sich zu beruhigen, werden meine Anhanger hinter den Kulissen alles wieder ausbugeln - und dann wird er mich wieder an den Hof zuruckzitieren, ohne sein Gesicht zu verlieren. Irgendetwas wird passieren, mit dem nur der Oberste Krieger fertig werden kann, so etwas geschieht immer. Und dann wird er mich mit offenen Armen empfangen. Das wird er mussen, denn er braucht mich. Er regiert vielleicht das Reich, aber ich bin derjenige, der es befriedet.« Er sah mich nachdenklich an. »Du kannst mich doch wieder zuruckbringen, oder?«

»Aber sicher«, sagte ich prompt und gab mir Muhe, selbstsicher zu klingen. »Das ist ja das Besondere an Zeitreisen. Man kann sich an den Ausgangspunkt in Raum und Zeit zuruckbringen, plusminus ein paar Sekunden.«

»Mir waren ein paar Monate lieber«, sagte Giles.

»Kein Problem«, sagte ich. »Stimmt's, Tony?«

Aber der horte nicht auf mich, sondern kummerte sich immer noch hingebungsvoll um seine Maschine. Ich uberlegte, was ich sonst sagen konnte, womit ich das Thema wechseln konnte.

»Also - warum ein Schwert, Giles?«

»Weil es eine ehrenhafte Waffe ist«, sagte Giles, als lage die Antwort offen auf der Hand.

»Na wundervoll«, sagte Molly. »Wir haben einen Bekloppten aufgelesen.«

Nach verschiedenen Ereignissen und Abenteuern kamen wir alle wieder nach Hause. Der Zeitzug schoss brullend aus Merlins Spiegel und kam mit quietschenden Radern im hinteren Teil des Hangars zum Stehen. Wieder zu Hause, in einer Wolke, die ganz genauso aussah wie Dampf. Die Maschine stellte sich von alleine ab, bebte, schuttelte sich noch einmal und war endlich still. Im schwarzen Stahl knackte es laut, wahrend er langsam abkuhlte. Merlins Spiegel schrumpfte auf seine gewohnliche Gro?e zusammen und steckte sich ein wenig schuchtern wieder in meine Jackentasche. Ich musste mich wirklich langsam fragen, wer von uns beiden hier die Entscheidungen traf. Ich sollte in einer ruhigen Minute wirklich die Bedienungsanleitung lesen. Ich half Molly beim Aussteigen und sie lehnte sich mude an mich. Tony war schon heruntergekommen, und betrachtete besorgt den langen Riss in Ivors Seite. Die Maschine machte traurige kleine puffpuff-Laute aus ihrem Schornstein. Giles sprang aus dem Fuhrerhaus hinunter und sah sich interessiert um. Ich wollte gerade anfangen, ihm zu erklaren, was es mit der Halle auf sich hatte und horte sofort wieder auf, als ich feststellte, dass es hier noch stiller und verlassener war als ublich. Kein Enthusiast arbeitete an seinem Projekt, niemand werkelte an einem bestimmten Gerat, keine Spur von irgendjemandem, irgendwo.

Das lie? mich ganz stark annehmen, dass wir nicht nur ein paar Sekunden, nachdem wir abgefahren waren, wieder angekommen waren.

Zwei Manner erschienen im Hangartor und kamen direkt auf uns zu. Beide sahen sehr vertraut aus. Mir wurde plotzlich kalt, als ich sah, dass sie beide dasselbe Gesicht hatten. Es waren der lebende Jacob und der Geist, die da nebeneinander herliefen. Jemand hatte offenbar den lebenden Jacob beiseite genommen und ihm moderne Klamotten gezeigt. Er trug eine ausgeblichene Rohrenjeans, ein T-Shirt, das den legendaren Aufdruck Hurra, ich lebe noch trug und eine schwarze Motorradlederjacke. Es stand ihm. Jacobs Geist hatte seinen Anzug aufgegeben und trug wieder seine ausgebeulten Shorts und ein T-Shirt, auf dem Gespenster tun es mit Geist stand. Er sah ziemlich undurchsichtig und solide aus, doch Teile von ihm schienen sich immer wieder aufzulosen und seine Haare flogen um ihn herum, als befande er sich unter Wasser. Beide, der lebendige und der tote Jacob, sahen sehr ernst aus. Sie blieben vor mir stehen und ich sah von einem zum anderen.

»Okay«, sagte ich. »Das macht mir jetzt richtig Angst.«

»Was?«, runzelte der lebendige Jacob die Stirn. »Ach, wir. Habe festgestellt, dass ich der Einzige bin, dem man hier trauen kann.«

»Richtig«, grollte Jacob der Geist. »Die Dinge haben sich in deiner Abwesenheit sehr verschlechtert, mein Junge.«

»Wo zur Holle bist du all die Zeit gewesen?«, fragte der lebende Jacob.

»Wie lange waren wir denn weg?«

»Achtzehn Monate«, sagte der Geist.

»Was?« Ich wirbelte herum und starrte Tony bose an. »Du hast geschworen, dass du uns nur ein paar Sekunden, nachdem wir gefahren sind, wieder zuruckbringen wurdest!«

»Das ist nicht Ivors Schuld!«, schrie Tony zuruck. »Er wurde von diesem Energiestrahl verletzt! Es ist ein Wunder, dass er uns uberhaupt heil wieder zuruckgebracht hat!«

»Wir reden spater«, sagte ich. Ich drehte mich widerwillig zu den beiden Jacobs um. »Achtzehn Monate? Wirklich? Heulender Jesus … Okay, dann klart mich mal auf, was alles passiert ist. Nein, einen Moment, wie kann ich euch nennen? Ihr konnt nicht beide Jacob bleiben.«

»Das haben wir schon vor Ewigkeiten geklart«, sagte der Geist. »Ich bin Jacob und das ist Jay. Und seit du weg bist, ist alles den Bach runtergegangen. Die Abscheulichen haben sich mit Trumans neuem und

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